Ich benutze die abgehende Estafette, welche Euer Hochwohlgeboren die Ankunft des
Ministers von Stein zu Gumbinnen melden wird, worüber Major v.
Plotho des Weiteren berichtet, um
auch meine kleine Lebensgeschichte in Kurzem beizufügen. Von Farenheid und ich kamen den 18. Abends an,
fanden Lyck noch ziemlich leer -
veränderte Disposition des russischen Hauptquartiers hatte Regierungsrat
Kolhoff nach Kalinowen gerufen, wohin er kommen sollte.
Der Ort fand sich zu klein, und heute früh wurden wir durch den Vortrag des
Hauptquartiers benachrichtigt, dass der Kaiser noch heute eintreffen würde; ich ging bei Superintendent
Gisevius und sprach mit dem
Magistrat, welche beide sehr bereitwillig alles das ihrige zum Empfang (analog
der kleinen Städte und der wenigen Mittel) anwenden wollten. Postillons, eine
kleine Art von Bürgergarde, ritten dem Kaiser entgegen, die Geistlichkeit
empfing ihn am Eingange der Stadt, das Volk rief Hurra usw., von Salzwedel war angekommen, weiter war kein
vernünftiger Repräsentant aufzutreiben, alles, was von Gumbinnen ausgegangen war, versammelte sich
auf dem Amt. Der Kaiser sollte auf dem Schloss logieren und sehr gut. Er kam um
2 Uhr an, wir empfingen ihn an der Treppe, wurden in ein Vorzimmer geführt, bald
nachher kam er heraus, redete mich französisch an, welches mir lieb war, weil
mir schmeichelhafte Worte in dieser Sprache besser vom Munde gehen, ich sagte
ihm - etwas geordnet -, was Sie den Abend meiner Abreise von Gumbinnen gebilligt hatten, er sagte mir:
So im
Original. Übersetzung: Ich betrete dieses Land nicht als Feind, ich bin
der Freund des Königs, ich vergesse bereitwillig, was zwischen uns
geschehen ist. Ich habe die strengsten Befehle erteilt, damit die
Ordnung aufrechterhalten wird ...
[Schließen]je n'entre pas dans ce pays comme ennemi, je suis
l'ami du roi, j'oublieres volontié ca qui s'est passé entre nous, - j'ai
donné les ordres les plus strictes pour que l'ordre soit maintenu et
qu'aucon excès ne se commette etc. Das waren die
Hauptpunkte dessen, was er antwortete, mehrere Artigkeiten folgten, er ließ sich
durch Major v. Plotho alle Anwesenden
nb. alle So
bereits in der Abschrift.
[Schließen]... Offiziere, Regierungsmitglieder -
und mehrere Alotrias, von welchen es mir nicht lieb war, dass sie sich dorthin
gedrängt hatten, vorstellen, und entfernte sich. Wir gingen in Masse zum
Feldmarschall Kutusow. Er sprach viel
mit uns und gerne hätte ich gefragt, was war der kurze Sinn der langen Rede, ich
sage nichts über ihn, es gehört nicht für einen Brief, aber was soll man von der
Weltgeschichte halten, wenn man bedenkt, dass dieser Mann dazu geboren ist, nach
200 Jahren als der Besieger Napoleons
darin zu prangen!!! - einst mehr davon. Vgl. Natzmer, Gneomar Ernst von, Aus dem Leben
des Generals Oldwig von Natzmer, Berlin 1876.
[Schließen]
Natzmer ist nicht mehr im
Hauptquartier, sondern schon nach Berlin
zurückgegangen, ich habe einen Major Lützow hier
wiedergefunden, der zwei Tage im Hauptquartier gewesen und heute nach Berlin zurückgeht. Er war früher mein
Regimentsgefährte bei der Garde, und es ist mir interessant gewesen, ihn
wiederzusehen, doch gewährt sein Hiersein keinen großen Haltungspunkt, - nur
soviel, dass Sie über die Lage der Sache ganz richtig geurteilt. Der Kaiser kam von Ratzken, 6 Meilen von hier, sein gestriges
Nachtquartier, zu Pferde hier an, ohne Überrock; es tut mir in jeder Hinsicht
leid, dass ich nicht in seiner Haut stecke, und wahrlich des Vorrats an
Wärmestoff halber nicht am wenigsten. Graf Tolstoi sagte, mais l'Europe entière riroit, si ces deux
souverains ne seroient pas alliés - indem er von unsern Verhältnissen sprach.
Fürst Wolkonsky, erster
Generaladjutant des Kaisers, ist der eigentliche faiseur alles dessen, was in
militärischer Hinsicht geschieht. Regierungsrat Kolhoff, der heute ganz früh wiedergekommen, hat noch eine Illumination.
[Schließen]élumination für heute Abend, eine grüne Dekoration am Eingange der Stadt. welche
denselben als solchen bezeichnete, besorgt und alles gut in Bewegung gesetzt.
Zum Empfang in Johannisburg war auch Graf
Georg Adam von Schlieben
aus Gerdauen seitens der
Ostpreußischen Stände gekommen, vgl. ebd., S. 2089 f., Major von Plotho
an Schön, 23. Januar 1813.
[Schließen]Der Kaiser bleibt noch drei Tage hier und geht dann direkt nach
Johannisburg; die Russen geben sich 20.000 Mann an, es ist aber höchst wahrscheinlich,
dass sie nur 7-8.000 Mann sind; was aus dem übrigen Teil der Kutusowschen Armee
geworden ist, ist mit Gewissheit nicht ausfindig zu machen, so wie es mir bisher
noch nicht gelungen ist, etwas sicheres über die Österreicher zu hören. Sonntag
sollen Patrouillen von ihnen in Johannisburg, ja selbst in Willenberg gewesen sein, an erstem Orte
sicher - ich denke, Sie werden von Herrn v. Stein alles richtiger erfahren, Kaiser Alexander hatte Stein
am 18. Januar 1813 volle Gewalt über Ostpreußen erteilt, bis die
Verhandlungen mit dem König zu einem solchen Ziel geführt haben würden,
dass man ihm die Verwaltung der Provinz zurückgeben könne. Stein hielt
den König für unfähig, noch unter dem Druck französischer Waffen
richtige Entschlüsse zu fassen, weshalb er auf diesem Weg zum Bündnis
mit Russland gezwungen werden sollte, vgl. Dönhoff, August Friedrich
Philipp Reichsgraf, Königsberg und Ostpreußen zu Anfang 1813. Ein
Tagebuch vom 1. Januar bis 25. Februar 1813, hrsg. von Maximilian
Schultze, Berlin 1901 (Bausteine zur preußischen Geschichte, 1, 2), S.
69 f.
[Schließen]noch
ist es mir nicht gelungen, mit Herrn von Stein ordentlich zu
sprechen,er ist beständig alternativé beim Kaiser oder bei Kutusow, doch habe ich mehrere Gründe, die mir den innigen
Wunsch einflößen, dass Euer Hochwohlgeboren ihn mit ruhigem Sinn empfangen und
anhören, sich nicht bestechen noch momentan einnehmen lassen; verzeihen Sie der
unberufenen Meinung, sie ist wahrlich treu gemeint, auch kann ich mich
vielleicht irren.
Mir ist heute sehr unwohl und ich zweifle, dass ich meinem Versprechen und meinem Wunsch werde genügen können, selber schon morgen nach Gumbinnen zu kommen; da Minister von Stein selber kommt, werde ich Sie auch noch lieber ein paar Tage später sehen. Verzeihen Sie meinem Kopfweh die Unordnung dieses Briefes.
Gott erhalte Sie und sei Ihr Schutzdas von Herzen Lehndorff
Zitierhinweis