Nazirummel in Angerburg
Bereits Monate hindurch arbeiteten die Hakenkreuzler in Vgl. die Berichte in der Akte.
[Schließen]unzähligen Versammlungen im Kreise, um
der SPD das Wasser abzugraben und um sich auf diesen großen Tag vorzubereiten.
Leider es ist nicht geglückt. Die SPD und die freien Gewerkschaften, die Sport-
und Jugendorganisationen haben sich weiter entwickelt. Auch der Tag der
Fahnenweihe der Nazis am 18. d. M. war ein Reinfall. Zuerst hatte man Bataillone
angekündigt; in den letzten Tagen sollten es nach der Lokalpresse nur 500 Mann
sein. Heute war es nur kaum die Hälfte davon, die in bunter Indianerbemalung
durch die Straßen marschierte. Aus Osterode, Liebstadt, Königsberg
usw. hatte man sie zusammengeholt. Trotzdem langte es nicht zu einem Bataillon.
Aus der Stadt Angerburg waren es
ganze 20 Mann, Dr. jur. Otto Braun, Bürgermeister a. D., dessen Stellungnahme vom 6.
Juni 1930 in der Akte, Bl. 136-136v, ein Brief an Gauleiter Koch vom 5. September 1930, Bl.
143-143v.
[Schließen]davon 17 Anstaltsangestellte und
Arbeiter der Angerburger Bethesdaanstalt, die der Sohn des Anstaltsleiters in die
gelbe Schießbudenuniform hineingepresst hatte. „Nehmt es uns nicht übel, wir müssen es tun,
sonst verlieren wir unsere Arbeitsstelle‟, war vielfach die Antwort dieser
zwangsweise zusammengeschleppten Arbeiter. Diejenigen Anstaltsarbeiter, die an
diesem Nazijahrmarkt teilnahmen, erhielten eine monatliche Zulage von 4,00 Mark
und außerdem am Tage vor dem Rummel eine Extrazulage von 2,00 Mark und den
Sonnabendnachmittag frei. Die Anstaltspferde wurden gleichfalls den Nazis als
Reitpferde zur Verfügung gestellt.
Diesem Missbrauch der Anstaltsbediensteten sowie der Einrichtungen der Anstalten für parteipolitische Zwecke wird von den republikanischen Kreisen entschieden entgegengetreten werden müssen. Vor allem werden es sich Andersgesinnte sehr überlegen müssen, ob sie den Kollektanten der Angerburger Krüppelanstalten die Sammelbüchsen füllen sollten, wenn der Sohn des Anstaltsleiters damit parteipolitischen Missbrauch treibt. Ehrliche politische Kämpfer würden es ablehnen, in dieser Weise Parteipropaganda zu treiben.
Wenn man sich das Häuflein Nazis ansah, so konnte man sich ein Urteil über diese
Partei bilden. Es ist lediglich eine Organisation abgetakelter alter Offiziere
und solcher, die es werden wollten, Später
wollte man diesem „Spießerpublikum“ keine
„Konzessionen“ machen und „nur deshalb Pg. Prinz
August Wilhelm als
Redner einsetzen, weil er zufällig ein Hohenzollernprinz
ist“, der im Auftrag der SA-Verwundetenhilfe in zwei
Versammlungen in Ostpreußen gesprochen hatte (Bl. 166). Zu dessen
Unterstützung des Nationalsozialismus: Machtan, Lothar, Der Kaisersohn
bei Hitler, Hamburg 2006.
[Schließen]von verkrachten
Gutsbesitzern und Spießbürgern, also ein Sammelsurium von
Leuten, die den Kampf um die 1918 verloren gegangenen Futterkrippe führen. Sie
können nur existieren, wenn sie den Staat beherrschen und das werktätige Volk,
ob Arbeiter oder Bauer, wie in der Vorkriegszeit aussaugen und entrechten
können.
Die Ansprachen des Generalssohnes Litzmann und von Gilgasch -Insterburg waren dem phrasenhaften Schlagwortlexikon der Nazis entnommen. Sie sprachen von dem allein selig machenden Dritten Reich, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Herz und eine Seele sein werden. Sie schimpften auf die vollgefressenen Spießbürger in den bürgerlichen Parteien. (Dass ihre Lokalhelden Rogall-Kruglanken und Braun-Angerburg von den vollgefressenen Spießbürgern nicht zu unterscheiden sind, hatten die Festredner übersehen.) Vor allem aber galten ihre Hassreden der Sozialdemokratie.
Nicht der Hass der Nationalitäten, nicht die politische und wirtschaftliche Entrechtung der Werktätigen, sondern der Geist der Völkerverständigung, wie ihn die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften erstreben, wird die Menschheit zum Frieden und zur Befreiung führen.
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