Magdeburg, Ende Dezember 1757
Wir sprechen nur von Breslau. Die Wiedereroberung durch den König geschah am
20. Dezember.
[Schließen]Gestern Abend hat uns eine Estafette die Nachricht von seiner Einnahme
gebracht. Aber Euer Königliche Hoheit sind in Berlin und werden das alles besser wissen, als ich es Ihnen
schreiben kann; so verlasse ich diesen Gegenstand, um Sie von den Verhältnissen
unseres bürgerlichen Lebens zu unterhalten, die sicher nicht die des Krösus
sind. Alle Welt sagt sich vertraulich ins Ohr, dass man nicht einen Heller aus
seinen Gütern zieht, und dass man nicht 4 Dukaten in seiner Tasche hat. Der
Baron Müller liegt wirklich zu Bett,
weil er nichts anzuziehen hat, und ich fürchte, wenn diese Dinge sich nicht
ändern, werden wir alle bald dieselbe Krankheit haben. Sie merken wohl,
Monseigneur, nach dieser kleinen Vorrede, dass das Lachen und Spiel hier nicht
die Herrschaft führen; man kann unmöglich ein frohes Fest mit leeren Taschen
haben. Aber da fast jedermann sich in der gleichen Lage befindet, sucht man sich
zu trösten.
Die Prinzessinnen geben kleine Soupers, die man amüsant findet; man spielt gegenwärtig Kartenspiel
[Schließen]Commerce, aus guten Gründen hat man das Glücksspiel
mit französischen Karten
[Schließen]Pharao aufgegeben. Wir haben auch jeden
Mittwoch ein Picknick bei der Witwe des 1751 gestorbenen Feldmarschalls Graf
Samuel Schmettau
[Schließen]Marschallin Schmettau
, die keine Soupers mehr gibt, seit die Pension nur in Papier gezahlt
wird. Graf Staats- und Kabinettsminister
[Schließen]Finck, Herr von Knyphausen, Herr und Frau von Voß, Fräulein von Knesebeck, Louise Cocceji, Gemahlin des Senatspräsidenten im Kammergericht,
nachmaligen Großkanzler von Fürst
[Schließen]Frau von Fürst
, ich und Frau von
Kraut sind dabei. Der Baron Karl Friedrich Kraut war Hofmarschall des
Prinzen Heinrich
[Schließen]Gatte der Letzteren, verrückter und extravaganter denn je, hat
zu unserer großen Freude nicht dabei sein wollen; er nennt diese Partie: das
Spielhaus im vierten Stock, weil die Marschallin oben im Hause von Busch wohnt.
Jeder bringt seine Mahlzeit und Wein mit, und so werden wir allem Anschein nach
den Karneval verleben.
Urteilen Sie, Monseigneur, nun über unser klägliches Dasein nach unseren Vergnügungen und nach
unseren traurigen Lustbarkeiten, so verschieden von denen, an die wir vor zwei
Jahren gewöhnt waren, und die Ihre Güte so heiter und angenehm zu machen
verstand. Ich verbringe oft ganze Abende bei der Frau Prinzessin im Gespräch
über Oranienburg, Ihr Palais und über
all das uns zuteil gewordene Gute und Glückliche. Wir denken mit Bedauern sogar
Prinz August Wilhelm
war im Januar 1757 mit dem König nach Berlin gekommen und durch einen Gichtanfall einige
Wochen dort aufgehalten worden.
[Schließen]an das
[Schließen]und die 14 Tage, wo sie die Gicht hatten: wenigstens
hatte man das Glück, Sie zu sehen, und das in Ihrem Kamin gebratene Hähnchen war
viel mehr wert, als die großen Gastmäler, die uns die Domherren hier geben, wo
die schweren Rheinweine und die Langeweile abwechselnd herrschen. Editorische Auslassung [...]
Der Oberst Kretschmar ist hier seit einigen Tagen; man hält ihn für einen ganzen Ehrenmann, findet ihn aber so langweilig, dass unsere Damen behaupten, man müsse eine Heilige sein, um diese Tugend zu lieben.
Das Französische steht auch nicht mehr in so hoher Verehrung und ich sehe zu meinem großen Erstaunen, dass man anfängt, zu uns guten Deutschen zurückzukehren.
Unsere Königin ist sehr gekränkt, dass sie keinen Kurier aus Anlass von Breslau bekommen hat, während Prinz Heinrich einen erhielt. Wir behaupten alle, es sei ein Missverständnis, weil der König sicher nicht diese Aufmerksamkeit unterlassen haben würde, und so bemühen wir uns als gute Höflinge, die Pille zu versüßen. Prinzessin Amalie war heute auf dem heiligen Christmarkt. Das ist alles Bemerkenswerte, das sich hier begibt.
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