25. April 1852

Gestern bin ich mit August (Pastor Rische zu Schwinkendorf, für dessen Kirche Graf Hahn-Basedow der Patron war) nach Basedow gefahren. August wollte die gräflichen Herrschaften bewillkommnen, die von der Reise kamen; die Gräfin ist krank. Ich war bei dem Pastor der Kirche zu Basedow, Werner, der mir währenddes die schöne Kirche zeigte. Der Weg von Schwinkendorf nach Basedow ist wunderhübsch, ebenso Schloss, Pfarre und Dorf ganz lieblich.

Lieber Werner! Da fährt eben 1 Uhr Mittags Herr Graf Hahn vorbei; das solltest Du sehen: einen Vorreiter in weißer Livree, vier Pferde, vom Pferd aus gefahren, Staatsjäger mit Federbusch hinten auf, Stallmeister beim Wagen reitend. Eine Stunde später fuhr Frau Gräfin vorüber, auch mit Vorreiter in weißer Livree, der sich immer umsah, weil er nicht weiß, wohin sie fährt. Eine halbe Stunde nachher reitet die junge Komtess Anna vorbei, ebenfalls mit einem Diener hinter sich in weißer Livree, alle mit roten Aufschlägen.

Später. Wir waren wieder in Basedow. Die Herrschaften waren nicht zu Hause, waren zur Hochzeit ihrer Nichte, einer Schwestertochter des Grafen, welche am 4. Mai auf   Schloss Groß Gievitz war 1852 im Besitz von Felix Graf von Voss .
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Schloss
Groß Gievitz gehalten ist. Pastor Werner bot an, mir das sehenswerte   Schloss Basedow war seit dem 13. jahrhundert im Familienbesitz.
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Schloss Basedow
zu zeigen. Ich nahm es gern an, hatte meine Erwartungen hoch gespannt, aber ich muss sagen, die Pracht übertraf dieselben doch bei weitem. Nein! diese Möbel, die Kronleuchter usw. Kurz, ich kann es Euch nicht beschreiben, man muss es sehen. Ich habe in den Zimmern nichts Gewöhnliches gesehen, auch nicht im Kleinsten. Alles war fürstlich. Werner! Ich war auch im Marstall, habe ein Pferde gesehen, dass 7.000 Taler gekostet hat; dann die vielen Gewehre im Zimmer des Grafen solltest Du sehen, und viele Bilder von Pferden und die Gewinnste, welche er beim Wettrennen der Pferde gewonnen hat. Du würdest Dich wundern, und wenn Du die Reitbahn sähest und die 4 kleinen Kanonen auf dem Schlosshof; wärst Du doch mal hier und sähest das Gewächshaus mit dem Springbrunnen, und den Rittersaal im Schloss, wo die eine Wand aus lauter Gemälden besteht, und die andere aus lauter Fenstern mit Samtvorhängen. Der ganze Saal soll 40.000 Taler gekostet haben. Clara! (die kleinste Tochter) Ein kleines Eckzimmer ist im Schloss mit kleinen Möbeln und Sachen, das hat die Gräfin Anna als Kind bewohnt. Das ist ganz allerliebst. Aber ich kann nicht sagen, wie wehmütig mir ums Herz war, als ich all die Herrlichkeit sah: Die Gräfin ist so krank, dass sie es gar nicht genießen kann, denn sie kann nicht mal allein gehen. Wenn man so allen Jammer auf Erden sieht, man möchte den Kopf in beide Hände nehmen und weinen. Die Frau Gräfin hat bei allem Glanz doch so viel Leid; möchte sie aufmerken und erkennen die Zeit dieser Heimsuchung. Ich hätte mögen an jede Wand der schönen Zimmer schreiben: Herr, gib deinen Frieden!

Zitierhinweis

Elisabeth Volkening an ihren Sohn Werner. 25. April 1852. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_tsp_2x3_r2b