Königsberg, 12. Juni 1863
VertraulichHochwohlgeboren
Hochverehrter Herr Ministerpräsident.
Euer Exzellenz wollen mir geneigtest gestatten, vertraulichst einige Worte über
die Reise I. I. K. K. H. H. in unserer Provinz an Sie zu richten. Dass dieselbe,
die von der segensreichsten Wirkung hätte werden können, durch den Besuch bei
Winter und die Rede in Danzig in das Gegenteil umgeschlagen ist,
wissen Sie natürlich besser, als ich es Ihnen sagen kann; aber wenn auch der
Schaden kaum wieder gut gemacht werden kann, so kann doch der Eindruck gemildert
werden, wenn während des Rests der Fahrt S. K. H. eine Haltung vermeiden
wollten, die zum Encouragement der Fortschrittspartei gereicht. Es versteht sich
von selbst, dass ein direktes Zurückrudern auf die Am 31. Mai 1863
hatte der Kronprinz eine
militärische Inspektionsreise nach Westpreußen angetreten. Am 1. Juni
erschien die Verordnung über die Aufhebung der Pressefreiheit. Schon vor
der Reise hatte der Kronprinz seinen Vater schriftlich gebeten, jede
Oktroyierung zu vermeiden. Nach dem Presserlass bedauerte er in einem
zweiten Schreiben an den König vom 4. Juni die Maßregel der Regierung
und teilte auch Bismarck seinen Einspruch mit. Am 5. Juni wurde er in
Danzig von Oberbürgermeister Winter, einem „überzeugten Liberalen", empfangen, der
ihm mitteilte, dass er ihn im Rathaus öffentlich begrüßen wolle. In
seiner Rede bedauerte Winter, „dass es die Verhältnisse nicht gestatten,
der Freude der Stadt ihren vollen lauten Ausdruck zu geben‟. Darauf
erwidert der Kronprinz:„Auch ich beklage, dass ich in einer Zeit
hergekommen bin, in welcher zwischen Regierung und Volk ein Zerwürfnis
eingetreten ist, welches zu erfahren mich in hohem Grade überrascht hat.
Ich habe von den Anordnungen, die dazu geführt haben, nichts gewusst.
Ich war abwesend. Ich habe keinen Teil an den Ratschlägen gehabt, die
dazu geführt haben. Aber wir alle und ich am meisten, der ich die edlen
und landesväterlichen Intentionen und hochherzigen Gesinnungen Seiner
Majestät des Königs am besten kenne, wir alle haben die Zuversicht, dass
Preußen unter dem Zepter Seiner Majestät des Königs der Größe sicher
entgegengeht, die ihm die Vorsehung bestimmt hat.‟ Vgl. Kaiser Friedrich
III. Tagebücher, S. 198.
[Schließen]Danziger Rede etwa in Gumbinnen, mit der Erklärung, es sei ein
entschiedenes Missverständnis, dass S. K. H. die Maßregeln missbillige, von
denen Er gesagt, dass Er sie damals nicht gekannt habe – er sei einig mit der
Regierung pp – für die hiesige Lage das Zweckmäßigste wäre, ob dies aber, nach
allgemeinen Rücksichten, S. K. H. zugemutet werden kann, steht mir nicht zu zu
beurteilen, auch weiß ich nicht, was Lucadou mitgebracht hat. Dass schon in Am 7. Juni war das Kronprinzenpaar von Danzig über
Marienburg nach Schlobitten gereist, bei der Abreise von Danzig traf die
Missbilligung des Königs ein, vgl. Kaiser Friedrich III. Tagebücher, S.
199.
[Schließen]
Schlobitten eine
erste Allerhöchste Missbilligung eingetroffen, glaubt man, aber dem größeren Publikum macht das nicht
hinreichenden Eindruck. Jedenfalls aber möchte doch für den Rest der Reise eine
entschiedene, der Umgebung bekannte Allerhöchste Instruktion ergehen. Die
militärische Umgebung, politisch korrekt gesinnt, kann gegenwärtig gar nichts
bei S. K. H. durchsetzen. Mit einer Instruktion würde es gehen! Es ist z. B.
fortan den 1. eine Reise von Insterburg nach Luisen(?)felde, gegen heftigsten
Widerstand
[Schließen]contre vent et
marée, 3 Meilen abseits(?) der Tour, befohlen! Saucken, wie Sie wissen kein ganzer Fortschrittsmann, ist durch
die alten Sachen für die ganz liberale Partei der Provinz! Er hat den Prinzen
nicht eingeladen, sondern S. K. H. sich privat angesagt. Er bewohnt ein
Bauernhäuschen in christlicher Gegend. Er ist Vorstand des Landwirtschaftlichen Vereins, der vor einigen Tagen
ablehnte, den Kronprinzen, seinen Protektor und Wohltäter, zu begrüßen, und ist
es geblieben; das alles weiß jedermann von hier; kurz, dieser Besuch in Luisen(?)felde ist gewiss ein Koller
und wird hier entschieden als Demonstration angesehen. Suchen Euer Exzellenz ihn
um alles in der Welt zu verhindern. Der sehr brave Sperber – Kleszowen,
konservativ, der bei eben erwähntem Vorgang im Landwirtschaftlichen Verein
sofort austrat, bemühte sich vergebens aufs Dringendste um einen „Nach dem Empfang in Königsberg am 12. Juni
nahm das Kronprinzenpaar den Tee in Tauerlauken unter der lieben Eiche
beim Gutsbesitzer Sperber; litauische Bauern und Bäuerinnen reitend
begrüßten uns in bekannter Art und machten Geschenke.‟ Ebd.
[Schließen]höchsten Besuch.
- I. I. K. K. H. H. unterhielten Sich entschieden freundlicher und vertraulicher
mit Liberalen als mit Konservativen: Kurz, diese Reise wird, fürchte ich, der
Regierung keine Wirkung bringen!
Ach, verehrte Exzellenz, suchen Sie vor allem jetzt das Herz und den Geist des Thronerben zu gewinnen, sonst arbeiten Sie (und wir alle an unserem bescheidenen Teil) sowohl für die Gegenwart umsonst – als wir selbst bei gegenwärtigem Gelingen, doch die nahe Zertrümmerung des Königtums in Preußen nicht abwenden würden.
Einen Rückfall in eine dritte Neue Ära übersteht unsere politische und soziale Konstitution nicht. Vor allem tut aber jetzt eine entschieden weise(?) Instruktion Not.
Erlauben Exzellenz mir, mich zu nennenIhren treu ergebenen gehorsamsten Graf Lehndorff-Steinort
P. S. Verzeihen Exzellenz, dass ich verkehrt diese Zeilen angefangen, ich finde nicht mehr Zeit neu zu schreiben. [Paraphe]
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