Wilhelm von Humboldt an Jakob Friedrich Fries, 23.01.1827

Berlin, den 23ten Januar, 1827

Ew. Wohlgeboren hatten die Gefälligkeit, Sich so gütig für meinen Wunsch durch die Herrenhutischen Gemeinen Nachrichten über Außereuroppäische Sprachen zu erhalten zu interessiren, daß ich es für meine Pflicht halte, Ihnen anzuzeigen,  was ich auf einem anderen Wege, den ich früher eingeschlagen, von Herrnhut empfangen habe. Ich hatte mich neulich durch den hiesigen Herrnhutischen Prediger Anders an den Bischoff Wied gewandt, und dieser hat mir wirklich, von den Erben des seeligen Quandt Uebersetzungen biblischer Stücke von diesem Manne, zwei Wörterbücher und eine Grammatik der Arawakischen Sprache (alles ungedruckt) verschaft.[a] Die Grammatik und die Wörterbücher rühren vom Missionar Schuman her, und die Grammatik ist dieselbe, von welcher in der Jenaischen Universitätsbibliothek eine jedoch unvollendet gebliebene Abschrift vorhanden ist.[b]

Der Bischoff Wied hat mir auch einige schriftliche Bemerkungen mitgetheilt, aus welchen ich sehe, daß die Neger in Westindien und Surinam von ihren Missionarien immer in der verderbten Englischen Sprache unterrichtet werden, welche die gewöhnliche dieser Neger ist, und daß daher die Herrnhutischen Geistlichen von den Resten Afrikanischer Sprachen bei diesen Negern keine Kenntniß nahmen.

Ew. Wohlgeboren werden jetzt am besten selbst beurtheilen, ob vielleicht noch etwas anders für meinen Zweck von Herrnhut aus zu erwarten wäre, und insofern empfehle ich mich Ihren ferneren gütigen Bemühungen, so wie ich Ihnen ausnehmend für diejenigen verbunden bin, welche Sie gewiß schon jetzt zu übernehmen die Gefälligkeit gehabt haben.

Indem ich mich mit großem Vergnügen der interessanten Stunden erinnern, die ich mit Ew. Wohlgeboren in Jena zugebracht, wiederhole ich Ihnen die Vertiefung meiner ausgezeichneten Hochachtung
Humboldt[c]
An
Herrn Professor Fries
Wohlgeboren
in Jena

Fußnoten

    1. a |Editor| Siehe hierzu den Brief von Anders an Humboldt vom 21.01.1827.
    2. b |Editor| Theophilus Salomo Schumann (1719–1760), Missionar der Brüdergemeine, hat während seines Aufenthalts in Surinam eine Grammatik der arawakischen Sprache verfasst, die über die Sammlung Büttner in die Universitätsbibliothek Jena gelangte. Von diesem Original hatte sich Quandt eine Abschrift gemacht, die Humboldt dessen Erben abgekauft und mit dem Exemplar in Jena verglichen hat; s. Georg Reutter (2006): Wilhelm von Humboldts linguistisches System. Seine Position in der Geschichte der Sprachwissenschaft, Berlin, S. 201.
    3. c |Editor| Davor mit Bleistift von fremder Hand: „W. v.“