Die Europäische Union besteht aus 28 Mitgliedsstaaten mit 24 unterschiedlichen Amtssprachen. Die Amtssprachen der Mitgliedsländer sind zugleich die formal gleichberechtigten Amtssprachen der EU. Wie kann unter dieser Bedingung einer babylonischen Sprachenvielfalt überhaupt eine Verständigung innerhalb der Institutionen und zwischen den Bürgern Europas gelingen?
In der siebenten Veranstaltung der Reihe „Europa in der Krise. Problemanalyse und Zukunftsperspektiven“ diskutierten der Soziologe Jürgen Gerhards und der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant über Ihre Vorstellungen der zukünftigen Verständigung innerhalb der Europäischen Union.
Jürgen Gerhards: „Das Zusammenwachsen Europas würde deutlich erleichtert werden, wenn sich die Europäische Union darauf verständigen könnte, längerfristig statt 24 verschiedener Amtssprachen Englisch als offizielle Sprache einzuführen. Der Handel innerhalb und mit Ländern außerhalb Europas würde deutlich erleichtert, die Mobilität der Bürger verbessert und die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit und einer transnationalen Zivilgesellschaft als Gegengewicht zu dem europäischen Machtapparat befördert werden. Die Befürchtung der Kritiker, eine Dominanz des Englischen bedrohe die kulturelle Vielfalt Europas, ist hingegen nur begrenzt berechtigt.“
Jürgen Trabant: „Erst kürzlich hat der Bundespräsident die Europäer aufgerufen, mehr Englisch zu lernen. Eine solche Aufforderung ist völlig überflüssig. Denn die Europäer lernen sowieso immer mehr und immer fleißiger das globale Englisch. Und das ist natürlich auch (ganz) gut so. Weniger gut ist, dass diese sprachliche Globalisierung eine Abwertung der anderen Sprachen Europas mit sich bringt, die nun auch noch von den Sozial-Wissenschaften unter den Etiketten der "Mehrsprachigkeit" und der "Sprachengerechtigkeit" legitimiert wird. Dem muss mit einer alternativen Auffassung von Sprache und Mehr-Sprachigkeit begegnet werden.“