Möckern, 17.4.1888
Gnädigste Gräfin,Vor einigen Tagen war ich in Magdeburg, um den Herrn Oberpräsidenten von Wolff für Ihren Gedanken der Erbauung einer
Gedächtniskirche in Berlin für
unseren unvergesslichen Kaiser Wilhelm
durch die Provinz Sachsen zu interessieren. So sehr derselbe sowohl
das Schöne als das Segensreiche desselben zu würdigen wusste, so konnte ich doch
Herrn von Wolff leider nicht bewegen, an die Spitze des Unternehmens zu treten.
Das durchschlagendste Bedenken für ihn war das, dass es ihm als Königlicher
Beamter, der die Interessen der Evangelischen so gut wie die der Katholischen
wahrzunehmen habe, schlecht anstehen würde, an die Spitze eines Unternehmens zu
treten, dass die Kräfte der ganzen Provinz in Anspruch nehme solle, um nur den
Evangelischen, und zwar nur denen in Berlin, eine Wohltat, wenn auch in Form
eines monumentalen Baus zu erweisen. Besonders jetzt, wo das Verhältnis des
Staates zur Katholischen Kirche ein so delikates sei, sei es für ihn untunlich,
in der gewünschten Weise vorzugehen. Auch noch andere Gründe machten dies
besonders ihm anratsam. Abgesehen davon, dass in der Provinz selbst sich ein
großes Bedürfnis an Kirchen fühlbar mache und ein jeder erst gern sein eigenes
Bedürfnis befriedigen wolle, so glaube er auch nicht, dass die Idee großen
Erfolg haben werde, weil man überall schon am Werke sei, dem verewigten Kaiser
Monumente zu setzen. Jedermann werde in kürzester Frist zwei bis drei Mal zu
Beiträgen zu Monumenten für Kaiser Wilhelm herangezogen werden, denn überall
plane man solche; da werde die Gebelust zu einer Gedächtniskirche schwach
werden. Überdem sei diese Zeit mit ihren warmen Anforderungen an die öffentliche
Mildtätigkeit zur Linderung der Siehe das Dokument
vom 9. April
1888.
[Schließen]Not der
Wasserbeschädigten eine ganz besonders ungünstige. Auch das
kaiserliche Projekt der Erbauung eines Domes, der doch auch aus den Taschen der
Steuerzahler werde errichtet werden müsse, mache Ihrem Plane, gnädigste Gräfin,
eine arge Konkurrenz. Er halte denselben daher für sehr schwer durchführbar und
jedenfalls sei es untunlich für ihn, an die Spitze des Unternehmens zu treten. –
Gefragt, ob er glaube, dass es einem oder einigen Privatleuten möglich sein
werde, die Kräfte der Provinz zu einer derartigen Leistung in Bewegung zu
setzen, teilte er meine Ansicht, dass solches namentlich jetzt nicht möglich
sein werde. Ich bedaure, meine gnädigste Gräfin, Ihnen diesen ungünstigen
Bescheid mitteilen zu müssen, aber wenn der Herr Oberpräsident sich nicht an die
Spitze des Unternehmens stellt und stellen kann, dann halte ich die Sache
allerdings für aussichtslos, wie ich ein solches auch schon erlaubt habe in
meinem ersten Schreiben zu bemerken.
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