Graf Heinrich von Lehndorff.

Graf Heinrich Ahasverus Emil August von Lehndorff aus dem Hause Steinort, Erbherr zu Warglitten und Landkeim im Kreise Fischhausen in Ostpreußen, ist am 1. April 1829 zu Steinort geboren.

Nachdem seine erste Erziehung im elterlichen Hause selbst geleitet worden, besuchte der junge Graf verschiedene Ritter-Akademien und trat mit dem 19. Jahre als Avantageur in das 5. Kürassier-Regiment ein.

Doch schon 1850 zum Seconde-Lieutenant ernannt, erfolgte seine Versetzung nach Berlin ins Regiment Gardes du Corps, und schloss sich später daran die Beförderung zum Premier-Lieutenant 1857 und zum Rittmeister 1859.

Mit dieser Charge war nun die Staffel erklommen, auf der die Söhne des Mars ausharren müssen, ehe sich Gelegenheit zu weiterem Avancement bietet.

Aber vor den Augen der Glücksgöttin - ist sie doch ein Weib - fand die hohe imponierende Persönlichkeit, die kräftige, martialische  Siehe dessen Porträt in: Wagner, Wulf D./Lange, Heinrich, Das Königsberger Schloss. Eine Bau und Kulturgeschichte, Regensburg 2011, S. 155.
 [Schließen]
Gestalt des Grafen Lehndorff
besondere Gnade, sie warf ihm einen ihrer heißesten Liebesblicke zu und heftete sich fortan an seine Ferse.

Im Januar 1856 schon musste er die Reihen der bisherigen Kameraden verlassen, um unter die Zahl der Flügel-Adjutanten seines Königs aufgenommen zu werden.

Hiermit war der Graf auf die erste Sprosse der Leiter gehoben, die hinauf führt zu den glänzendsten Höhen des irdischen Lebens! Seine schöne militärische Figur, seine liebenswürdige interessante Persönlichkeit erwarben ihm bald die volle Huld des Königs, so dass auch das Avancement nicht ausblieb.

Schon am 8. Juni des Kriegsjahres 1866 glänzten die Majors-Epauletten auf seiner Achsel, und zwei Jahre später erfreute ihn sein gnädig gesinnter König an seinem eigenen Geburtstag, am 22. März 1868, mit dem Geschenk des Oberstlieutenants-Ranges.

Der französische Krieg sah den Grafen Lehndorff an der Seite des obersten Kriegsherrn in Feindes Land, und nachdem der greise Monarch nach langer Abwesenheit als Kaiser von Deutschland zu seinem Volke heimkehrte, ließ er den Lieblings-Adjutanten im kommenden Sommer (18. August 1872) zum Oberst avancieren.

Kurz hintereinander folgte nun binnen zwei Jahren die Ernennung zum Kommandeur der Leib-Gendarmen und der Rang eines Brigadekommandeurs, bis wiederum ein kaiserlicher Geburtstag (der 22. März 1876) auch unserem Grafen ein herrliches Angebinde bescherte - die Beförderung zum Generalmajor.

Inzwischen war er aber auch von anderer Seite ausgezeichnet worden, indem der Johanniter-Orden ihn zu seinem Ehrenritter erwählte.

So hat Graf Lehndorff alle Sprossen der Glücksleiter hinter sich gebracht und lebt augenblicklich - nachdem das Jahr 1881 ihm noch den Rang eines Generallieutenants mit dem Titel Exzellenz zugeführt - in voller Manneskraft auf einer der höchsten dieser Sprossen, die ein Sterblicher wohl erreichen kann.

Das Bild eines echten Aristokraten ist Graf Lehndorff, Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle. Selbst ein vorzüglicher Reiter, interessiert er sich auch angelegentlich für den Sport, liebt die Jagd, ist ein vortrefflicher Schütze, was er zur Genüge auf den Sommerreisen Kaiser Wilhelms (in Gastein) bewiesen, wo er im Verein mit österreichischen Edlen oftmals den flüchtigen Gemsen in die luftige Höhe ihrer Schneeberge gefolgt ist und eine gute Anzahl erlegt hat.

Nunmehr siebenzehn Jahre ein ergebener Diener seines Königs, erscheint der Graf immer noch als Repräsentant schönster Männlichkeit in dem Rahmen, der das Bild des preußischen Königshofes mit allen seinen Figuren umschließt. Sein ausgezeichneter, unbestrittener Platz ist neben seinem ihm so huldvoll geneigten Kaiser, und hat derselben den Lieblings-Adjutanten zur Seite, so kann er gewiss sein, dass ein treues Auge ihn bewacht und ein starker Arm bereit ist ihn zu schützen und zu stützen. Dass Graf Lehndorff während seiner glänzenden Laufbahn auch Zitat aus dem Gedicht „Des Mädchens Klage‟ von Friedrich Schiller.
 [Schließen]
„genossen das irdische Glück, gelebt und geliebt‟
, ist selbstverständlich.

Trotzdem aber fehlte ihm immer noch das Eine, welches das Leben seinen Bevorzugten hieniden zu bieten vermag: die treue Liebe eines edlen Weibes und eine eigene glückliche Häuslichkeit!

Zu allen Errungenschaften sollte aber Fortunas Schützling auch dies beides noch gewinnen, bevor sein Fuß an die Schwelle der Türe rührte, hinter der die Jahre liegen,  „Denk an deinen Schöpfer, solange du noch jung bist, ehe die schlechten Tage kommen und die Jahre, die dir nicht gefallen werden. Dann verdunkeln sich dir Sonne, Mond und Sterne und nach jedem Regen kommen wieder neue Wolken. Dann werden deine Arme, die dich beschützt haben, zittern und deine Beine, die dich getragen haben, werden schwach. Die Zähne fallen dir aus, einer nach dem anderen; deine Augen werden trüb und deine Ohren taub. Deine Stimme wird dünn und zittrig. Das Steigen fällt dir schwer, und bei jedem Schritt bist du in Gefahr zu stürzen. Draußen blüht der Mandelbaum, die Heuschrecke frisst sich voll und die Kaperfrucht bricht auf; aber dich trägt man zu deiner letzten Wohnung. Auf der Straße stimmen sie die Totenklage für dich an.‟ (Prediger 12,1-7).
 [Schließen]
„welche den Menschen nicht gefallen‟

Die jugendliche Gräfin Margarethe von Kanitz (geboren den  handschriftlich korrigiert 6. März
 [Schließen]
5. März
1858), einige Zeit Hofdame Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta, wurde das Glück seiner Augen.

Am 26. Oktober 1880 entzündete Hymen für beide seine Fackel! Das zierliche Efeureis rankte sich um den kräftigen Eichenstamm!

Ein am 7. September 1881 geborenes  Wilhelm, geb. 7.9.1881, gest. 18.10.1906
 [Schließen]
Knäblein
, welches außer von dem einen Großen, dem Kaiser Wilhelm, noch von zwei bedeutenden Männern, dem Fürsten Bismarck und dem Generalfeldmarschall Grafen Moltke, aus der Taufe gehoben wurde, machte das eheliche Glück vollkommen.

Mit Befriedigung kann Graf Lehndorff auf seine Vergangenheit zurückblicken, den Reiz der Gegenwart voll genießen und nur den einen Wunsch im Herzen tragen: „möge ihm sein Glück noch lange hold sein!‟

A. Hermanny

Zitierhinweis

Zeitungsartikel. Budapest, 25. April 1882. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_e52_dqj_dbb