Steinort, 20. September 1922
Auflösungsamt für Familiengüter
Oberlandesgerichtsrat Ermel als Richter
In Familiengutsache Graf Lehndorff-Steinort steht heute Termin an zur Verlautbarung des Familienschlusses über die sofortige Auflösung des Familienguts gemäß dem Entwurf vom 8. Mai 1922 – Bl. 73a der Akten ff.
Es sind erschienen:
- 1. Der Antragsteller und Familiengutsbesitzer Carl Meinhard Graf Lehndorff-Steinort in Steinort.
- 2. Dessen Rechtsbeistand Rechtsanwalt Siebert aus Berlin.
Der Termin ist seiner Zeit an Ort und Stelle bestimmt worden, um einer Kommission aus dem Justiz- und Landwirtschaftsministerium, die Ostpreußen in der 2. Septemberhälfte bereist, Gelegenheit zu geben, die Frage der Land- und Waldgutbildung zu prüfen und eventuell auf die Fassung des Familienschlusses einzuwirken. Der Richter gibt bekannt, dass die Kommission umständehalber erst morgen in Königsberg eintrifft und voraussichtlich in den nächsten Tagen nach Steinort kommen wird.
Der Erschienene zu 1) verlautbart hierauf den Familienschluss vom 8. Mai 1922 seinem ganzen Inhalt nach, der als Anlage diesem Protokoll nach Entfheftung Blatt 73a-73c beigefügt wird, mit den handschriftlich vorgenommenen Änderungen.
Der nächste Folgeberechtigte Dr. Manfred Graf Lehndorff in Preyl hat dem Familienschluss am 18. d. Mts. zu Protokoll des Richters ausdrücklich zugestimmt. Von den übrigen Anwärtern, die sämtlich ordnungsmäßig besonders und durch Bekanntmachung im Reichsanzeiger geladen sind, sind Erklärungen zu dem Familienschluss dem Amte nicht zugegangen. Der Erschienene zu 1) beantragt, den Familienschluss namens der beteiligten minderjährigen Anwärter vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen. Er überreicht ferner zur Waldgutbildung eine neue Übersichtskarte des Oberförsters Steinmann vom 13. September 1922, ein Gutachten des Oberlandstallmeisters Groscurth vom 18. Mai 1922 und wechselt aus die Anlage der Eingabe vom 29. v. Mts. gegen einen mit Zusatz des Staatlichen Forstmeisters Negenborn auf Borken bei Kruglanken vom 8. d. Mts. versehenen Bericht.
vorgelesen, genehmigt, unterschrieben
gez. Carl Graf Lehndorff-Steinort
Karl Siebert
beglaubigt; gez.
Ermel
Anlage zum Protokoll vom 20. September 1922
gez. Ermel
Familienschluss über das Gräflich Lehndorffsche Familienfideikommiss
Steinort
Dem Zwange des Art. 155 der Reichsverfassung vom 11. August 1919, der preußischen Verordnung über
die Familiengüter vom 10. März 1919/30, Dezember 1920 und der Preußische Gesetz-Sammlung 1920, Nr.
47
[Schließen]preußischen Verordnung über die Zwangsauflösung vom 19. November
1920 und der sich anschließenden Gesetzgebung mich fügend, komme
ich, der derzeitige Fideikommissbesitzer, Rittmeister d. R. a. D. Carl Meinhard Graf Lehndorff-Steinort, mit den
Anwärtern überein, das Fideikommiss freiwillig wie folgt mit sofortiger Wirkung
aufzulösen.
§ 1.
Das von dem Legationsrat und Mitglied des Preußischen Herrenhauses Grafen Carl Meinhard Heinrich Friedrich Wilhelm August von
Lehndorff durch Siehe das Dokument vom 2. Mai 1870.
[Schließen]Urkunde vom 5. Februar
1870, Allerhöchst genehmigt am 26. Oktober 1870,
errichtete Gräflich Lehndorffsche Familienfideikommiss Steinort wird aufgelöst. Die Auflösung tritt mit
der Rechtskraft des Beschlusses der Auflösungsbehörde in Kraft, durch den dieser
Familienbeschluss bestätigt wird.
§ 2.
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über den
Schutz von Denkmalen und Kunstwerken vom 8. Mai 1920 (RGBl. S. 913) durfte
Lehndorff „bewegliche Gegenstände, die einen geschichtlichen,
wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert haben, nur mit Genehmigung
der Landeszentralbehörden oder der von ihr bezeichneten Behörde
veräußern, verpfänden, wesentlich verändern oder aus dem Reichsgebiet
schaffen“, GStA PK, I. HA, Rep. 178, Nr. 1044, Bl.
269.
[Schließen]Das gesamte jetzige Fideikommissvermögen wird freies Allod des
derzeitigen Besitzers Rittmeister d. R. a. D. Carl Meinhard Grafen Lehndorff-Steinort oder desjenigen, der
beim Inkrafttreten dieses Familienschlusses Besitzer des Fideikommisses ist.
§ 3.
Der zum bisherigen Fideikommissvermögen gehörige Wald, der sich nach seiner Beschaffenheit und nach seinem Umfange zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung eignet, soll vor unwirtschaftlicher Zersplitterung geschützt und das Maß der Nutzung und die Art der Beschaffenheit sollen durch einen behördlich genehmigten Wirtschaftsplan bestimmt werden.
Gemäß § 4 des preußischen Gesetzes vom 7. Januar 1922 sollen ein oder mehrere Waldgüter oder Wald- und Landgüter oder Landgüter gebildet werden. Ihnen sollen von dem bisherigen Fideikommissvermögen möglichst weitgehende Teile, insbesondere außer dem Familiengutswald, der ganzen Halbinsel, auf der Groß-Steinort, dem Voll- und Halbblutgestüt, den Eigengewässern und den Fischereigerechtigkeiten, ferner Labab, Stobben, Klein Steinort, Taberlack und Stawisken, soweit es nicht zu Ansiedlungszwecken abgegeben wird, das bisherige fideikommissrechtlich gebundene Schlossmobiliar und von dem vorhandenen landwirtschaftlichen Inventar der selbstbewirtschafteten Güter soviel einverleibt werden, wie den Anforderungen der Ostpreußischen General-Landschaftsdirektion an ein ordnungsmäßiges landesübliches Inventar entspricht.
§ 4.
Die sämtlichen Verpflichtungen des Fideikommisses einschließlich derjenigen, die zwar innerhalb des Rechts- und Wirtschaftskreises des Fideikommisses entstanden, aber nach geltendem Recht als Allodschulden des Fideikommissbesitzers zu betrachten sind, trägt der Besitzer. Er haftet insbesondere für die Verpflichtungen aus den sämtlichen Miet-, Pacht- und Dienstverträgen. Diese Verträge werden durch die Auflösung des Fideikommisses nicht berührt.
§ 5.
Die zur Vollziehung dieses Familienschlusses erforderlichen Eintragungen in den öffentlichen Büchern und Registern erfolgen auf Ersuchen der Auflösungsbehörde. Soweit zur Durchführung des Familienschlusses noch andere Erklärungen der Familie erforderlich sind, ist der bisherige Fideikommissbesitzer berechtigt und verpflichtet sie abzugeben.
§ 6.
Die Kosten und Stempel dieses Familienschlusses und seiner Durchführung sind aus dem Stamm des bisherigen Fideikommissvermögens zu entnehmen.
Zitierhinweis