Euer Hochwohlgeboren
Geehrter Herr Präfekt.

Bevor ich die Antwort erhielt, worin Sie uns die Versicherung Ihres gnädigen Wohlwollens geben, hatte ich schon dem lieben Papa die Befürchtungen meines Herzens ausgesprochen über die Gefahr, worin unsere Gemeinde schwebte, da ihr ein Lazarett bevorstand. Ich bat den guten Papa, Ihnen, geehrter Herr Graf, einige Zeilen zu adressieren mit der Bitte, im Namen der Freundschaft der Beschützer meiner geliebten Adoptivfamilie zu sein; ich bin ihr so viel Liebe und Dankbarkeit schuldig. Wenn Ihnen demnach, Herr Präfekt, ein Brief von Eduard zukommt, so ist dieses nicht der Erfolg eines neuen Schrittes, es wäre eine unverzeihliche Undankbarkeit meinerseits nach dem Beweise so großer Güte und Dienstfertigkeit, womit Sie uns beehren. Auch erlaube ich mir, Ihnen im Namen unserer würdigen Mutter unsere innigste Dankbarkeit auszudrücken. Mein deutsches Herz wird nie Ihre freundlichen Gesinnungen vergessen.

Durch so große Güte aufgemuntert wage ich es, hochgeehrter Herr Graf, Ihnen im Interesse meiner teuren Gemeinde eine Bitte auszusprechen, welche Sie gewiss gnädig gewähren werden. Der Waffenstillstand gibt uns Hoffnung, unsere noch fehlenden Zöglinge bald zu empfangen. Wäre es denn möglich, ohne die lieben preußischen Verwundeten zu beeinträchtigen, uns die Betten zurückzugeben, welche wir in das Museum geliehen haben; wir würden uns sonst in einer misslichen Lage befinden.

Wir fügen hier die Liste bei, worin alle Angebungen sich befinden. Die Betten sind in grünem Gusseisen und die Springbetten in grünem Damast. Alles wurde mit Bezeichnungen versehen, sie könnten jedoch durch das Hin- und Hertragen verloren sein. Jedenfalls aber wären sie leicht erkennbar, da sie alle gleich sind. Es wäre uns jedoch unendlich leid, wenn unsere neuen Landesgenossen dadurch leiden sollten.

Wenn Sie mir wieder die Ehre Ihres gütigen Besuchs bereiten, wird es mich freuen, etwas mehr von meinem lieben Bruder und von unserer Heimat zu sprechen.

Genehmigen Sie, Herr Präfekt, den Ausdruck der tiefen Hochachtung, welchen unsere würdige Mutter Ihnen darbietet, und die Versicherung meiner steten Dankbarkeit

Ihre ergebenste Dienerin Sour Louise de Gonzague
Klarisse de la visitation Sainte Marie
Dieu doit beni

Zitierhinweis

Louise de Gonzague an Carl Meinhard Graf von Lehndorff. Amiens, nach dem 18. März 1871. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_cvn_hwd_gy