Leibniz-Objekt des Monats
Mai 2016: Die Leibniz’sche Rechenmaschine
Die Leibniz'sche Rechenmaschine
Das wohl bedeutendste Objekt, das das Archiv der BBAW hinsichtlich Leibniz aufbewahrt, dürfte der Nachbau seiner Vier-Spezies-Rechenmaschine sein, eine seiner großartigsten Erfindungen.
Bereits als vierundzwanzigjähriger junger Mann verfasste er um 1670 einen Entwurf zur Konstruktion einer Rechenmaschine mit dem Titel Instrumentum Arithmeticum. Das Thema ließ ihn sein Leben lang nicht mehr los. Davon zeugen hunderte von Quellen, Skizzen, Briefen, Anweisungen. Insgesamt ließ er im Laufe der Jahrzehnte vier Maschinen in Paris, Hannover, Helmstedt und Zeitz von den verschiedensten Mechanikern bauen, ohne eine dauerhafte Funktionsfähigkeit einer der Maschinen zu erreichen. Sein Konzept war richtig. Allein die erforderliche hohe Präzision der Antriebs- und Übertragungselemente der Maschine überforderte die Möglichkeiten seiner zeitgenössischen Feinmechaniker.
Das erste dreistellige Holzmodell mit einer groben Variante der Staffelwalze, also eines Zylinders, der auf einem Teil seines Umfanges neun Zahnrippen mit verschieden gestaffelter Länge trägt, stellte er am 1. Februar 1673 den Mitgliedern der Royal Society in London vor.
Abbildung: Zeichnung der Leibniz'schen "Lebendigen Rechenbanck", 1673. Quelle: GWLB, LH XLII, 5, Bl 23r.
Die Staffelwalze war ein von Leibniz erfundenes Maschinenelement des Betrag-Schaltwerkes, mit dessen Hilfe die eingestellten Zahlen in das Resultatwerk übertragen werden sollten. Er ersann eine zweite Ausführung dieses Elementes in Form des Sprossenrades. Dort sollten die Zähne in einer Ebene am Radumfang herausgeschoben werden.
Abbildung: "Sprossenrad", Zeichnung von G.W. Leibniz, vor 1676. Quelle: GWLB, LH XLII, 5,
Die erhaltene, abgebildete Skizze stellt oben das Sprossenrad, unten eine Rechenmaschine mit sechsstelligem Eingabe- (rechts unten) und zwölfstelligem Rechenwerk dar.
Am 9. Januar 1675 führte Leibniz ein in Messing gefertigtes Modell mit einem vierstelligem Eingabewerk und einer zwölfstelligen Ergebnisanzeige in der Académie des Sciences in Paris vor.
1677 ließ er den Bau einer dritten, der sogenannten „älteren“ Maschine beginnen. Sie wurde erst 1694 in Hannover fertig gestellt. Sie ist heute nicht mehr auffindbar. Ab 1697 war eine vierte, die sogenannte „jüngere“ Maschine im Bau. Sie wird noch heute als letztes Original in der Leibniz-Bibliothek Hannover aufbewahrt. 1764 war sie Abraham Gotthelf Kästner in Göttingen übergeben und in der Modellkammer der Universität Göttingen bis 1879 vergessen worden. Seitdem wurden davon vierzehn Nachbauten angefertigt, sieben originalgetreue und sieben mit konstruktiven Änderungen. Zu den letzteren gehört die in der BBAW aufbewahrte Maschine. Sie wurde von 1988 bis 1990 im Auftrag der Akademie der Wissenschaften der DDR unter der Leitung von Nikolaus Joachim Lehmann an der TH/TU Dresden konstruiert. Sie ist voll funktionsfähig und wurde von Lehmann der Gelehrtensozietät in Berlin am 12. März 1992 übergeben.
Abbildung: Nachbau der Leibniz'schen Rechenmaschine, 1988-1990, unter der Leitung von Nicolaus Joachim Lehmann konstruiert an der TH/TU Dresden im Auftrag der Akademie der Wissenschaften der DDR. Quelle: Archiv der BBAW.
Die Aufnahme zeigt (von links nach rechts) die fünfzehn Pentagonscheiben, die anzeigen, wie weit die Zehnerübertragung ausgeführt wurde, das abgedeckte Rechenwerk – das davor befindliche sechzehnstellige Resultatwerk ist nicht zu sehen – das achtstellige Eingabewerk und die Spindel zum Verschieben des Schlittens, um die Dezimalstelle zu ändern.
Das derzeit beste Werk zum Thema ist:
Ariane Walsdorf, Klaus Badur, Erwin Stein, Franz Otto Knopp: Das letzte Original, Die Leibniz-Rechenmaschine der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, hrsg. von der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek. Hannover 2014. (Erwähnung der Maschine der BBAW auf S. 154).
Autor: Eberhard Knobloch, Akademiemitglied, Projektleiter der Leibniz-Edition der BBAW
Online-Projekt „Leibniz-Objekt des Monats“:
Das Projekt „Leibniz-Objekt des Monats“ stellt mit Expertenbeiträgen über das Leibniz-Jahr 2016 hinweg jeden Monat ein Archivale oder eine Handschrift vor. Ziel ist es, einerseits die grundlegende Bedeutung von Leibniz für die Akademiegeschichte herauszustellen und andererseits die Arbeit „an Leibniz“ sichtbar zu machen, die tagtäglich an der Akademie stattfindet. Die gezeigten „Objekte“ zeichnen in ihrer Gesamtheit ein ganz eigenes Bild vom Leben und Wirken des großen Visionärs.