Friedrichstein, 13. November 1835

Lieber teurer Onkel,

es gehörte zu meinen liebsten Hoffnungen, bei meinem diesmaligen Aufenthalt in Preußen Dir einen Besuch in Steinort machen zu können, zu dem Du mir so gütig die Erlaubnis erteilt hattest und der mir ohnehin so sehr am Herzen lag, schon allein, um die geliebten Kinder kennenzulernen, die ich innig in mein Herz schließe, leider immer noch, ohne sie zu kennen. Nun aber ist der größte Teil meines Urlaubs über eine Familienkonferenz in Quittainen hingegangen, und wenn ich wirklich noch einen Ausflug nach Steinort betreiben könnte, so muss mich dennoch die Unsicherheit abhalten, ob ich Dich noch dort antreffen würde, da ich in Königsberg gehört, dass Du vielleicht nächstens dorthin kommen würdest. Ich erlaube mir daher, Dich schriftlich gehorsamst anzufragen, ob unter Deiner vortrefflichen Zucht sich vielleicht wieder ein für mich geeignetes Pferd gegenwärtig vorfindet: zwischen 3 und 5 Zoll groß, nicht jünger als im nächsten Frühjahr 5 Jahre alt (aber auch darüber), gut gebaut und ansehnlich, nicht zu fein, kurzum ein Garde du Corps-Pferd, das Hoffnung gibt, so gut einzuschlagen, als der Leonardo, den Du mir im vorigen Jahr verkauftest und mit dem ich sehr zufrieden bin. Ich reise schon Sonnabend, den 21. d. M. von Königsberg wieder ab und bitte Dich daher um die Gnade, lieber Onkel, mir einen Bescheid recht bald gewogentlich zu erteilen, damit ich nach Maßgabe der Antwort noch fernere Disposition in Königsberg treffen kann. Alle näheren Verabredungen über Transport pp behalte ich mir vor, sobald die Hauptsache feststeht, dass ein Pferd da ist. Nur den Preis würde ich untertänig bitten mir auch gleich anfangs zu fixieren. Du sprachst mir im Sommer von einem Hellbrauen, der sich für mich eignen würde, und ich bereue sehr, nicht gleich darauf Beschlag gelegt zu haben, da er nun vielleicht (wie  Graf von Dönhoff, Neffe Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorffs
 [Schließen]
Emil
vermutet) nicht mehr vorhanden sein wird. Ich hatte damals noch nicht die vollständige traurige Gewissheit meines kläglichen Pferdezustandes, da ich in diesem einen Jahr 3 treue Pferde eingebüßt habe, eines an  Blatt- und Schulterlähmung
 [Schließen]
Buglähmung
, eines an  Kreuzverschlag,Entzündung der Rückenmuskulatur
 [Schließen]
Verschlag
und eines an  Lungenemphysem
 [Schließen]
Dämpfigkeit
.

Ich bin seit der letzten Hälfte des vorigen Monats hier im Lande, wo ich mit meinem jüngsten Bruder zusammen eintraf. Eugen ist aber gleich von Quittainen aus wieder nach Berlin zurückgekehrt, da der heutige Geburtstag seiner hohen Herrin ihm nicht längere Frist vergönnte. Er hat seinen prächtigen Jungen nach langer Trennung wieder mit sich genommen.

 Dönhoff?
 [Schließen]
Amelie
, die neben meinem Schreibtisch sitzt, empfiehlt sich angelegentlich Deinem gütigen Andenken und ich bitte, teurer Onkel, um Deine fernere unschätzbar freundliche Gewogenheit.

Dein gehorsamster Neffe Louis Carl Dönhoff

PS. Solltest Du vielleicht, lieber Onkel, die Absicht haben, schon in künftiger Woche nach Königsberg zu kommen, so sei so gut, mir die beiden dem  Dönhoff?
 [Schließen]
August
verheißenen Exemplare Deines Brustbildes mitzubringen, um die August mich in jedem Briefe moniert.

Zitierhinweis

Louis Graf von Dönhoff an Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff. Friedrichstein, 13. November 1835. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_oq3_1d3_wz