Wildbad Gastein, 25. Jänner 1872

Hochgeborene Frau Gräfin

werden mein Schreiben, welches, weil es schon das zweite ist, den Anschein von Zudringlichkeit hat, nicht ungütig aufnehmen, da ich damit nur einen anderen Weg, der zum Ziel meiner Bestrebung führen und den Euer Hochgeboren vielleicht lieber einschlagen würde, zu bezeichnen mir erlaube.

Ich bin mir bewusst, in meinem ersten Schreiben um ein  Siehe das Dokument vom 29. August 1871.
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Plätzchen zum Schulhausbau in der Nähe der evangelischen Kirche
gebeten zu haben. Da ich aber weiter darüber nachdachte, fiel mir ein, dass vielleicht Ew. Hochgeboren in Ihrer Güte sich vielleicht auch entschließen könnten, uns einen Platz auf den zur Solitude gehörigen Wiesen unterhalb der Straße gnädigst zu bewilligen; umso mehr, da derselbe keinerlei Erträgnis abwirft.

Es ließe sich daselbst unweit des  Johann Freiherr von Mesnil hatte 1839 die Solitude (heute: Kaiser-Franz-Josef-Straße) eröffnet. Für wohltätige Zwecke wurden hier unter der Ägide der Gräfin Lehndorff auch Theaterveranstaltungen durchgeführt. Fürst Bismarck lernte dort die Sängerin Paula Lucca kennen, die es in der Folge verstand, in der Öffentlichkeit den Eindruck eines intimen Verhältnisses mit dem Kanzler vorzutäuschen, was Bismarck sehr ärgerte. Gräfin Lehndorff, geborene Gräfin Hahn ließ bis zur Errichtung der Christophoruskapelle auch Gottesdienste in ihrer Villa Solitude abhalten, https://gastein-im-bild.info/doku/dsiedlba.html#ko38
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Weich(?)bildes, worauf die Solitude mit Garten
steht, zwischen den immergrünen Bäumen der Wiese, ein anmutiges Häuschen mit Garten erbauen, und zwar so, dass auf keine Weise die Aussicht von der Straße und der Solitude auf den Kurort und den Wasserfall Schaden litte, indem das Gebäude in der Tiefe der Wiese zu stehen kommen könnte. Ja dieses neue Gebäude würde einen wohltätigen Einfluss auf das Auge machen und den Kurort nur verschönern, indem Jedermann, welcher von der Ostseite des Kurortes auf die entgegengesetzte Seite hinüber schaut, seinem Auge sagen muss, dass, um die Häusergruppe des Kurorts zu ergänzen und zu vervollkommnen, auf bezeichnetem Platze noch ein Gebäude stehen müsste.

Die nackte Wiese würde dadurch nur gewinnen, indem ich, wie schon bemerkt, die Umgebung durch Umpflanzungen möglichst verschönern würde, wozu ich bereits viele Bäume und Ziersträucher vorrätig im Garten habe die genügen, die ganze Wiese in einen Ziergarten zu verwandeln, welcher von der Straße aus einen lieblichen Anblick gewähren und den kleinen Natursängern heimischen Aufenthalt bieten würde,

Indem ich auch dieses Projekt zu Ew. Hochgeboren Kenntnis bringe und die Gewährung unserer Bitte in Ihre gütigen Hände lege, verharre ich, einer günstigen Antwort entgegensehend, mit ausgezeichneter Hochachtung Euer Hochgeboren untertänigster Wilhelm Winkler
Lehrer

Zitierhinweis

Wilhelm Winkler an Anna Gräfin von Lehndorff. Wildbad Gastein, 25. Januar 1872. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_kzy_rt4_jdb