Wilhelm von Humboldt an Christian Lassen, 26.01.1829

Ew. Wohlgeboren erlaube ich mir einen kleinen Aufsatz zu schicken, der, während meines Aufenthalts in London im letzten Sommer von mir gedruckt worden ist. Ich werde ihn sous bande abgehen lassen, und er dürfte also wohl erst nach diesen Zeilen bei Ihnen eintreffen. Er entstand durch äußere Veranlassung, es ist mir aber auch selbst lieb gewesen, mich einmal gegen die entsetzliche Manier dieser bloßen Wörtervergleichungen ordentlich aussprechen zu können. Ich bitte Ew. Wohlgebornen das zweite Exemplar des Aufsatzes unsrem Freunde Schlegel mit meinen herzlichsten und freundschaftlichsten Empfehlungen zu übergeben.

Dem Ramayana sehe ich mit Ungeduld entgegen. Ich habe schon längst die Bogen mit großem Genuß durchgelesen, die ich durch Schlegels Güte besitze. Es ist, soviel ich nur immer zu urtheilen vermag, eine treffliche Textberichtigung und Anordnung.

Meine Abhandlung über den Dualis haben Ew. Wohlgebornen doch wohl bekommen?

Als ich in London war, erwähnte einmal Colebrooke eines besondren eilften nur in den Vedas vorkommenden benedictiven Tempus. Es soll bei den Indischen Grammatikern lot genannt werden (nach der sich unter andrem bei Carey befindlichen tempus Bezeichnung) und zugleich Reduplication und Augment annehmen. Da ich nun gerade über diese, dem Griechischen Plusquamperfectum ähnliche Bildung eine Abhandlung geschrieben habe, die ich aber drucken lassen will, so war ich sehr begierig, mehr über dies Veda-Tempus zu erfahren. Allein der betagte und kränkliche Mann wollte sich auf nichts weiter einlassen, und behauptete die Endungen dieses tempus vergessen zu haben.

Ew. Wohlgeboren sind der einzige Gelehrte auf dem Continent, der sich mit Indischen Grammatikern beschäftigt hat. Wenn Ihnen etwas über jene Formation je aufgestoßen wäre, würden Sie mich ausnehmend durch die Mittheilung verbinden.

Empfangen Ew. Wohlgeboren die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.
Humboldt
Berlin, den 26. Jan. 1829.