Was sagt die Evolutionsbiologie darüber aus, wie wir Sympathie und Empathie verteilen, wann wir ein schlechtes Gewissen,
Scham, Schuld oder Dankbarkeit empfinden, weshalb wir überhaupt
moralische Urteile fällen, weshalb wir so sehr nach Anerkennung und
Konformität streben und soviel Zeit mit dem Tratschen über andere
verbringen? Welche solcher moralischen Emotionen lassen sich zumindest
in Ansätzen bei unseren tierlichen Verwandten wiederfinden?
Ziel
der Vorlesungsreihe „Evolution von Moral“ ist es, unseren Blick für den
Eigennutz in unseren moralischen Handlungen zu schärfen, und so einige
geläufige Ansichten über die Natur des Menschen zu hinterfragen. Eine
solche Form der Selbstkritik ist weit entfernt von einem
„naturalistischen Fehlschluss“. Anstatt den status quo als „natürlich“
zu rechfertigen, entlarvt der evolutionär geschärfte Blick so manche
unreflektierte Einstellung und moralische Überheblichkeit als
fragwürdig.
Zum Auftakt der Akademievorlesungsreihe
"Evolution von Moral", die von der Jungen Akademie im Rahmen des
Jahresthemas 2009|2010 "Evolution in Natur, Technik und Kultur"
veranstaltet wird, stellen sich Jürgen Heinze und Dirk Semman die Frage,
ob man trotz egoistischer Gene von einer Evolution des Altruismums
ausgehen kann.
EVOLUTION VON ALTRUISMUS TROTZ EGOISTISCHER GENE?
Zwischen Superorganismus und Polizeistaat:
Konflikte und Konfliktlösung in den Staaten sozialer Insekten
Jürgen Heinze
Ein
flüchtiger Blick ins Innere eines Bienen-, Wespen- oder Ameisennests
vermittelt den Eindruck eines harmonischen, perfekt organisierten
Systems, in dem alle Gruppenmitglieder konfliktfrei kooperieren, um den
Fortpflanzungserfolg des gesamten Staates zu erhöhen. Hamiltons Theorie
der Verwandtenselektion zeigt, dass sich sogar der „altruistische“
Verzicht auf eigene Nachkommen in der Evolution lohnen kann, wenn durch
die Hilfe der Fortpflanzungserfolg verwandter Tiere gesteigert wird. Sie
ist trotz der vehement vorgetragenen Kritik einiger Weniger allgemein
anerkannt und die beste Erklärung für die Evolution von Insektenstaaten.
Hamiltons
Theorie erklärt aber nicht nur die Kooperation zwischen Egoisten,
sondern sagt auch Konflikte im Staat voraus. Tatsächlich geht das
Miteinander in den Nestern sozialer Insekten nicht ohne Reibereien ab.
Vielmehr versuchen einzelne Individuen, ihre Interessen auf Kosten
anderer durchzusetzen. Die daraus resultierenden Konflikte können zu
aggressiven Interaktionen führen und das Miteinander im Staat
empfindlich stören. Welche Faktoren bestimmen, ob und wie stark
Konflikte im Staat auftreten, und wie werden sie gelöst?
N. N.
Dirk Semmann
Der
Mensch ist eine merkwürdige Spezies. Auf der einen Seite spendet er
Geld für ihm völlig unbekannte Erdbebenopfer in fernen Ländern, auf der
anderen Seite nutzt er so gut wie jede Gelegenheit zum Steuersparen oder
manchmal sogar zur Steuerhinterziehung. Er ist kooperativ und
uneigennützig, dann wieder von purem Egoismus getrieben. Schließlich
neigt er auch noch gelegentlich zu riskantem Verhalten, ohne dass dafür
eine zwingende Notwendigkeit besteht. Warum aber handeln Menschen so
widersprüchlich? Die
Evolutionsbiologie geht davon aus, dass nicht
nur körperliche Merkmale und Fertigkeiten auf Evolution beruhen, sondern
auch das Sozialverhalten. Dass wir in bestimmten Situationen sozial und
in anderen wiederum unsozial agieren, liegt an Verhaltensmustern, die
sich im Laufe der Evolution als vorteilhafte Strategie bewährt haben.
Dirk
Semmann stellt in seinem Vortrag einige Mechanismen vor, welche
erklären können wie und wann Menschen sich kooperativ verhalten.
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Die nächsten Akademievorlesungen der Reihe "Evolution von Moral":
- Donnerstag, 11.11.2010: "Evolution und Entwicklung moralischer Gefühle" mit Jörg Wettlaufer und Monika Keller
- Donnerstag, 13.01.2011: "Naturalistische Ethik ohne naturalistischen Fehlschluss?" mit Eckart Voland und Gerhard Ernst