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Forum | 18.12.2009, 06:30 pm Uhr – 09:00 pm Uhr

FORUM: Der Wandel des Göttlichen. Evolution der Religion(en)?

Fyler_Bild_FORUM_Ev.Religionen.jpgLässt sich die Entstehung von Religion als ein evolutionärer Prozess beschreiben oder führt dies zu einem unangemessenen Stufenkonzept? Ist zum Beispiel die Idee der Transzendenz ein unumkehrbarer Entwicklungsschritt, vergleichbar mit Weiterentwicklungen im Kontext der Natur? Wie erklärt sich der unwahrscheinliche Siegeszug des Christentums? Mit solchen Fragen, die für lehrreiche Diskussionen sorgen dürften, beschäftigt sich die Referenten des Forums, das zudem die Ergebnisse der interdisziplinären Tagung "Evolution der Religion(en)?" abschließend diskutiert. Das Forum wendet sich ausdrücklich auch an Interessierte, die nicht vorab an der Tagung teilnehmen können. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.


PROGRAMM


Begrüßung

Prof. Dr. Klaus Lucas, Vizepräsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften


Kurzbeiträge


Ezechiel, Buddha, Konfuzius, Sokrates.

Das prophetische Zeitalter und die Entstehung der Weltreligionen

Prof. Dr. Hans Joas, Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt


Zu Beginn ist kurz zu erläutern, worauf die Begriffe “prophetisches Zeitalter” (Max Weber) und “Achsenzeit” (Karl Jaspers) zielen. Dann werde ich am Beispiel der alttestamentarischen Propheten das Spezifische ethischen Prophetentums, am Beispiel Buddhas das Spezifische exemplarischen Prophetentums erklären. Mit Konfuzius kommt der kontroverse Fall einer Sakralisierung des Säkularen, mit Sokrates die Entstehung argumentativer Reflexivität ins Bild. Die Frage nach den politisch-sozialen Konsequenzen dieser Innovation(en) wird am Schluss kurz behandelt.


Vom Poly- zum Monotheismus: Evolution oder Revolution?
Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Assmann, Institut für Ägyptologie, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg


Die Frage nach Evolution in der Religionsgeschichte ist als solche christlich geprägt. Das Christentum hatte sich als neue Religion gegenüber dem älteren Judentum zu legitimieren, und schon dieses hatte sich als neue Religion gegenüber dem hebräischen „Heidentum“ zu legitimieren. Die Positivierung des Neuen ist dem Monotheismus eingeschrieben. Das Neue verdankt sich in der Selbstwahrnehmung der monotheistischen Religionen eher einer revolutionären Abkehr als einer evolutionären Entwicklung. Wenn hier gleichwohl von Evolution die Rede sein kann, dann im Sinne einer Ideenevolution (N. Luhmann), die sich ungesteuert und überlängere Zeiträume im Rahmen theologischer Diskurse vollzieht. Als frühe Beispiele behandelt der Vortrag das vermutlich als Übergang zu verstehende Nebeneinander eines Monotheismus der Treue (deuteronomische Tradition) zu einem universellen Monotheismus (späte Propheten) in der Bibel und den Übergang von einer Theologie des Primats (Ein Gott Schöpfer und Herr der anderen Götter) zu einer Theologie der Manifestation (Ein verborgener Gott manifestiert sich als [Götter-]Welt) im ägyptischen „Neuen Reich“ (1500-1100 v.Chr.). 


„Survival of the fittest": Lässt sich der Aufstieg des antiken Christentums als Evolution beschreiben?
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies, Theologische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin


Natürlich kann man zeigen, dass das antike Christentum auf dem Markt und im Wettbewerb der Religionen in gewissen Hinsichten die umwelt- und marktangepassteste der Wettbewerber war. Aber kann man deswegen vom survival of the fittest sprechen und weitere Kategorien der Evolutionsbiologie anwenden? Und kann die Entwicklung der antiken christlichen Theologie, insbesondere die der Trinitätstheologie, in die Evolution eines religiösen Bewusstseins eingezeichnet werden? Der Vortrag bietet Antworten auf diese Fragen.


War Luther ein Mutant? Reformation als Evolution.
Prof. Dr. Wolfgang Reinhard, Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt


Auch die Evolutionstheorie ist Kultur. Denn ihre Sprache ist metaphorisch und in der Sache wurde sie von einer ökonomischen Bevölkerungstheorie ausgelöst. Doch nicht nur deswegen ist es legitim, den Spieß umzudrehen und (Kirchen-)Geschichte evolutionsbiologisch zu erklären, sondern auch, weil Evolution und Geschichte ihre wichtigsten Ergebnisse mit demselben Mechanismus hervorbringen, durch nicht-beabsichtigte Nebenwirkungen. Luther mit seiner neuen Art Christentum wollte keine neue Kirche hervorbringen, aber genau das musste geschehen, weil sein Christentum der Umwelt am besten angepasst war und überlebte. Dasselbe wiederholte sich mit seinem Nachfolger Calvin und sogar die alte Art „Katholizismus“ überlebte durch nachholende Anpassungsleistungen, die sie heute noch auszeichnen.


Podiumsdiskussion, Ab 20.00 Uhr

Moderation: Ulrich Schnabel, Redaktion Wissen, Die Zeit


Öffentliche Abendveranstaltung zur gleichnamigen, inzwischen ausgebuchten Fachtagung 

Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung.
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Kontakt:

Anita Hermannstädter
hermannstaedter@bbaw.de
Veranstaltungsort:

Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin

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