Berlin, Königin Augustastr, No. 20, den 20/2 68
Mein verehrter Herr von Mülverstedt,in der Siehe
das Dokument vom 2. Februar 1862.
[Schließen]Rückerinnerung an Ihre so sehr liebenswürdige
umfängliche Antwort vor Jahren auf meine Lehndorffsche Anfrage in Bezug
auf unsere Familiengeschichte wage ich auch heute mit dem beiliegenden Aktenstück zu Ihnen
zu kommen, damit Sie erstlich daraus erfahren, dass ich in den vergangenen
Jahren, so viel ich vermochte, Aufklärung über manche dunklen Punkte gesucht,
und zweitens mit der großen Bitte, dass Sie einen prüfenden Blick auf die nun
von verschiedenen Seiten beleuchteten Damit muss
sie Benders Manuskript meinen, worauf Mülverstedt ablehnend reagierte,
siehe den folgenden Brief.
[Schließen]Zusammenstellungen werfen wollten, und liebenswürdigerweise mir Ihr Urteil,
treuen Rat und Ihre Anleitung angedeihen lassen wollten, damit womöglich die bis
jetzt doch mehr auf Hypothesen als wirklich urkundlich erwiesenen Orte
berechtigter festgestellt werden könnten. Leider ist es noch immer nicht dazu
gekommen, dass, seitdem sie sich liebenswürdig damit befasst, das Königsberger Archiv genügend exploitiert wäre.
Meckelburg war auch Sekretär der Altertumsgesellschaft Prussia, der
Graf Lehndorff ab 17. Januar 1879 als ordentliches Mitglied angehörte,
vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr.
555.
[Schließen]Dr. Meckelburg soll nicht sehr zuvorkommend sein, trotzdem
er mir versprochen hatte, Dr. Bender, der sich zu solcher Arbeit angeboten, volle
Einsicht in das Archiv zu gestatten.
In der Akte eine Abschrift
eines Epitaphs aus Preußisch Eylau, „welches von 1576 datierte und
vielleicht Licht über die dunklen Heiratsverwandtschaften der ersten
Fabiane gibt. Auch die Wappen Lehndorff u. Legendorff von dort sind
hier im Archiv kopiert unter Ahasverus Ernst 1724.“ Dieser
geht zurück auf eheliche Verbindungen zwischen von Lehndorff und von
Lichtenhain, von Legendorff und vom Felde, von Lichtenhain und von
Brosen, vom Felde und von Madewitz als Urgroßeltern des 1527 geborenen
und 1576 verstorbenen Fabian von Lehndorff. - Vgl. LASA, StA L, Bestand
21950 FA Lehndorff, Nr. 129: „Chronik des Adelsgeschlechts von
1202 bis 1513“ mit Quellenangaben in der Handschrift Anna von
Lehndorffs aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, die die Familie auf
Otto von Legendorff 1202 als Zeuge in einem Grenzvertrag des Klosters
Dobrilug (Lausitz) und auf die Stanges im 13. Jahrhundert – u. a.
Heinrich Stange als Vertreter des Deutschen Ordens als Zeuge in einer
Urkunde des Landmeisters über die Grenzen des bischöflichen Anteils -
zurückführt. Ein weiteres Heft mit Urkundenabschriften aus dem 13.
Jahrhundert, ebd., Nr. 135, lässt sich nicht Anna von Lehndorff
zuordnen. Hier Bl. 42v: „In den Sitzungen unseres historischen
Vereins erwähnte ein Mitglied (Herr Prof. Dr. Bender aus Braunsberg) gelegentlich, dass
der bei Dissburg II. 7 genannte Stamm pruss. Pippin wahrscheinlich
einer der Vorfahren des im Codex diplo. Pruss. II. Nr. 8 und 29
(korr. mit Blei 138 und 165) genannten Theodericus miles dictus
Stango sei. Es ist mir nicht mehr recht erinnerlich, wie er diese
Ansehung begründete; wenn ich nicht irre, wollte er dies aus der
gleichen Lage des Wohnsitzes beider entnehmen. Jedenfalls bedarf
dieses einer genaueren Untersuchung.“ - Es handelte sich wohl
um eine Sitzung des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen,
dem auch Graf Lehndorff angehörte. Vgl. die Sitzungsberichte, in:
Altpreußische Monatsschrift, hrsg. vom Verein für die Geschichte von
Ost- und Westpreußen, Inhaltsverzeichnis zu Bd. 1-40, Königsberg 1905,
S. 6.
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Diese sbchriftlich in: LASA, StA L,
Bestand 21950 FA Lehndorff, Nr. 122 (1867).
[Schließen]Dr. Benders
Zusammenstellungen genügen mir nun gar nicht. Die
etwas vom Zaun gebrochenen Ansichten und willkürlichen Annahmen sind mir
zugleich unsympathisch und ungeschichtlich; während Ihre Hoffnung, uns
verbunden mit den Stangonen zu sehen, mir sehr viel erfreulicher ist als
der sehr plötzlich aus dem Bartenschen auftauchende Maul, der sich nun mit der Legendorffschen Erbtochter
alliiert.
Siehe den Brief vom
2. August 1862. In dieser
Frage wandte sich Mülverstedt später an Gallandi. Dessen Antwort vom 19. Februar 1904 in der
Akte, Bl. 36-37: Er könne zu der „hochinteressanten Lehndorffschen
Abstammungsfrage nichts beitrage“, doch wäre es „höchst
seltsam, wenn für den älteren, doch nicht einmal so sehr weit
zurückliegenden Zusammenhang eines bedeutenden Geschlechts die
Urkunden sich nicht finden sollten; sie mögen aber wohl mehr in
Westpreußen zu suchen sein.“ Nach seinem Eindruck seien die
Wappen Legendorff und Lehndorff nicht identisch. „Hätte wirklich
der Woiwod Fabian das
Lehndorff-Wappen geführt, so läge freilich die Sache anders; aber
das muss doch Dr. Sommerfeldt erst beweisen. Editorische Auslassung [...]
Die Lehndorff hatten doch auch gar
keinen vernünftigen Grund, diesen hochvornehmen Namen in ihrer
Ahnenreihe zu unterdrücken und statt seiner den der Schwester
einzusetzen. Aber gerade in dieser Aliance Lehndorff-Legendorff
liegt wohl auch eine Haupterklärung des Wirrwarrs. Die Umwandlung
des Wappens Stange in Lehndorff (= Pfeilsdorf) ist mir so gut wie
ausgeschlossen.“
[Schließen]Dass letzteres übrigens der
Fall sein müsse, teilte ich Ihnen vor Jahren schon als meine Überzeugung
mit, und glaube ich nicht, dass der fragliche Maul so plötzlich aus dem
Dunkel auftaucht, sondern, wie Sie richtiger vermuten, in
Familiengemeinschaft zu den Legendorffs steht, was der gute Bender vielleicht leichtfüßig
verneinte, trotz des im Kulmer Lande so vielfach gemeinsamen Auftretens
Maul und Legendorff, für welche er weder eine genügende Abfertigung noch
Erklärung gibt.
Endlich geht meine Bitte nun noch dahin, mein lieber Herr von Mülverstedt, Fortsetzung
auf Bl. 29 der Akte.
[Schließen]ob Sie mir in Königsberg vielleicht irgendeine Persönlichkeit nennen könnten,
der ich die treue Anna
von Lehndorff ließ um 1872 Urkundenabschriften aus dem Danziger
Stadtarchiv (heute Staatsarchiv) betreffend den Woiwoden Fabian von
Legendorff, Sebastian von Legendorff, Hauptmann auf Mewe, Paul von
Legendorff, Bischof von Ermland, Dietrich von Logendorf und Hans von
Logendorf fertigen, vgl. LASA, StA L, Bestand 21950 FA Lehndorff, Nr.
124. Ob die Dokumente noch vorhanden sind, konnte bisher nicht überprüft
werden.
[Schließen]Erforschung der noch vorhandenen,
bisher nicht gefundenen Nachrichten aus dem Provinzialarchiv
anvertrauen könnte.
Voigt,
Johannes, Codex Diplomaticus Prussicus - Urkundensammlung zur ältesten
Geschichte Preußens aus dem Königlichen Geheimen Archiv zu Königsberg,
nebst Regesten Königsberg 1836–61, 6 Bde. In seiner Geschichte der
Eidechsen Gesellschaft, 1823, weist Voigt anhand des Ordensarchivs nach,
dass Georg Maul zur Zeit der Schlacht auf dem Tannenberge (1410) in
Kriegsdiensten des Ordens stand und wohl schon vor 1450 Mitglied der
Eidechsengesellschaft war. Er widersetzte sich den aufrührerischen Reden
in der Eidechsengesellschaft, wollte sogar austreten und forderte sein
Siegel zurück. Fabian und Otto von Maul (Maulen), seine Brüder oder
nächsten Verwandten erscheinen dagegen immer als die treuesten Anhänger
des Bundes. - Dass Anna mit Voigt in Kontakt stand, ließ sich nicht
nachweisen. In seiner Funktion als erster wissenschaftlicher Direktor
des Königsberger Staatsarchivs hatte er wiederholt Reisen in die Provinz
unternommen, um Archivalien aus nichtstaatlichem Besitz als Deposita zu
erhalten, vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 178, Nr. 1055, Bl. 59-60 (Hein an
den Generaldirektor der Staatsarchive in Berlin, 22. September
1933).
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Voigts
Regesten und Urkundensammlung habe ich persönlich durchgesehen und alle vielleicht
Aufklärung versprechenden Urkunden daraus abschriftlich behalten, aber
allerdings wenig gefunden, wenigstens kein rechtes Verbindungsmaterial zwischen
den Stangonen und Legendorff und zwischen diesen und Maul und wieder zurück. So
kann von keiner Familiengeschichte die Rede sein, bevor nicht authentische
Nachrichten über die frühere Geschichte der Familie vorhanden sind.
Die Annahme, dass die Stangonen Eingeborene und nicht Eingewanderte (was nebenbei
mir auch viel sympathischer) hat auch dadurch wohl eine Bestätigung für sich,
dass nach der Auffindung meines Vetters Junker von Oberkunreuth die eingeborenen Preußischen
auch Ritter des Deutschen Ordens werden konnten und daher Vgl.
Perlbach, Max, Zur Geschichte des ältesten Großgrundbesitzes im
Deutschordensland Preußen. Dietrich von Dypenow und Dietrich von Stange,
in: Altpreußische Monatsschrift N. F. Königsberg 1902, S. 78-124, v. a.
S. 87 ff. Perlbach verweist darauf, dass es sich um einen Lesefehler
handelt und der Namen Koto(e)borius nach Böhmen verweist. Tatsächlich
gab es in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts den Namen Stange am Hof des
Bischofs Bruno von Olmütz.
[Schließen]Coleborius Stango den preußischen Namen trägt,
während er zugleich Ordensritter ist, was bisher irre führte, da eingewanderte
Stangonen doch kaum heidnische Namen annehmen würden.
Ich wäre so sehr glücklich, wenn wir schließlich doch noch zu befriedigenden Auffindungen kommen, und bin so sehr begierig Ihr Urteil zu erfahren über das bisher zusammengestellte!
Hoffentlich geht es mit Ihrer Gesundheit ganz gut, so dass Sie Ihre reichen Gaben der Geschichte und Ihren Studien ungeteilt hingeben können.
Indem ich Ihnen, mein werter Herr von Mülverstedt, schon im Voraus meinen wärmsten Dank ausspreche für den Einblick, den Sie unserer Geschichte gönnen wollen, bleibe ich allezeit in ausgezeichneter Hochachtung
Ihre von Herzen ergebene A. Gf. Lehndorff geb. Gfin HahnZitierhinweis