Hochwohlgeborene Frau
Hochzuehrende, sehr gnädige und innigst geliebteste Mama!

So unendlich erfreulich und angenehm meiner über alles verehrungswürdigen gnädigen Mama Schreiben mir gewesen, so sehr bin ich betrübt, dass meine sehr vortreffliche Mutter kein Schreiben von mir erhalten. Ich war kaum hier angekommen, als ich sogleich meiner sehr gnädigen Mama einen Brief von 4 Seiten geschrieben, vom 2. Oktober datiert, worinnen ich Ihnen allerbeste Nachrichten gab. Seit der Zeit bin ich recht herzlich betrübt gewesen, keine Nachricht von meiner unschätzbar gnädigen Mama zu erhalten. Ich habe mich sehr öfters nach meiner gnädigen Mama bei dem Graf Schlippenbach erkundigt und ich war heute im Begriff, wiederum an meine vortreffliche gnädige Mama zu schreiben und mich nach Dero Wohlbefinden zu erkundigen. Mein Herz ist Ihnen so zärtlich verbunden, dass ich gewiss nicht so lange gewartet hätte, Ihnen meine ewige Verehrung zu versichern. Ich kann mich gar nicht darüber zufrieden geben, dass meine gnädige Mama nicht mein Schreiben erhalten. Da muss was dahinter sein, was wir mit der Zeit wohl entdecken werden, denn der Brief ist richtig auf die Post gegeben worden.  Zu dessen Verhältnis zu Prinz Heinrich: Schmidt-Lötzen, Nachträge, Bd. 1, Gotha 1910, u. a. S. 4, 34, 38 und 54 (8. Dezember1752, 21. August, 1. Oktober 1753, Oktober 1754). Im August hatte ihn jemand beim Prinzen verleumdet, ebd., S. 52 (2. August 1754).
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Mein Seelenschmerz ist immer derselbe, als er vor 5 Viertel Jahr war.
Mein einziger Trost, so ich noch aus dieser Welt habe, ist das gnädige Wohlwollen meiner über alles geliebtesten Mama und das Vergnügen, öfters Nachricht von Denenselben zu erhalten. Gott wird es Ihnen tausendfältig vergelten, was Sie für einen Sohn tun, der Ihnen über alles in der Welt liebt.

Ich bin so sehr bestürzt, dass meine sehr gnädige Mama mein Schreiben nicht erhalten, dass ich mir es zur Gnade erbitte, mir meinen jetzigen Brief wiederum zurückzuschicken, weilen ich Ihnen alsdann mit desto aufrichtigerem Herzen die Punkte beantworten kann, worüber Sie mich befragen.  Sie war die Schwester von Marie von Haeseler, mit der Lehndorff 1758 seine zweite Ehe einging. Sie verstarb 1766. Weniger Jahre später heiratete Lehndorff erneut.
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Die Gräfin Schlippenbach ist bei allen Feten mit gewesen und sieht recht sehr gut aus.
Ihre Gesundheit scheint vollkommen zu sein. Vornehmlich finde ich, dass sie immer allhier in Berlin am vergnügtesten ist. Sie hatte den Hochzeitstag eine ganz neue Robe vom gleichen(?) Stoff, so meine gnädige Mama mitgegeben, einen gelblich changeanten Grund mit Silber. Der Graf hatte sich lassen zwei neue Kleider machen, ein braunsamtenes mit goldenen pondespagner und ein grau Kleid mit silbermoire Weste mit Silber, Rock und Weste bondiert. Die Gräfin hatte auch einen neuen Domino, gelb mit Antolagen und Blumen garniert. Ich hoffe, meine gnädige Mama werden mich nicht nennen, weilen ich Ihnen sonsten keine Nachrichten mehr geben könnte.

Ich fürchte immer, dass der liebe Graf die Güter zu teuer angenommen hat, umso viel mehr, da die Einkünfte der Güter sehr fallen.

Man hat sehr viel Redens von der großen Generosität des Prinzen von Oranien gemacht, und als es zum Klappen kam, hat er wenig gegeben. Ich habe nichts bekommen, und es ist sehr vielen ebenso gegangen. Bis dato ist alles, was den Krieg anbelangt, still und haben wir nichts zu befürchten.

Der General Saldern heiratet die Fräulein Borcke, Schwester seiner seligen Frau und Hofdame bei der Königin.  Saldern war dreimal verheiratet. Seine zweite Ehefrau war Wilhelmine von Borcke, Tochter des hessischen Ministers Friedrich Wilhelm von Borcke. Das Paar heiratete am 5. Januar 1763. Nach ihrem Tod heiratete er am 22. November 1767 ihre Schwester Helene Bernhardine von Borcke .
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Die Hochzeit wird aber nicht bei Hof sein, sondern bei ihrer Schwester, so den Oberstleutnant Kalckstein geheiratet und in Nauen in Garnison steht.
Der Hofmarschall Voss ist gänzlich in Ungnade bei der Königin und kommt gar nicht mehr bei Hof. Man glaubt   Textverlust [...]

Zitierhinweis

Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff an seine Mutter Maria Louisa. Berlin, nach dem 2. Oktober und vor dem 22. November 1767. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_cl1_gyf_4bb