Berlin, den 15. November 1933

In Sachen Landstallmeister a. D. Meinhard Graf von Lehndorff 8.IV.326/33

bestätige ich ergebenst den Empfang des gefälligen Schreibens vom 8. d. Mts. mit der Ausfertigung der Eröffnungsverhandlung vom gleichen Tage.

Die gewünschten Angaben über den Wert des reinen Nachlasses werde ich baldmöglichst machen. Ich habe mich wegen der einzelnen Werte zunächst mit den Beteiligten in Verbindung gesetzt.

Was die Frage anlangt, wer im gesetzlichen Sinne Erbe geworden ist, so käme in Betracht, dass Erben die gesetzlichen Erben geworden sind. Dies würde sein:

  • a) die unter Ziffer 2 Abs. 2 des Testamentes genannte Schwester, Nancy Gräfin von Lehndorff, zur Zeit in Groß-Steinort, Kreis Angerburg, Ostpreußen,
  • b) die zweite Schwester des Erblassers, Frau verw. Emmy von Veltheim, geb. Gräfin von Lehndorff in Leipzig, Kaiser-Wilhelm-Straße 184,
    c) der in Ziffer 1 und 2 des Testamentes genannte Bruder des Erblassers,  Nach seiner Versetzung in den Ruhestand am 1. Oktober 1934 mit einer Pension in Höhe von 552 RM 20 Pf. monatlich wohnte er in Berlin, Joachimstaler Str. 17. Vgl. LAB, A Pr. Br. Rep. 042 Nr. 12960: Versorgungsakte Landstallmeister Siegfried Graf von Lehndorff.
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    Landstallmeister Siegfried Graf von Lehndorff in Braunsberg, Ostpr.

In dem Testament hat der Erblasser aber über sein gesamtes Vermögen verfügt. Außer den darin bezeichneten Gegenständen hat er nichts hinterlassen. Er hat mir auch in dem Briefe vom 23. Oktober 1931, mit dem er das Testament zur Aufbewahrung übersandte, erklärt, dass er in seinem Testament über seine Habseligkeiten Bestimmungen getroffen habe, das heißt in dem Sinne, dass er seinen gesamten Nachlass verteilt habe.

Unter diesen Umständen würden die beiden Schwestern, wenn man sie als Miterbinnen ansähe, nichts bekommen, weder ein Aktivum noch, da Nachlassverbindlichkeiten nicht vorhanden sind, ein Passivum. Sie würden also nicht „Personen‟ sein, auf „die mit Tode des Erblassers dessen Vermögen als Ganzes auf sie übergegangen ist‟ (§ 1922 B.G.B).

Des Weiteren kommt in Betracht, dass die unter Ziffer 1 und 2 des Testamentes bezeichneten Vermögenswerte, nämlich der auf dem Fideikommiss Steinort eingetragene Lehnstamm von 45.000 Mark und das Depot auf der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft praktisch den allergrößten Teil des Nachlasses ausmacht. Die Gegenstände, über die der Erblasser unter Ziffer 3 ff. seines Testamentes spezielle Bestimmungen getroffen hat, sind sowohl einzeln als auch zusammen nur Bruchteile des Gesamtwertes des Nachlasses.

Unter diesen Umständen dürfte es dem § 2087 B.G.B. allein entsprechen, dass der Bruder des Erblassers, Herr Landstallmeister Siegfried Graf von Lehndorff allein als Erbe im Rechtssinn angesehen wird, da er derjenige ist, dem „der Erblasser sein Vermögen zugewendet hat‟.

Die im Testament genannten übrigen Personen dagegen würden gemäß § 2087 Abs. 2 und § 1939 B.G.B. als Vermächtnisnehmer anzusehen sein.

Ich bitte um gefällige Mitteilung, ob demgemäß der Erbschein auf Grund des Testamentes Herrn Landstallmeister Siegfried Graf von Lehndorff allein erteilt werden wird, wenn er eine entsprechende notariell beurkundete Erbscheinverhandlung einreicht.

Siebert
Rechtsanwalt und Notar

Randnotiz: Schreiben an Notar Siebert: Ein Erbschein kann für Herrn Landstallmeister Siegfried Graf von Lehndorff nur erteilt werden, wenn aus dem von Ihnen erforderten Angaben über den Nachlasswert hervorgeht und von den als gesetzliche Erben in Frage kommenden Schwestern des Erblassers bestätigt wird, dass außer den im Testament aufgeführten Werten von dem Erblasser nichts hinterlassen ist. Po. 20.11.33

Zitierhinweis

Karl Siebert an das Amtsgericht Potsdam. Potsdam, 15. November 1933. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_zyz_hl2_qz