Tilse, 3. Januar 1813

Und setzt Ihr nicht das Leben sein,
Nie kann Euch das Leben gewonnen sein.

 Das Yorcksche Corps hatte im Juli 1812 zwei seiner Kavallerieregimenter (Husarenregiment Nr. 2, bestehend aus brandenburgischen und pommerschen Husaren, und Ulanenregiment, bestehend aus schlesischen und brandenburgischen Ulanen) und an die französische Hauptarmee abtreten müssen. Beide teilten das Schicksal der Armee 1812. Ersatz konnte Yorck nicht schaffen und sorgte deshalb vorerst dafür, dass die Kavallerieregimenter, die noch zu seinem Korps gehörten, auf 501 Pferde in 4 Schwadronen und ein Ersatzschwadron von 125 Pferden ergänzt wurden. Der Landwehrentwurf, den er am 5. Februar 1813 dem „Komitee des Landtages‟ vorlegte, enthielt noch keine Forderung nach Reiterei, wohl aber in § 5 die Idee eines Ersatzes: „Die Landwehr besteht größtenteils aus Fußvolk, aus den Fleischergewerken aller Städte kann indes auch eine allerdings nicht überflüssige Kavallerie formiert werden.“Vgl. Schultze, Lebensbild, S. 341. Lehndorffs Entwürfe und Notizen über die Mängel der preußischen Landwehrkavallerie und deren Abhilfe 1807-1818 sowie Aufsätze: „Grundsätze über die richtige Verwendung der Jahreszeiten behufs einer zweckmäßigen und vollendeten Ausbildung der Kavallerie in allen Teilen“und „Ursachen für das Misslingen von Angriffen der preußischen Kavallerie während der Kriegsjahre 1813-1815“, in: GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 511 und 512.
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Yorck hat mehr als das Leben eingesetzt. Schon den 29. hat er, noch ehe Seydlitz kam, den Entschluss zur großen Tat gefasst. Seydlitz hat ihm keine Königliche Willensmeinung überbracht, er steht ganz allein mit seinem freilich nicht ruinierten, aber doch sehr, sehr angegriffenen Corps.
Wie er schon durch p. Lehndorff Euer Hochwohlgeboren geäußert, bittet er auch jetzt Sie dringendst, wenn auch nur auf einige Stunden herzukommen, mit ihm den Bund zu schließen, mit ihm wegen der Erhaltung seines Corps, wegen der Auffrischung desselben, wegen eines etwa nötigen Aufgebots in der Provinz, wegen hundert anderer Sachen zu verabreden, was die wichtigen Augenblicke fordern. Dass Macdonald vernichtet, davon ist noch immer keine Nachricht, die Russischen Corps sind nicht so stark, als sie ausgegeben werden, heute ging das Lewissche Corps hier durch, es sollte 10.000 Mann sein, ich habe zählen lassen, es waren nicht viel über 5 1/2 Tausend Mann, die russische Armee geht nicht geschwinde vor, über Österreich weiß er nichts Gewisses. Yorck bedarf Euer Hochwohlgeboren Mitwirkung für den Augenblick, aber mehr bedarf er Ihrer stützenden Kraft, die Schweiz ruhte auf drei Säulen und Yorck ist kein Atlas. Die Stimmung des Corps, soweit ich sie schon kenne, ist nicht, wie man sie wünschen muss, und Yorck hat wohl Recht, dass aus dem Vaterlande rückwärts seine Leute ihm nicht folgen würden, und diesen Fall denkt er sich doch als möglich. Er will alle Leidenschaft ausschließen und auch für den Fall eines echecs einen Weg offen behalten.

Yorck wünscht vor allen Dingen möglichst genau zu wissen, wie viel russische Truppen Litauen schon passiert oder noch drin sind? wo Tshitshakoff und wie stark steht? wo Platow und wie stark? - auch von Königsberg hat er keine Nachricht.

Gestern war es mein Vorsatz, heute ganz zeitig in Gumbinnen zu sein, Yorck wünschte, dass ich hier bleiben und Sie abwarten möchte, jetzt eben wollte ich von ihm Abschied nehmen, um morgen früh in Gumbinnen zu sein. Er hat mich aber wieder aufgefordert, hier zu bleiben und wenigstens soviel als mein Schreiben in G. habe ich heute auch hier genützt. General Kleist geht morgen früh nach Wien zu Kaiser Alexander, ich habe ihm 600 Rtlr. Reisegeld zusammenbringen müssen, nämlich:

  • 25 Luisdor von meinem Mitgenommenen
  • 150 Rtlr. aus der Salzkasse
  • 300 Rtlr. aus der Kontributionskasse.

Dem Direktor Schulz sagen Euer Hochwohlgeboren gütigst, dass ich Herrn Goebler(?) und die Lag.(?) Entrepreneurs gehörig zusammenreite; es tut Not darum.

Sie waren gestern schon bei p. Siehr angemeldet, ich schrieb daher  Vgl. Nr. 180; darin schrieb Schulz an Schön am 3. Januar 1813: „Ich habe heute an meine Treuen in Masuren geschrieben und ich hoffe, dass Masuren mehr tun wird, als Herrn von Yorck bloß Krümper und Beurlaubte geben, vielleicht gelingt es auch p.  Landrat
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Lynker
in seiner Gegend etwas mehr zu bewirken. Stände Herr von Yorck in Königsberg nur nicht so verlassen da!“

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den anliegenden Brief
, um ihn gleich bei der Ankunft Euer Hochwohlgeboren abgeben zu lassen. -  Nr. 181.
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Der Zettel
geht mir ganz von Herzen, die Sache ist so groß, Yorcks Tat in unsern Tagen so selten kühn, und es ist Gottes Wille, dass ich an ihn gekommen bin.

Jeder Tropfen mehrt das Meer, so erlauben Sie, Herr Geheimer Staatsrat, dass neben Yorck auch ich noch Sie dringend bitte schleunig herzukommen.

Schulz

Zitierhinweis

Regierungsrat Schulz an Theodor von Schön. Tilse, 3. Januar 1813. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_yn5_gyl_5y