Drengfurth, den 12. März 1878

Hochverehrte Frau Gräfin!

Die Kisten, worin die Gewinne ankamen, konnten nicht gleich wieder mit der Fähre zurückgeschickt werden. Dieselbe kam spät an und das Auspacken erforderte Zeit, konnte auch im Augenblick nicht vorgenommen werden. Ich werde sie durch Hegemeister Walter zurückbefördern.

Da in diesem Jahr überall große Not und Klage ist, glaubte ich, die Lose schwer los zu werden. Dem ist aber nicht so, sie sind bereits alle verkauft und wir werden noch einige darüber hinaus absetzen. Die Gewinne sind nunmehr ausgestellt und die Ausstellung wird vielfach besucht - sie macht auch einen schönen Eindruck um der vielen prächtigen Sachen willen. In nächster Woche findet die Verlosung unter Mitwirkung des Hegemeisters und des Herrn Schinck(?) statt. Ersterer hat den Tag zu bestimmen.

Das eingekommene Geld werde ich am Schluss des Verkaufs und am besten wohl durch den Herrn Hegemeister Ihnen, hochverehrte Frau Gräfin,zustellen.

Im  Gemeint ist das Waisenhaus Drengfurth.
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Häuschen
geht alles ganz schön. Das macht die ausgezeichnete Frau Lamprecht. Auch ihre ganze Erziehungsmethode ist vortrefflich, weil christlich. Ein Kind macht durch seine Unordentlichkeit und Lügenhaftigkeit ihr manche Sorge - natürlich, Engel haben wir nicht hineingenommen, sondern sündige und vernachlässigte Kinder, die der Erziehung mehr bedürfen als andere. Aber Frau Lamprecht ist darin geschickt und weise, sie kann durch ihre Vorstellungen in Liebe sehr aufs Gemüt wirken und freut sich selbst wie ein Kind, wenn es ihr gelingt. Der Stock ist nicht ihre Waffe, nur ich und Herr Schinck, wenn wir hinkommen, drohen manchmal mit diesem Instrument, denn neben aller Liebe muss bei der Erziehung von Kindern auch immer etwas Furcht mithelfen.

Bei dieser knappen Zeit hat der Ortsvorstand in der Vorstadt bei uns angetragen, das Pflegegeld von 1 1/2 Rtlr. auf 1 Rtlr. pro Monat herabzusetzen, da ein Kind, das aus der Vorstadt aufgenommen ist, für diesen geringen Preis überall untergebracht werden könne. Wir haben nachgegeben, es ging nicht anders.

Herr Siegfried auf Jäglack hat uns gestern 20 Mark Geschenk fürs Waisenhaus zugehen lassen. Es sind Baugelder, die er als Schiedsrichter eingezogen. Ich habe den Betrag an Herrn Schinck abgegeben, der noch zu bauen hat. - Nachdem ich die Kaufangelegenheit ganz zu Ende gebracht und vollkommen reine Hypothek erzielt habe, nehme ich kein Geld mehr an mich, das gibt in der Kassenführung nur Verwirrung. Von jeder Einnahme wird Ihnen, Hochverehrte Frau Gräfin, Nachricht gegeben werden.

Die Freude des Herrn sei mit Ihnen!

Mit inniger Verehrung Ihr ganz gehorsamster Westphal Pfr.

Zitierhinweis

Gustav Peter Westphal an Anna Gräfin von Lehndorff. Drengfurth, 12. März 1878. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_xf5_1kn_jdb