adler Handschriften zu und nach der Vorlesung über Physische Geographie:
Beschreibung ›Ms Philippi‹
Fundort: Berlin
Knopf

1. Die äußere Beschaffenheit

Halblederband der Zeit, ein bräunliches Rückenschildchen 'I. KANTS Physische Geographie' und ein rotes mit der Signatur 'Ms. Diez. C. Quart. 16'. Auf ein leeres Vorsatzblatt folgt ein ebenfalls nicht gezähltes Titelblatt, dessen untere Hälfte weggeschnitten ist. Anscheinend soll ein von anderer Hand (Diez) stammender, am unteren Rand des verbleibenden Teiles plazierter Vermerk eine durch den Beschnitt aus dem Ms verschwundene Angabe kompensieren: 'Koenigsberg 1772'. Verso des verbliebenen Blattrestes informiert ein roter runder Stempel: 'Ex / Biblioth. Regia / Berolinensi.' Eine Seitenzählung mit Tinte beginnt auf der ersten Textseite, die auf das Titelblatt folgt. Das letzte, nur auf der Vorderseite beschriebene Blatt (S. 341) zeigt verso denselben Stempelabdruck der Berliner Bibliothek; es folgen noch 13 unbeschriebene Blätter. Mit Blei ist die Seitenzählung fortgeführt bis S. 365. Es scheint, als ob der Halblederband schon gebunden war, ehe der Text hineinschrieben wurde: Rechts und unten sind die Blätter nicht beschnitten. Die Tinte changiert zwischen braun und schwarz, gelegentlich sind die Marginalien von anderer Färbung als der Text, z. B. S. 97. Text und Marginalien sind von einer Hand: Wilhelm Albert Ferdinand Philippi, einem Sohn des Berliner Polizeipräsidenten Albrecht Philippi (1721-1791); zur Identifikation Stark 1987. Der Text ist durchgehend in deutscher Kurrentschrift abgefaßt; Eigennamen zeigen hingegen meist eine lateinische Schreibschrift. - Eine Bogenzählung findet sich nicht.

Die Transkription zählt beginnend mit der 1 auf der ersten Textseite vollständig und kohärent durch bis p. 341. Im Ms finden sich zwei einander kompensierende Fehler bei der Paginierung: auf p. 305 steht die Zahl '303', anschließend wird weitergezählt von '304' bis '312', dann werden zwei Zahlen übersprungen, sodaß auf p. 315 die Seitenzahl des Ms wieder mit der Zählung der Transkription übereinstimmt. Die S. 83 bis 96 sind leer; sie folgen auf den Schluß des zweiten Teils der Vorlesung. - Die an Handschrift und Inhalt eindeutig kenntlichen fünf späteren Zusätze stammen von Diezens Hand: p. 9, 15, 34, 35, 44. - Die drei Entstehungsschichten der Handschrift sind in der Transkription farblich markiert.

Mühlenzeichen des Schreibpapiers: Nicht festgestellt.


2. Die innere Struktur

Wie Ms Holstein; mit Ergänzungen im Text und auf den seitlichen Rändern des Ms. Diese Veränderungen am Text des Kantischen Konzeptes (Ms Holstein) sind in die Königsberger Zeit (25. März 1771 bis Frühjahr 1774) des schließlich in Berlin ansässigen Juristen zu setzen. Aus dem sachlichen Gehalt der Zusätze geht zudem hervor, daß diese nicht vor dem Sommer 1773 abgefaßt worden sein können. Damit dürften diese Notate unmittelbar nach der Etablierung der Anthropologie-Vorlesung im Winter 1772/73 entstanden sein.


3. Einzelheiten

  1. Tabelle der Quer-Verweise
    Teil 1, p. 001ff.
    [Physische Geographie]
    Teil 2, p. 097ff.
    [Naturgeschichte]
    Teil 3, p. 198 - 341
    [Geographie]
    Uebernehmen und aendern aus Holstein

  2. Externhinweise

    Keine Abweichungen gegenüber Ms Holstein.


  3. Lücken

    Text, p.: 195 [⇒ (glossopetrae)] / 267 [⇒ Pud] / 303 [Anscheinend nur 'Absatz'] / 305 [weiterer Ort bei Swacken?]; p. 267 und 305: wie Ms Holstein.
    Marginalien, p. 113 [⇒ Salami]


  4. Doubletten, Dittographien und Auslassungen

    Im Vergleich zum Ms Holstein zeigt sich: Zu Beginn (bis p. 18) wird der Text eigenständig (weitgehend identisch mit Ms Friedländer, p. 1-35) formuliert; anschließend wird zu einer bloßen Abschrift des Kantischen Konzeptes (Ms Holstein) übergegangen; ab und an mit erweiternden Einschüben versehen zieht sich dieses Vorgehen bis zum Ende des ersten Teils der Vorlesung (p. 1-82: Physische Geographie). Im zweiten Teil (p. 97-197: Mensch / drei Reiche der Natur) werden derartige aktualisierende Zusätze ausschließlich auf dem Rand der fortgeführten Abschrift vorgenommen. Im dritten Teil (p. 198-341: Geographie / Vier Erdteile) sind deutlich spärlicher marginale Erweiterungen zu beobachten. - Im Detail zeigt sich, daß Philippi bei der Abschrift nur ein gravierender Fehler unterlaufen ist; p. 134 ist der kurze Absatz über »Langgeschwänzte Affen oder Meerkatzen« (Ms Holstein, p. 163) ausgelassen.

    Zahlreiche Stellen des philologischen Apparates in der Edition des Ms Holstein zeigen, daß das Ms Philippi weit überwiegend eine von diesem Ms unabhängige Abschrift der beiden zugrunde liegenden - unbekannt gebliebenen - Vorlage ist.


  5. Einzelbeobachtungen

    Im Redestil des Philippi eigenen Textes sind keinerlei Auffälligkeiten festgetellt.

    Im Vergleich mit den beiden anderen unter dem Namen von Philippi überlieferten Nachschriften Kantischer Vorlesungen zeigt sich das folgende: Geographie und Anthropologie sind von Philippi selbst geschrieben; in der Logik hingegen stammen von seiner Hand ausschließlich Zusätze und Marginalien. Philippi darf zu den Hörern der ersten, von Kant im Winter 1772/73 neu einführten Anthropologie-Vorlesung gerechnet werden; denn seine Unterschrift findet sich nicht auf der Belegliste für die Anthropologie des folgenden Winters 1773/74. (Erhalten in der New York Public Library, Lee Kohns Memorial Collection. Box 9.). Seine Nachschrift der Anthropologie enthält den bis dato frühesten Beleg zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen beiden von Kant in Königsberg etablierten Vorlesungen, die den Horizont seiner Studenten erweitern sollten:

    • p. 2r: »Die Kentniß, die Wissenschaften gehörig anzuwenden, ist die Weltkentniß. Diese Weltkentniß besteht, in der Kentniß des Menschen, wie wir ihnen gefällig werden können etc. Die Weltkentniß verhütet also daß aus Gelehrsamkeit nicht Pedantery wird. Die Kentniße der Merkwürdigkeiten der Natur, wird auch zur Weltkentniß mitgerechnet. Die physische Geographie und Antropologie machen also die Weltkentniß aus.«

4. Summarische Charakteristik

Der anfängliche Versuch von Philippi, eine eigenständige Nachschrift der Vorlesung anzufertigen, wird zugunsten einer Abschrift des schriftlich vorliegenden älteren Konzeptes zur Vorlesung abgebrochen. In den beiden letzten Teilen der Vorlesung finden sich kurze marginale Ergänzungen, die - aufgrund der verwendeten literarischen Quellen - den Sommer 1773 als Datum der angehörten Vorlesung erzwingen. - Es ist offen, ob Philippi über die Entstehungszeit des Konzeptes (1757/59) informiert war.


Datum: März 2016 / März 2017 / 04.07.2017