Graditz Torgau Land, den 30.8.44
Sehr geehrter Herr von Münchhausen,Mein Sie war in zweiter Ehe
mit Hans Joachim von Mellenthin verheiratet.
[Schließen]Mann brachte gestern aus
Berlin durch Frau von Mellenthin
Ihre Adresse mit und so möchte ich Ihnen Nachricht von uns und unserer
Gottliebe von Lehndorff
[Schließen]Tochter
geben. Das Päckchen mit den Fahrradutensilien ist in Conow angekommen.
Wir haben sehr sehr schwere Wochen gehabt. Unsere Tochter hat in Torgau im Krankenhaus, wo sie in Schutzhaft
war, am 15. d. M. einem kleinen Mädelchen das Leben geschenkt, sie und auch das Kindchen sind
wohlauf. Am Freitag den 25. wurde sie dort entlassen und konnte zu uns zurück.
Vgl. Vollmer,
Doppellleben.
[Schließen]Am Samstag wurden uns plötzlich die 3 kleinen
Mädelchens fort genommen und in ein Kinderheim gebracht, wohin wissen
wir nicht. Am Montag den 28. wurde Mausi wieder mit dem Kindchen abgeholt und
ist auch in ein „Entbindungsheim‟ gekommen. Es soll ihr aber gut gehen,
wenigstens soll sie sehr gut untergebracht sein. Mir brach beinah das Herz. Mein
Mann versucht seit Tagen alles Erdenkliche. Gestern hat er auch einen Adjutanten
vom Reichsführer gesprochen, der bei uns auf unserem kleinen Gut wohnt, und der
ihm nun versicherte, dass Mausi und auch die Kinder wieder zurückkommen, was der
Reichsführer selbst angeordnet hätte. Wir warten nun stündlich auf diese
Nachricht, sie wieder bei uns zu haben. Ich selbst war ja zuerst mit Mausi in
Torgau in Schutzhaft (im Gefängnis), Mausi kam nach ein paar Tagen ins
Krankenhaus und ich blieb 8 Tage dort. Das Heinrich von Lehndorff
[Schließen]
Heini
gegriffen
worden ist, werden Sie ja wissen. Wir dürfen nur nicht die Nerven verlieren und
müssen unbedingt standhaft bleiben. Ich war in großer Sorge auch um meinen Mann,
der vollkommen gebrochen war.
Nun wollte ich Sie bitten, ob irgend eine Möglichkeit besteht, einige Koffer von
Mausi zu bekommen, sie hat hier kaum Sachen. Wir könnten sie ja abholen lassen,
falls ein Schicken nicht möglich ist. Wir hörten, dass am 15.9. die Sperre auf
35 km herabgesetzt wird, und dann kann ich niemanden mehr schicken. Würden Sie
mir bitte Nachricht geben, evtl. an meinen Mann, Mausi hat keine Post mehr
bekommen, doch jetzt sind wir hier wieder frei. Mausi darf nicht schreiben. Ein Antwortbrief sowie eine
Kofferliste (27 Gepäckstücke) liegen der Akte bei. Demnach hatte
Münchhausen beim Wechsel seines Standortes bereits Sachen mitgenommen,
dazu dessen zweiter Teil des Tagebuchs.
[Schließen]Ihr Herr Vater hat einmal bei uns angerufen und schrieb
mein Mann vor ein paar Tagen an ihn einen Brief, da wir nichts von Ihnen
hörten.
Zitierhinweis