Schlobitten, 10. Januar 1938

Allergnädigster Kaiser, König und Herr!

Euer Majestät melde ich alleruntertänigst die glückliche Geburt unseres dritten Sohnes und fünften Kindes. Mutter und Kind befinden sich wohl.

Mit großem Interesse verfolgen wir die Nachrichten aus Doorn, die ich auch gelegentlich durch die Enkel Euer Majestät erfahre. Darf ich mir bei dieser Gelegenheit erlauben, Euer Majestät alleruntertänigst nachträglich ein gesegnetes Jahr 1938 zu wünschen.

Exzellenz von Berg hat mir mitgeteilt, dass Euer Majestät sich vor nicht langer Zeit nach Schlobitten erkundigt haben und nähere Nachrichten vermissten. Ich hätte selbstverständlich schon längst Näheres berichtet, wenn ich nicht geglaubt hätte, Euer Majestät vielleicht damit lästig zu fallen. Wenn ich auch selbst die Vorkriegszeit nur als kleiner Junge erlebt habe, so denke ich doch in dankbarer Erinnerung an die Wohltaten, die Euer Majestät insbesondere meinem verewigten Großvater erwiesen haben, und an die vielen Besuche Euer Majestät in Prökelwitz und in Schlobitten. Unvergesslich wird mir persönlich das Erlebnis bleiben, wie im Jahre 1910 meine Geschwister und ich als Kinder Euer Majestät in Schlobitten die Hand geben durften. Unsere engere Familie hat sich inzwischen sehr vergrößert. Von uns 5 Geschwistern sind 4 verheiratet, und meine Mutter kann auf die stattliche Anzahl von 15 Enkeln blicken.

 Vgl. Dohna, Lothar Graf zu, Die Dohnas und ihre Häuser. Profil einer europäischen Familie. Bd 2: Schlobitten, Göttingen 2013.
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Das alte Schlobitten bildet, wie das selbstverständlich ist, für alle den Mittelpunkt. Das Schloss hat sich äußerlich gar nicht und innerlich nur wenig verändert. Aber sonst sind die Kriegsjahre und vor allem die schweren Nachkriegsverhältnisse nicht spurlos an dem Besitz vorübergegangen. Über 30 % der landwirtschaftlichen Flächen sind meist zu Siedlungszwecken abgegeben worden. Darunter sämtliche von meinem Großvater gekauften Güter einschließlich Behlenhof und außerdem in Prökelwitz Mathildenhof mit Armuth und Sakrinten. Es ist jedoch gelungen, insbesondere auch durch die Besserung der Verhältnisse seit 1933, den Besitz jetzt so hinzustellen, dass er in normalen Zeiten sich halten kann.
Prökelwitz ist wie auch früher neben dem gesamten Wald das Rückgrat des Ganzen. Wir lieben es alle besonders und verleben jeden Sommer dort einige schöne Wochen. Der Rehbestand hat sich wieder gehoben, wenn auch die besten nach dem Krieg dort erlegten Böcke nicht annähernd an die kapitalen heranreichen, die Euer Majestät in Prökelwitz erlegt haben. Die Gipsabgüsse, die Euer Majestät meinem Großvater zu schenken die Gnade gehabt haben, erwecken auch jetzt noch die Bewunderung aller Beschauer.

Von den alten Leuten, die die Besuche Euer Majestät hier noch erlebt haben, sind die meisten schon verstorben. Auch den getreuen Wildmeister Schmidt ebenso wie den Leibkutscher Will deckt längst der grüne Rasen. Nur Hausmeister Hoffmann, der nun schon 52 Jahre hier im Schloss ist, tut noch seinen Dienst. Inzwischen sind aber die Kinder unserer alten Leute wieder an die Stelle ihrer Eltern getreten, und ich bin stolz darauf, dass viele Familien seit Generationen in unserem Dienst stehen, einige schon in der 8. Generation. Es ist für mich eine Freude, mit meinen getreuen Beamten und Arbeitern zusamen hier wirken zu dürfen, und ich bemühe mich, den Posten, auf den ich gestellt worden bin, mit meiner ganzen Kraft auszufüllen zum Wohle unseres Vaterlandes.

 Vgl. Dohna, Alexander zu/Grommelt, Carl /Mertens, Christine von, Das Dohnasche Schloß Schlobitten in Ostpreußen, Stuttgart 1965 (Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens, Reihe B, Bd. 5).
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Ich habe das Glück, in Schlobitten ein Stück preußischer Geschichte zu besitzen, in dem die Gnadenerweise, die die Hohenzollern viele Generationen hindurch meinen Vorfahren gezeigt haben, allen ernsten Besuchern deutlich vor Augen treten. Sei es, dass man die persönlich geschenkten Bilder aller Preußischen Königs betrachtet; sei es, dass man die vielen eigenhändigen Schreiben der Mitglieder des Königlichen Haues liest, oder sei es, dass man an die zahlreichen Geschenke Euer Majestät selbst denkt.
Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit tiefe Dankbarkeit gegenüber dem Hohenzollernhaus bis an mein Lebensende zu bewahren, wie meine Frau und ich diese gleiche Dankbarkeit auch unseren Kindern anerziehen werden.

ich verbleibe Euer Majestät alleruntertänigster und treu gehorsamster gez. Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten

Zitierhinweis

Wilhelm Hermann Alexander Richard Fürst zu Dohna an Kaiser Wilhelm II. Schlobitten, 10. Januar 1938. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_znq_ycf_2cb