Steinort, den 23. Oktober 1784
Hochwürdiger und Hochgeborener Reichsgraf,Gnädigster Graf und Herr!
Die beschränkte Zeit und die vielen unangenehmen Vorfälle, die ich bin genötigt
gewesen, Ew. Hochgeboren untertänigst zu berichten, haben mich immer behindert,
Hochdenenselben mit kleinen Wirtschaftsnachrichten bekannt zu machen. Da ich
nunmehro aber voll Vertrauen auf die Güte Gottes dem Ende unangenehmer
Begebenheiten hoffnungsvoll entgegensehe, so will heute damit den Anfang machen
und dem schon längst erhaltenen gnädigen Befehl gemäß alle 14 Tage einen solchen
Brief abgehen lasen. In jedem Brief geht
Rhenius auf deren Wohlbefinden ein. Sie erhielt von Lehndorff eine
monatliche Pension, vgl. LASA, StA L, Bestand 21950 FA Lehndorff, Nr.
382, Bl. 66 und GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort,
Nr. 301 (Zahlungsnachweise 1778-1782).
[Schließen]Das Fräulein v. Gohr ist seit dem Herbstanfange oft
zwar nun etwas unpässlich, da sie sich aber gar nicht schont, so kommt
oft ein Recitiv. Beim Obst abnehmen,
schälen, Licht ziehen pp. ist sie immer die erste und letzte, wovon sie auch
durch dringendste Bitten und die gründlichste Vorstellung nicht abzuhalten ist.
Jetzt ist sie Gottlob munter! Äpfel sind dieses Jahr vorzüglich viel, Kirschen
und Birnen weniger, und Pflaumen fast gar nicht, hingegen ist an Kohl ein
reicher Segen, eine solche Menge schönen brauen Kohl haben wir noch nie gehabt.
Melonen sind auch viele gewesen. Es wurde ein Versuch gemacht, davon etwas zu
verkaufen, da aber zu wenig bezahlt wurde, sind einige verschenkt an Herrn
Probst, Herrn Postmeister in
Rastenburg, Herrn Major von
Winterfeld p. Weißer Kohl wird
jetzt verkauft a 1 Fl. das Schock. Der diesjährig gesäte Kleewer ist gar
vorzüglich schön geraten, der am Brauhause war nur mittelmäßig, konnte aber doch
genutzt werden, ist jetzt umgepflügt und wird mit Flachs dieses Stück künftiges
Jahr besät werden. Nach Rhenius'
Bericht vom 12. November 1784 blieben nach Abzug des Bedarfs des Hofes
an Flachs und Garn 283 Rtlr., 28 1/2 Gr. Überschuss (Bl. 220-1221v).
Nach einem weiteren Bericht aus dem Herbst, ebd., Nr. 387, Bl. 135-136v,
seien die von Trinitatis 1783 bis 1784 erwirtschafteten Überschüsse von
4.426 Rtlr. übertroffen worden, so dass bare Reserven von 1.000 Rtlr.
vorhanden seien. Da die Ernte noch nicht abgeschlossen war, ließen sich
noch weitere Überschüsse erwarten.
[Schließen] Das Flachsbrechen ist bereits
angefangen und bei dem diesjährigen Segen kommt uns die Braachstube mit
2 Stuben sehr zustatten. Herr Schultz reitet mit meinem Martin auch des
Nachts auf die Dörfer um nachzusehen, ob die Leute auch in den Wohnhäusern
Flachs brechen oder bei einer Laterne dreschen. Kürzlich brannten jenseits des
Sees bei Lötzen 2 Häuser und volle
Scheunen ab durch Flachsbrechen im Wohnhause.
den 23. Oktober abends
Heute zum Mittag Am 6. November 1784 schreibt Henrici
Lehndorff in einer persönlichen
Angelegenheit. Er hoffte auf dessen Unterstützung bei der Vergabe der
vakanten Justizratsstelle in Angerburg an seinen Schwiegersohn und Fürsprache bei
Großkanzler von Carmer, ebd.,
Bl. 116-116v
[Schließen]besuchte uns Herr Amtsrat Henrici (seine Frau war vor einigen
Wochen zur Kaffee-Visite nachmittags auf ein paar Stunden). Diese Gelegenheit benutzte vorzüglich, mit
ihm über die Neuhoffschen Güter zu
sprechen, welche er am besten beurteilen kann, da er sie selbst bei Fertigung
des Anschlags gründlich kennengelernt, nach einiger Bedenklichkeit (denn diese
ist ihm nicht zu verdenken, wenn er als Veranschlagungs-Kommissarius jemand vom
Kauf abraten will, weil er deshalb, wenn es bekannt würde, leicht zur
Verantwortung gezogen werden könnte), sagte er mir, dass, wenn er es aufrichtig
gestehen sollte, er Ew. Hochgeboren zu diesem Kauf unmöglich anrätig sein
könnte, weil der Boden und Acker dieser Güter von Natur sehr schlecht und die
Leute sehr arm sind, weil auch diese Güter überhaupt eine schlechte Lage dabei
hätten. So dürfte, wenn auch viele Kosten dabei verwendet würden, auf keinen
sonderlichen Vorteil zu rechnen sein, hingegen hätte er die Raudischkenschen Güter, von welchen er auch
einen Anschlag gemacht, von der vorteilhaftesten Seite kennengelernt, dass er zu
deren Ankauf weit sicherer anrätig sein könnte. Der Boden ist viel besser, die
Leute im guten Stande und vorzüglich schöne Waldungen, auch weit besser bebaut.
Der Anschlag ist jetzt nicht höher, als Herr Major Finck solche bei seinem Einkauf bezahlt.
Herr Amtsrat will mir Extrakte von dem Anschlage überschicken, davon ich nicht
verfehlen werde, das vorzüglichste diesem beizufügen. Noch einen Vorteil habe
Raudischken, dass es näher bei Steinort und Königsberg als Neuhoff, die Leute auch von besserer Race sind, denn die
Neuhoffschen haben öfters mit ihrer vorigen Herrschaft Prozesse geführt, dieses
habe vom Herrn Zudnachowsky gehört,
der selbst dieserhalb Verhöre in Neuhoff gehalten. Die Kirche und Jus Patronatus
zu Neuhoff ist für den Eigentümer ein Onus, weil die Kirche ganz arm und die
Herrschaft alle Bauten aus eigenen Mittel bestreiten muss.
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