Akademievorlesung: "Koevolution von Technik, Wirtschaft und Gesellschaft"
zum Jahresthema 2009|2010
Vorträge und Diskussion
mit Prof. Dr. Dr. h. c. Randolf Menzel, Institut für Biologie/AG Neurobiologie, Freie Universität Berlin, und Prof. Dr. Markus Vogt, Lehrstuhl für Christliche Sozialethik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Moderation: Prof. Dr. Dr. h. c. Richard Schröder
Abstract Randolf Menzel:
Man könnte die Zumutung des Widerspruchs zwischen Evolution und Schöpfung klein reden, indem man eine Trennung von Wissen und Glauben postuliert und gleichzeitig annimmt, der Glaube würde die tiefere Wahrheit betreffen. Dies lässt sich mit unserer alltäglichen Erfahrung nicht vereinbaren. Die Naturwissenschaft weiß um ihre Grenzen und nimmt nicht in Anspruch, die volle oder einzige Wahrheit zu erkennen. Auch darin unterscheidet sie sich von der Theologie. Die Evolutionstheorie ist die wichtigste und am besten belegte Theorie der Lebenswissenschaften, auch wenn sie „nur“ im Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten experimenteller Erfahrung gilt. Um Wissen und Glauben einander näher zu bringen und für jeden einzelnen widerspruchsfrei erleben zu lassen, sollte „Gott“ (oder das „schöpferische Sein“) nicht wie im christlichen Sinne als eine außerhalb von uns wirkende Kraft verstanden werden, sondern als ein in der Evolution des Menschen entstandener neuronaler Mechanismus mit dem die Welt zugänglich gemacht wird. In diesem Sinne wird der Vorgang der Evolution nicht frei gegeben für eine Ausdrucksform des Schöpfergottes, sondern Gott selbst wird zum Ergebnis der Evolution des Menschen.
Abstract Markus Vogt:
Evolution ist Ausdruck des schöpferischen Seins. Deshalb ist der vermeintliche Gegensatz von Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube theologisch unsinnig. Es gibt jedoch vielfältige Grenzüberschreitungen im Ringen um die weltanschauliche Leitfunktion von Naturwissenschaft oder Theologie/Philosophie. So wird etwa im Neodarwinismus der Erklärungsanspruch von Zufall und Selektion für die Entwicklung des Lebens überschätzt. Theologie muss heute neu lernen, statische Denkmodelle zu überwinden und beispielsweise die Würde der Person weder naturalistisch noch metaphysisch-abgehoben zu begründen. Die Differenz zwischen Evolution und Geschichte bleibt letztlich ein Rätsel.
Die Akademievorlesung
Die Akademievorlesung „Koevolution von
Technik, Wirtschaft und Gesellschaft“ findet im Rahmen des Jahresthemas
2009|2010 „Evolution in Natur, Technik und Kultur“ statt. Dabei werden
Schlaglichter auf das Verständnis und die Übertragbarkeit des
Evolutionskonzeptes und seiner unterschiedlichen Bedeutungen in den
verschiedenen Wissenschaftsgebieten geworfen.
In insgesamt
sieben Veranstaltungen bringt die Akademie Kultur- und
Sozialwissenschaften mit Natur- und Technikwissenschaften ins Gespräch. Dazu nähern sich jeweils zwei Referenten
den verschiedenen Facetten des Evolutionskonzeptes, einmal aus natur-
oder technikwissenschaftlicher und dann aus geistes- oder
kulturwissenschaftlicher Sicht.
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Kommende Akademievorlesungen:
17. Dezember 2009: Zur Evolution sozialer Systeme
14. Januar 2010: Simulierte Welten – Evolution in der Virtualität
4. Februar 2010: Zeit – Schlüsselvariable der Evolution
11. Februar 2010: Darwins Dilemma: Die Evolution des Altruismus und die Ablehnung des Fremden