Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 17.03.1823 (Datierung unklar)
|1*| Indem ich Ew. Wohlgebohren mit großem Vergnügen die verlangten Bücher zuschicke, danke ich Ihnen recht herzlich für die in Ihrem freundschaftlichen Schreiben enthaltenen Bemerkungen. Die Vergleichung hat mich überzeugt, daß Bernstein in alle gerügte Irrthümer verfallen ist, weil er Wilkins gefolgt ist. Die Calcutter Ausgabe muß ihn wohl da auch verlassen haben, u. seine eigene grammatische Kenntniß konnte, gegen Autoritäten, wohl nicht hinreichen. Das wäre auch zu viel gefordert. Die Regeln, die ich mir aus dem von Ew. Wohlgeb. Gesagten abstrahire, u. die mir auch vorher, wenigstens dunkel vorschwebten, sind:
1., wo ganz einfach ein Endvocal mit einem Anfangsvocal zusammenfließt, entsteht ein dritter Vocal nach den bekannten Regeln, ohne Elisionszeichen.
2., wo dagegen ein Wort mit einem : oder einem durch 
                        Visarga alterirten Vocal z. B.
                         {o} schließt, ist eine
                    Zusammenziehung undenkbar, indem dieselbe durch Unbeachtung des 
                        Visarga das Wort in
                    eine andere grammatische Form überführen würde; ebenso wenig kann das 
 {o} mit dem folgenden 
 {a} in 
 {ava} übergehen, sondern
                    es muß schlechterdings Elision eintreten. Das meynen wohl auch diejenigen,
                    welche —
 {śoyaṃ} drucken. Sie lassen
                    nur das Zeichen aus, was aber doch besser zur Deutlichkeit u. Consequenz
                    hinzugesetzt |2*| wird.
3., was mir nun aber fehlt, ist eine sichere Regel, in welchen Fällen sonst
                    (außer 2.,) Elision eintritt. Ich kenne nur Einen nach  {e}
                        (Wilkins Gr. p. 20. nr. 11) Aus dieser Stelle
                    von 
                        Wilkins geht hervor, daß er
                    das Zeichen für gleichgültig hält.
4., Wenn Elision im Compositis vorkommt (l. c. p.
                    21 nr. 15) wird wohl das Elisionszeichen nie gesetzt, um
                    so weniger als da das End- {a} wegfällt.
Gegen die Regel nr. 1., verstößt 
                        Wilkins öfter. So auch 
                        Ed.
                        Lond. p. 13. l. 12  {sarvvathā} = 
 {tra}, wo ihm 
                        Bernstein (p. 15. l. 6. von unten) wieder gefolgt ist.
                    Doch finde ich nichts in seiner Grammatik, was diese
                    Schreibart rechtfertigt.
Ist Schlegel im Bhagavad Gita hierin correct?
Mit herzlicher Hochachtungder Ihrige,
Humboldt.
17.[a]
|3* vacat, Teil des Bogens herausgerissen, offenbar durch Öffnen des Siegels|
|4*; Anschrift|
An
Herrn Professor Bopp,
Wohlgeb.
mit 2. Büchern,[b]

