Ein Attentat schreibt Kunst-Geschichte
Vier sächsische Museen beherbergen den Kunstschatz einer ostpreußischen Adelsfamilie - Nun wollen ihn die Erben wieder haben
Von Ulrich Hammerschmidt
Chemnitz. 16 Pferde, 30 Rinder, 100 Schafe, dazu jede Menge Silber - das war die Mitgift einer Frau am Anfang des 17. Jahrhunderts, die eine Gräfin von Lehndorff werden wollte. Wohlhabend war die ostpreußische Adelsfamilie und wurde so immer reicher, bis Heinrich von Lehndorff 1944 alles verlor - das Vermögen und sein Leben, welches ihm die Nazis raubten. Der 1909 geborene Graf hatte zum Kreis rund um Stauffenberg gehört und wurde im September vor 65 Jahren hingerichtet.
Gemälde, Möbel, wertvolle Bücher, Porzellan, Silber - sie und vieles andere mehr gehören zum Schatz aus dem masurischen Schloss Steinort, der 1944 nach Sachsen kam, von Hitlers Helfern verschleppt oder bereits vor dem 20. Juli kriegsbedingt ausgelagert. Auf alten Fotografien vom Stammsitz der Lehndorffs sehe man „Kunst wohin das Auge auch blickt‟, erklärt Gerhard Brand. Der Berliner Anwalt vertritt die Erbengemeinschaft der Adelsfamilie, die ihren bis heute auf vier sächsische Museen verteilten Besitz nun wiederhaben will. Betroffen sind zum einen die Burg Kriebstein sowie das Leipziger Grassi-Museum, zum anderem die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Kunstsammlungen Chemnitz.
Während die beiden Ersteren mit sich reden ließen, betont der Anwalt, verfolgten
Chemnitz und Dresden eine „Strategie des Mauerns und Aussitzens‟. Das sagte
Brand gestern der „Freien Presse‟, am 65. Jahrestag des Stauffenberg-Attentats,
welchen das Hamburger Nachrichtenmagazin „ Das Erbe des Verschwörers, in:
Der Spiegel 30/2009
[Schließen]Der
Spiegel‟ zum Anlass genommen hatte, über die
Restitutionsansprüche zu berichten. Mit einem Antrag der Familie 1992 an das
Bundesamt für offene Vermögensfragen hatte alles begonnen. Zwischenbilanz nach
17 Jahren: „Trotz intensiver Bemühungen wurde bisher kein einziges Stück
zurückgegeben - das ist beschämend, peinlich‟, findet Brand, der in ähnlichen
Angelegenheiten auch das Haus Wettin vertritt.
Streiten? Nein, das will sich Bernd Wippert mit den Lehndorffs nicht. Der Schlossleiter von Burg Kriebstein hat mit der Familie längst seinen Frieden gefunden: Seit 1995 gibt es eine deutschlandweit einmalige Lehndorff-Gedenkstätte im Museum und ein „Schatzgewölbe‟ voll mit Kunst aus dem Schloss Steinort. „Woher diese kommt, haben wir öffentlich gemacht - wir mauern und mauscheln nicht, verheimlichen nichts‟, betont Wippert. Der Lehndorff-Schatz, in der DDR pauschal als Volkseigentum deklariert, wurde nach der Wende gehoben, restauriert und mit Texten beschriftet, die keinen Zweifel an der Herkunft lassen.
„Vorbildlich‟ nennt das Anwalt Brand. Und Museumschef Wippert kann es sich vorstellen, dass „wir das, was wir haben, eines Tages auch wieder rausgeben‟ - um damit eine geplante deutsch-polnische Begegnungsstätte auf Steinort zu bestücken. „Dies ist eine Vision der Familie, nur darum geht es Vera von Lehndorff, der Tochter‟, betont Brand. Dazu müsse der verfallene Adelssitz aber erst einmal saniert werden. Erst danach sei an eine Rückkehr der Kunst gedacht.
Das Ansinnen seiner 70-jährigen Mandantin, die in den 1960er Jahren als Top-Model
„Veruschka‟ bekannt wurde, stößt dagegen in Dresden auf Widerstand. Die Position
der Staatlichen Kunstsammlungen: Bei einem Teil der beanspruchten Objekte,
darunter ein Das Gemälde wird bereits im
Testament
des Grafen Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff als
Familienbesitzgenannt, weitere Gemälde sind in späteren Inventarlisten verzeichnet.
[Schließen]Familien-Gemälde Tischbeins
und etliche Lexikon-Bände, die von Kriebstein aus in deren
Bestand kamen, können man sich nicht absolut sicher sein, ob sie den Lehndorffs
oder der einst auf Gut Steinort lebenden Familie
von Lorck gehörten. Die Lorcks wiederum hätten keinen
Restitutionsanspruch gestellt. „Weil keines der Bilder aus ihrem Besitz stammt -
das haben die von Lorcks bestätigt‟, hält der Anwalt dagegen.
In der Basilika Wechselburg wiederum war um 1945 ein weiterer Teil der Nazi-Raubkunst gelandet, der danach in die Bestände der Kunstsammlungen Chemnitz kam. Darunter eine Truhe von 1622, heute im Besitz des Schlossbergmuseums, und ein Klavier, das die Chemnitzer als Leihgabe ans Leipziger Grassi-Museum gaben. Während das Grassi ihm bereitwillig Einblick ins Depot gewährte und gestern seine Bereitschaft signalisierte, zwei Möbelstücke an die Lehndorffs zurückzugeben, hat Chemnitz bisher „nur gemauert‟, ärgert sich der Anwalt. Damit scheint nun Schluss zu sein. Die Truhe, ein Dokument und das Klavier könnte die Familie wiederhaben, erklärte der Chemnitzer Bürgermeister Miko Runkel gestern. Bleiben weitere sechs Objekte, deren Herkunft nicht eindeutig sei. Runkel: „Da wollen wir nun abwarten, wie das Bundesamt für offene Vermögensfragen entscheidet.‟
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