Neu Strelitz, den 13. August 1859
Gnädigste Frau Gräfin!Ihre freundlichen Zeilen, hochverehrte Frau Gräfin, haben auf verschiedenen Umwegen mich gestern erreicht. Vor allem meinen herzlichsten, innigsten Dank für Ihre gütige Teilnahme.
Ich war in den ersten Tagen des Juni mit meiner Familie nach Marienbad gegangen und befand mich nach
vollendeter Kur auf einem Gute bei Merseburg, als ich die Nachricht von meiner Entlassung aus dem
Er war
Regierungspräsident von Gumbinnen.
[Schließen]Amt erhielt. Die letztere
ist nicht, wie die Kreuzzeitung irrig meldete, auf meinen Wunsch erfolgt; ich
habe es vielmehr unter den jetzigen Verhältnissen für meine Pflicht gehalten,
trotz aller Widerwärtigkeiten so lange im Amt auszuharren, bis es dem Regenten belieben würde, mich des mir von
Sr. Majestät anvertrauten Postens
zu entheben und dadurch anzuerkennen, dass diejenigen Ansichten und Prinzipien,
welche zu verfechten ich mir zur Lebensaufgabe gestellt habe, nicht weiter vom
Thron geteilt werden. Meiner innigsten Überzeugung nach, führt der Liberalismus
in seinen Konsequenzen mit absoluter Notwendigkeit zur Anarchie. Zum Heile des
Vaterlandes, der Kirche, des Throns wünsche ich, dass ich mich hierin täuschen
möchte.
Über meine Entlassung an sich kann ich mich mit Grund nicht beklagen, nur die Art, die rücksichtslose Form, in der sie erfolgt ist, hat mich betrübt. Ich erhielt ein einfaches Notifikatorium der Minister Schwerin und Patow, dass der Prinz mich zur Disposition gestellt habe, und dazu die Bemerkung, dass ich in Folge dieser Allerh. Entschließung hiermit meiner Funktionen entbunden sei. Ich meine, der Prinz hätte einem Verwaltungschef, der bloß deshalb entlassen wird, weil er mit den politischen Ansichten der Minister nicht übereinstimmt, wohl direkt einige Worte des Abschieds sagen können, anstatt ihm in völliger Ungnade den Laufpass zu geben. Unter diesen Umständen habe ich auch Anstand genommen, nochmals nach Gumbinnen zurückzukehren. Meine Frau ist allein dorthin gereist, um das peinliche Geschäft der Auflösung unserer Häuslichkeit in Ausführung zu bringen. Ich muss daher auch auf den lange gehegten Wunsch, dem Sie, gnädigste Gräfin, durch Ihre freundliche Einladung so wohlwollend entgegengetreten sind, um in dem schönen Steinort meine Frau und Tochter Ihnen vorzustellen, zu meinem tiefen Bedauern verzichten. Nehmen Sie, hochverehrte Frau, meinen besten, herzlichsten Dank für die Teilnahme, mit der Sie mich gütigst beehrt haben. Die Erinnerungen an Steinort, an Sie, gnädigste Frau Gräfin, und an ihr stilles christliches Wirken werden meinem Gedächtnis stets unvergesslich sein.
Mit Betrübnis erfuhr ich von der neuen schweren Prüfung, die Ihnen durch den
unerwarteten Friedrich Wilhelm Graf von Hahn war am 7. Juli
1759 im Alter von 55 Jahren in Berlin verstorben.
[Schließen]Tod Ihres Herrn Vaters
auferlegt wurde. Der
Allmächtige legt aber niemandem mehr Leiden auf, als er ertragen kann, und Ihr
Gemüt ist ja stark im Glauben und voll christlicher Ergebung. Der rechte Trost
wird Ihnen daher nicht fehlen.
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