Berlin, Anfang Januar 1758

  Editorische Auslassung [...]  Am 3. Januar 1758. Zur Verabschiedung in Magdeburg und der Reise nach Berlin vgl. Giebel, Tagebücher, S. 408.
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wir haben Magdeburg mit Bedauern verlassen;
Sie wissen, wie angenehm wir dort lebten. Die ganze Stadt war in Bewegung bei unserer Abreise und der ganze Adel in Tränen. Die reichsten Bürger in Uniform, bedeckt mit Bändern, und Musik voraus, geleiteten uns, und die Königin hat Leute von 100.000 Talern während der ganzen Nacht vor ihrer Türe als Schildwache gehabt. Ihre Majestät schlief die erste Nacht in Burg. Wir wurden daselbst mit dem ganzen Gepränge empfangen, das man in so einer kleinen Stadt aufstellen kann. Alle Einwohner hatten Bänder von der Farbe der Zitronen, auf welchen stand: „Es lebe des größten Königs Königin!‟ Sie glichen ziemlich den Sternenrittern in Schweden. Während der ganzen Nacht waren die Fenster illuminiert und die Rufe: „Es lebe die Königin!‟ hinderten jedermann am Schlafen, worüber die Gräfin Camas und noch mehr wir anderen verzweifelten. Das Bewundernswerteste war ein Konzert, das der Magistrat der Stadt uns während des Soupers gab, bestehend aus Pauken und Trompeten; unsere Ohren wurden daher davon nicht so angenehm berührt wie unsere Herzen; die gute Absicht entschuldigt alles.

Wir kamen am anderen Tag in Brandenburg an, begleitet von Freudenrufen, von der Musik der Posthörner und den schlechtesten Staatstrompeten des Königs. Die Domherren und der Dechant empfingen uns; die Frau des Letzteren hat sehr  am 5. Januar
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zur Unzeit
ein Kind bekommen, was uns der Annehmlichkeit beraubte, sie die Honneurs des Kapitels machen zu sehen. Ich verweise Sie auf die  Berlinische priviegierte Zeitung
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Berliner Zeitung
, um darin den Empfang, der uns hier bereitet worden, zu lesen. Niemals ist eine Freude wahrer und aufrichtiger gewesen.

Sie werden bald  Prinzessin Amalie und Prinzessin Anna Elisabeth Luise , Gemahlin des Prinzen Ferdinand von Preußen
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zwei unserer Prinzessinnen
in Breslau sehen, und Fräulein von Knesebeck wird Ihnen eine ausgiebige Schilderung unserer jetzigen Freuden machen.

Ich werde soeben durch einen Mann unterbrochen, der mich beschwört, ihn Ihnen zu nennen; es ist ein junger Gualtieri, der sagt, er habe die Ehre gehabt, Sie in Paris zu sehen. Er scheint Geist zu haben und stirbt vor Sehnsucht,  de Prades, der bisherige Vorleser, war Ende 1757 auf die Festung Magdeburg gebracht worden, da er sich zu Spionagediensten hatte missbrauche lassen. - Einen jungen Kandidaten, der mit „viel Beredsamkeit“ in der Werderschen Kirche gepredigt habe, erwähnt Lehndorff in seinen Tagebüchern am 4. März 1753.
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bei dem Könige als Vorleser angestellt zu werden.
Wenn eine Voltaire vollkommen gleichende Physiognomie, wenn der Titel eines Neffen des verstorbenen Jordan, wenn ihn ein großer Diensteifer für Seine Majestät Ihre Protektion verdienen lassen kann, bitte ich Sie, an ihn zu denken, im Fall, dass Sie ihm nützlich sein könnten.

Zitierhinweis

Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff an Dodo Freiherr von Knyphausen. Berlin, Anfang Januar 1758 . In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_mv4_bhh_2z