(Als Manuskript gedruckt)
Am 18. Dezember 1868
Beinahe wär' ich heute nicht zu Ihnen gekommen
sondern hätt' einen Platz bei
den Linken genommen;
aus Irrtum kam ich in den unteren Saal,
wo alles
auch bereit war zum festlichen Mahl;
doch ward ichs zur rechten Zeit noch
gewahr
und mache nun meines Versprechens mich bar,
ich trage vor das
mühsam fabrizierte Gedicht
und bitte nur wieder: kritisieren Sie nicht.
Die Debatten
Gilt es noch: „nach getaner Arbeit ist gut ruhn,
da mag man mit Freunden
sich gütlich tun‟,
dann können mit Recht wir der Ruhe pflegen
und
dürfen darob kein Bedenken hegen.
Wir können auch trinken den besten Wein,
auch heiter und ganz gemütlich sein;
denn wir waren seit Wochen in
heißem Streit
und haben gekämpft mit Beharrlichkeit,
und haben
Vormittags, selbst Abends getagt,
als Vertreter des Landes uns ehrlich
geplagt.
Fast ist es vorüber. Doch Sinnen und Denken
will von dem
Erlebten sich noch nicht weglenken,
wir haben so manches gehört und
erfahren,
was treu im Gedächtnis wir müssen bewahren.
Drum schick ich
mich an, es in Reime zu bringen,
weil so das Behalten wird besser gelingen.
Im Anfang ging es glatt und ruhig einher,
man vernahm kaum eine
geharnischte Rede mehr,
für Finanzen und Handel war ja alles gewährt,
der Landwirtschaft auch nur weniges verwehrt;
mit Domänen und Forsten
man später auch glimpflich verfuhr,
und beim Auswärtigen von Opposition
fast keine Spur.
Das Justizministerium gar freundlich begann,
ja!
Lasker schon auf ein Dankesvotum sann,
da plötzlich die Situation eine
andre ward
und die Parteien aneinander gerieten hart.
Es galt einem
Anwalt beim Obertribunal,
da nicht mehr genügte die jetzige Zahl,
klar
ward dem Hause dies dargelegt,
und doch dagegen die Opposition sich regt:
„weg mit dem Anwalt, den braucht man ja nicht,
der Geschäfte sind
nicht so viele bei diesem Gericht.‟
Schon das verstimmte, - doch ward es
noch schlimmer
und erlosch auch der letzte Vertrauensschimmer,
als die
1.000 Taler an die Reihe kamen
und wir mit der Regierung als gewiss
annahmen,
es werde die Linke das Gesetz respektieren
und die Diäten
fürs Obertribunal dekretieren.
Weit gefehlt - jetzt erhob sich die
Opposition,
ihre Redner, sie stimmten an einen Ton, -
sie wollten zur
Aushilfe keinen Groschen gewähren,
und sollt' man der prompten Rechtspflege
entbehren.
Das musste den Minister der Justiz empören
und scharfe
Worte bekamen die Herren zu hören.
„Je freier ein Volk, desto höher man
ehrt
den ersten Gerichtshof und hält ihn auch wert.
Von dem Könige bin
ich zum Minister ernannt,
dass aus den Gerichten Parteilichkeit bleibe
verbannt,
dass eine prompte Rechtspflege werd' weiter geübt,
wie
solche stets König und Land hat geliebt.
Ich werde energisch dieses
Auftrages pflegen,
daran soll niemand einen Zweifel hegen,
liberalisierende Neigungen besitze ich nicht,
mit Parteien zu
liebäugeln mir widerspricht,
streichen Sie die Diäten, ich geb' sie doch
aus
und lege sie nachträglich vor dem Haus,
und entsteht aus dem allen
zuletzt ein Konflikt,
die Regierung vor solchem dann auch nicht
erschrickt.“
Das fiel wie eine Bombe ins Pulverfass
und Worte vernahm man wie im
glühenden Hass.
Ein Schreien und Toben durchs Haus erschallt,
bei dem
selbst die Glocke des Präsidenten verhallt;
von Drohung spricht Twesten,
von Provokation
und weist auf Vergangenes hin mit Hohn,
er, der doch
den Männern war zugesellt,
die dem Ministerio versagen wollen das Geld.
Schon wollte man holen den berühmte Hut,
der – wie man weiß – wahre
Wunder tut.
Welch ein Moment! Auf der Tribüne Freund Heise:
„ich habe
das Wort!“ - doch in ungestümer Weise
des Hauses Ordnung Herr Lasker
durchbricht
und diese geflügelten Worte spricht.
„Herr Präsident! Ein
Teil des Hauses ist so erregt,
des Ministers Rede hat ihn so bewegt,
dass jetzt es unmöglich ist, zu debattieren,
wir müssen vielmehr uns
erst restaurieren.“
Sofort Herr Windthorst entgegnet ihm:
„für eine
solche Versammlung sich Ruhe geziem',
dass Männern gebühre, Erregung zu
dämpfen,
sonst fern zu bleiben parlamentarischen Kämpfen.“
Auch
Jacobi, der Frager, gar nichts wissen will
von Erregung - in ihm sei es
gänzlich still -,
denn was er gehört aus des Ministers Munde,
das sei
in Taten längst kommen zu unsrer Kunde.
Freund Heise ruft wieder: „ich habe
das Wort“ -
drauf spricht der Präsident: „so fahren Sie fort,
ich ließ
mich verleiten einen Augenblick,
das Wort an andre zu geben, das nehm ich
zurück.“
Und Heise entwickelt des Hauses Position,
wie weit seine
Rechte in der Konstitution;
und damit legte sich die große Bewegung,
es ward wieder still nach der heftigen Erregung –
man stand auch von
weiteren Schritten ab,
weil man sonst brach über sich selbst den Stab.
Der Etat des Innern, wie heftig ging’s da sonst zu,
diesmal ward er
abgemacht fast ganz in Ruh.
Es kam ihm zustatten, was bei der Justiz
geschah,
da die Linke sich nun einen andren Zielpunkt ersah.
Doch
etliches ist auch aus diesem Etat zu notieren
und ist in die
Gedächtniskammern zu speditieren.
Wie viel ward doch von Selfgovernement
geredet, und fragte man, immer was anderes genannt;
auch Zentra- und
Dezentralisation,
und dass davon abhange die Zivilisation,
kurz ent
und on flog hin und her,
man hatte zuletzt kein Verständnis mehr.
Auch
sprach man von Dächern und Fundament,
und von Österreichs echt freisinnigem
Regiment,
auch von Humboldt, der bereits vor 100 Jahr,
obwohl er da
eben geboren war,
die Selbstverwaltung hab' eingeführt
und sich dabei
als Liberaler geriert.
Als man dann kam an Hannovers Organisation
und
an die dem Staat dazu ausgesetzte Position,
wie konnten da Grumbrecht und
Lauenstein
in ihren Reden so konservativ doch sein,
wie konnten den
Minister sie so unterstützen
und der Regierung in ihrem Streben so nützen.
Ja, ja! so sind sie immer, wenn’s Hannover gilt,
mit Unrecht man dann
sie Liberale schilt;
doch für das Wohl des Ganzen fehlt ihnen der Sinn,
dafür geben sie von dem Ihren nicht das geringste hin.
Was sind die
Herren? konservativ? liberal?
Hannoveraner sind sie – das ist ihre Wahl.
Zu Vorwürfen ließ sich Bennigsen verleiten,
wollte Kraft, Energie dem
Minister bestreiten,
wie schlagend, gleich allem andern, hat der auch das
widerlegt.
Siegreich überall; auch als Rohland einen Sturm erregt
wider die geheimen Ausgaben, wie fein antwortet er drauf:
„ich fürchte
nicht, dass dies bringt ungünstigen Lauf
in die Abstimmung“ – wie war doch
das Resultat?
mit 228 gegen 109 der Minister den Sieg errungen hat.
Wie war in der Debatte auch das uns ein süßer Klang,
Dass es noch nicht
geschehen, warum uns oft bang,
dass es noch nicht gibt eine preußische
Armee,
die fest um den Thron unsres Königs steh.
Aus diesem Etat noch gedenken Sie der einen Fraktion,
eh' ich sie nenne, da
kennen Sie sie schon,
wo die Häupter oft stimmten gar kurios
und die
andern sich machten von den Führern los.
Zuletzt noch erwähn' ich der scharfen Debatten,
die uns sieben Tage
beschäftigt hatten,
in denen die Linken ihre Kraft aufgewandt,
nachdem
es schon längst war durch die Zeitungen bekannt,
dass man das System Mühler
müsse vernichten
und darauf vereint seine Angriffe richten.
Erwarten
Sie nicht, dass ich auf die bittern Stunden
und auf die Lästerreden, die
tiefe Wunden
in das Herz eines jedes gläubige Christen müssen schlagen
werd verweisen und noch ein Wort darüber werd sagen.
Durchs Land wird
es gehen von Mund zu Mund,
dass die Fortschrittler harren mit Begier der
Stund',
da nicht die Konfession aus den Schulen wird kommen, nein!
die
Christlichkeit ihnen überhaupt wird genommen.
Die Gemüter wird das erfassen
mit Entsetzen
und wird sie in der Tiefe des Herzens verletzen.
Auf
Heiteres noch will ich die Gedanken lenken,
mögen Sie mir dazu eine Minute
noch schenken.
Antifriderizianisch – was mochte das sein?
Freund
Wantrup hats charakterisiert und wie fein
hat er dabei Manches Standpunkt
enthüllt,
der uns hat oft mit Befremden erfüllt.
Wie ward man erinnert
an quadrupedante putrem
und gehört doch alles, was er sagte, ad rem;
auch dass in der Verbindung von konservativ mit frei,
dies doch gewiss
kein alpha privatum sei.
Wie köstlich war das, was von lammfromm und
Liebesblick
er einwob in seine Rede mit solchem Geschick;
und das auch
der Affentheorie er nicht vergaß,
von der dann Herr Virchow gar ernst sich
vermaß,
dass sie die fortschreitende Entwicklung supponiere,
die
Dogmatik den Menschen wieder zum Affen führe;
dass der Knabe Veit
auch seine Stelle fand,
gegen den doch vornehmlich wird Sturm gerannt;
dass Friedrichs Ausspruch: selig nach seiner Façon
geschützt ward vor
der Verdrehung in sans façon;
dass mundus decipiatur, so decipi vult
nicht ausgelegt werde, als träf' uns eine Schuld;
dass selbst des
Schnurrbarts der Lehrer ward gedacht
und dadurch das ganze Haus ward heiter
gemacht.
Mit „Brandreden“ hatte Wantrup freilich kein Glück,
doch
verbesserte er sich gleich im Augenblick. -
Nun sei es genug. Nur das muss
ich noch sagen,
so werden es die Linken wohl wieder nicht wagen,
denn
vor der Ruhe und Würde, mit welcher der Minister sprach,
sich die Kraft
ihrer Worte und Angriffe brach.
So schauen wir denn jetzt mit Freuden zurück
auf die Debatten über den Etat
– und unser Blick
richtet fröhlich sich hin auf die herrliche Zeit,
da
es wieder schallt durch die Christenheit:
Welt war verloren,
Christ ward geboren,
freue dich, freue dich,
Christenheit!
O, gebe der Herr uns gesegnetes Fest
und in diesem Fest,
was das Allerbest’,
ein frommes, kindlich gläubiges Herz,
das demütig
im Glück, getrost bleibt im Schmerz.
Lass es das Jahr uns beginnen aufs
Neue
mit den Gefühlen inbrünstiger Liebe und Treue
gegen Ihn und gegen
den König, unsern Herrn,
(dem wir doch von Herzen dienen so
gern).
Und kehren wir wieder, wir bieten die Hand´
den Herrn Ministern
im Dienst für’s Vaterland,
als freie Männer, fest miteinander verbunden,
so werden noch viele Kämpfe überwunden.
Wir lassen leben das ganze
Ministerium,
das so viel getan für des Landes Glück und Ruhm,
wir
schließen die Abwesenden auch mit ein,
es soll das ganze Ministerium sein.
Das Ministerium Bismarck, es lebe hoch, hoch, hoch!
Zitierhinweis