Dezember. Ich verabrede mit Herrn Stosch und dem Kapitän Schwerin eine Reise nach Hamburg. Wir brechen am 1. um 1 Uhr nachts auf   Editorische Auslassung [...] und kommen um 2 Uhr nachmittags in Escheburg an. Wir hofften, an diesem Tag noch nach Hamburg zu gelangen, hören hier aber, dass die Tore schon um 4 Uhr geschlossen werden. Wir müssen uns also gedulden und den Nachmittag hier zubringen, was uns umso mehr ärgert, als wir erfahren, dass wegen der Adventsszeit nur zweimal in der Woche Theater ist, denn wir hatten darauf gerechnet, es möglichst oft besuchen zu können. Nachdem wir unseren Ärger durch saftige Flüche über die alten Bräuche der Hamburger Luft gemacht, verbringen wir den Abend noch recht heiter in Gesellschaft unseres Postmeisters, der ein Original ist, wie man ein zweites nicht leicht findet.

4. Dezember. Um 10 Uhr kommen wir in Hamburg an und logieren in dem Londoner Gasthof. Wir begeben uns sofort in das  Gemeint ist das Haus der 1765 gegründeten Patriotischen Gesellschaft in der Großen Johannisstraße. Es fiel dem Großen Hamburger Stadtbrand zum Opfer und wurde an der Trostbrücke neu errichtet.
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Patriotische Kaffeehaus,
wo alle Kaufleute zusammenkommen, bevor sie zur Börse gehen. Dieses Schauspiel ist für mich noch neu und interessiert mich daher sehr, ebenso auch die Börse, wo man alle diese großen Kaufherren mit bewundernswertem Eifer sich um ihre Interessen wehren sieht. Alle Religionen und Staaten sind hier zusammengewürfelt und die Gewinnsucht ist das einzige Motiv, das die zwei bis dreitausend Menschen beherrscht, die hier beisammen sind. Wir sehen auch den Magistrat in seiner vorweltlichen Tracht. Am Nachmittag macht Lehndorff Besuche und geht in Lustspiel und Operette, am Abend speist man beim preußischen Residenten, einem „wenig angenehmen Herrn“, ebenso auch beim französischen, englischen und russischen Gesandten. Lehndorff macht zahlreiche Bekanntschaften. In Altona besucht er den dänischen Ministerpräsidenten, der lange in Konstantinopel gelebt hat. Eingeladen wird er auch vom Bankier Boué. Kurz, es gefällt mir in Hamburg außerordentlich. Wir besichtigen die große Kauffahrteiflotte und gehen alle Tage auf die Börse. Beim Kaufherrn His sehe ich eine sehr schöne Wohnungseinrichtung, die selbst in einem Königspalast Bewunderung erregen würde. Ich diniere bei einem englischen Kaufmann namens Jennings, dessen reizende Frau eben aus Schottland angekommen ist. Man bewirtet uns ausgezeichnet und mit so echt englischem Schick, dass wir uns danach einen richtigen Begriff von einem wohlhabenden englischen Hause machen können, Ich besuche mehrere Konzerte und finde überhaupt, dass in Hamburg ein reges Leben herrscht, und dass es auf dem Wege ist, eine feine Stadt zu werden. Am 11. treten wir die Rückreise an und treffen am 13. wieder in Rheinsberg ein.   Editorische Auslassung [...] Am 16. Dezember kehrt Lehndorff nach Berlin zurück, wo er Genaueres über die Umwälzungen in Dänemark erfährt, von denen bereits in Hamburg die Rede war.

Zitierhinweis

Tagebucheinträge von Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. 1. bis 16. Dezember 1767. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_yc3_n3d_sdb