Hohendorf bei Stuhm, den 29. Juni 1810

Ihre Zeilen, mein wertgeschätzter lieber Freund, gaben mir einen angenehmen Beweis Ihrer Rückerinnerung und des für mich segnenden geneigten Freundschaftsandenkens - es waren mir daher äußerst angenehme. Er bedauert, dass er von Marienwerder abreisen musste ohne Lehndorffs Ankunft abwarten zu können. Ich konnte also nicht weilen und musste des Vergnügens, Sie zu sehen und zu sprechen, entbehren. Sie haben aber sich getäuscht, wenn Sie mich als zufrieden und glücklich sich gedacht - es ist übrigens sehr freundschaftlich, dass Sie hieran so gütigen Anteil nehmen -, leider umschweben noch immer Sorgen aller Art meine Sinne und das Vermögen meiner guten Frau wird durch schlechte Menschen nun wahrscheinlich zu Wasser gemacht oder wenigstens sehr geschmälert. Doch bin ich in Ansehung der Wahl meiner Gattin, die eine treue liebevolle Mutter meiner Kinder und Freundin meines Herzens mir ist, sehr glücklich. Meine Lage, meine Kinder, meine wenige Aussichten zur Anstellung, körperliche und meine ländliche Verfassung erforderten es, mir eine Gefährtin zu suchen - und ich habe sie gefunden. Nicht so hübsch freilich als ihre ältere Schwester, die Sie kennen - sehr gut kennen -, es ist aber für mein Verhältnis, meine Denkart passend. Jetzt lächelt mir die Zukunft zwar ein wenig, jedoch sind noch große Hindernisse zu bekämpfen um ruhig in den Hafen der Unabhängigkeit einlaufen zu können. Vielleicht aber gelingt es mir, dies Ziel zu erreichen, wozu namentlich das Leben meines guten Onkels gehört. - Ihnen kann ich eher beneiden als bedauern, wenn anders Neid unter uns stattfinden könnte. Sie leben nach meiner Idee unabhängig und dies ist mehr wert als aller Glanz, den die Spada einem Erdensohn geben kann. Sehr wohl haben Sie getan, diese undankbare Welt mit dem Spaten zu vertauschen - ich tat es unlängst, und zwar, wie ich jetzt einsehe, nicht mit gehöriger Vorsicht. Mir war es ein schmerzliches Gefühl, zu einer Klasse Menschen zu gehören, die nur dem Staat lästig und völlig überflüssig sind, für jetzt und Zukunft, und dies bewog mich meinen Abschied ohne alle Unterstützung zu fordern. Herzlichen Anteil nahm ich an der vorteilhaften Übernahme Ihrer väterlichen schönen Güter! Mögten die freien Männern nur Ihren Fleiß belohnen! Hier ist ein Segen in allen Getreidearten zu erwarten und noch sind schöne Vorräte vorhanden. Sollte mein Aufenthalt künftig hier sein, wie ich vermute, so würden Sie mich sehr froh und glücklich machen, bei Gelegenheit, dass Sie diese Gegend passierten, mich zu besuchen. Vielleicht bin ich künftigen Sommer hier. Ich habe einen Ihrer ehemaligen Garnisonkameraden in Pommern viel gesehen und mit ihm viel auch von Ihnen gesprochen. Es ist der Kapt. Löwenfeld Regt. Garde, welcher sich in Pommern mit Urlaub bei einem seiner Bekannten aufhielt. Seine Erscheinung dort war so unerwartet als sonderbar, dessen Frau in Westphalen - er in Pommern. Sagen Sie mir doch, was Sie von ihm sich erinnern. Haben Sie nichts von unserm biederen Larrey gehört? Er ist verheiratet und hat mir seit dieser Zeit nicht geschrieben. Ich wünsche ihm das beste Erdenglück, er verdient es. Der ehemalige Wachtmeister Müller hat sollen wegen eines Subordination-Vergehens totgeschossen werden, ist aber entsprungen. Wie sonderbar die Schicksale von uns Menschen! Unter unserer Leitung hätte er wohl nie eines solchen Verbrechens sich schuldig gemacht. Wohl uns, dass wir uns mit Überzeugung dies sagen können.

Noch etwas von mir. Meine Kinder machen mir viel Freude, sind ziemlich wohl gebildet, sind fleißig, folgsam. Mögte ich doch bald erfahren, dass auch Sie mit Liebe in Hymens Tempel getreten wären. Es gibt auch in diesem Röschen, die Sie so gern zu pflücken und zu verpflanzen pflegen.

Seit unserer Trennung im Adler zu Nancy habe ich noch viele bittere Stunden dort verlebt, und am Ende wäre ich beinah in Strasburg gestorben. Öfter aber mit Müller-Reizenstein u. a. mehr an Sie gedacht. Auch Toulouse frug öfter nach Ihnen. Der arme Kosznicki stand im Begriff, sein schönstes Glied zu verlieren, doch es blieb ihm durch die Kunst des Bombelar noch mit genauer Not.

Damit ich Ihnen nicht Langeweile errege, will ich schließen und Sie bitten, mir ferner in Ihrem Andenken zu behalten. Der höchste Segen sei Ihr Lohn für ihre landwirtschaftlichen Bemühungen im Geiste eines Thaer, dessen Methode Sie, wie ich höre, anfangen zu studieren.

Leben Sie so wohl als es Ihnen aufrichtig wünscht
Ihr aufrichtiger treuer Freund und Diener
v. Puttkamer

Zitierhinweis

Nikolaus Lorenz von Puttkamer an Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff. Hohendorf bei Stuhm, 29. Juni 1810. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_rbk_t4g_hdb