adler Handschriften zu und nach der Vorlesung über Physische Geographie:
Beschreibung ›Ms Volckmann‹
Fundort: Berlin / Göttingen (geteilte Überlieferung)
Knopf

1. Die äußere Beschaffenheit

Das Ms zeigt als Folge von zwischenzeitlich (1945ff.) unsachgemäßer Lagerung deutliche Beschädigungen und einen erheblichen Verlust in der Textsubstanz gegenüber der wohl ersten Benutzung durch Erich Adickes, der das unversehrte, nicht gebundene Ms vor 1911 mit dem Buchstaben P bezeichnet und benutzt hat. Er schreibt (Untersuchungen 1911, S. 252):

    »P besteht aus 7 Lagen Quartblättern, umfaßt 104 Seiten und trägt auf dem ersten Blatt den Titel; ›P. Kants Vorlesungen der physischen Geographie nachgeschrieben im Sommer Halben Jahre 1785 von J.  W. Volckmann‹. [...] Das Titelblatt stammt von derselben Hand wie das eigentliche Kollegheft. Die Blätter haben einen sehr breiten Rand, der stellenweise lange Zusätze trägt. S. 100 unten und 101 oben stehn mitten im Abschnitt über Edelsteine 15 durchstrichene Zeilen, die ersten 9 mit dem Titel: ›Von den feuerspeyenden Bergen‹, die letzten 6 mit dem Titel: ›Von den Lufterscheinungen‹. Vielleicht hatte Volckmann in der Vorlesung mehrere Stunden versäumt und ließ die jetzige Seite 99 ganz und die jetzige Seite 100 größtenteils frei, um das Versäumte nachzutragen, kam aber nicht dazu und verwandte die nur zum kleinsten Teil beschriebenen Seiten noch für die späteren Teile der Ausarbeitung.«

Wohl ebenfalls als Folge zwischenzeitlicher Verlagerungen befinden sich als Depositum Nr. 6 der Göttinger Akademie der Wissenschaften in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek die Seiten 47-78. Die vorausgehenden Seiten 1-46 (22 Blatt) bewahrt das Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Nachlaß-Kant Nr. 13). Verloren sind das Titelblatt, die wohl damit zusammenhängenden Seiten p. 29/30 und die abschließenden Seiten p. 79-104. Einige der in Berlin erhaltenen Blätter zeigen darüber hinaus Beschädigungen, die trotz moderner Technik das Erhaltene nicht vollständig lesbar werden lassen; ein Beispiel : (Graphik).

Die Transkription erstreckt sich - aufgrund der von Adickes benutzten Passagen - auch auf den nicht im Original-Manuskript enthaltenen Text. Auch wenn die gliedernden Überschriften zum Teil auf dem von Adickes erwähnten breiten Rand niedergeschrieben sind, sind diese in den fortlaufende Transkriptionstext integriert und nicht als Marginalzusätze gekennzeichnet worden. Sämtliche Marginalien stammen von der Texthand (Volckmann), diese Zusätze sind nicht immer mittels Verweiszeichen auf eine exakte Positionen innerhalb des Grundtextes bezogen.

Ein Mühlenzeichen des relativ schlechten, deutlich angebräunten Papiers ist nicht erkennbar.


2. Die innere Struktur

Wie schon in der Beschreibung von Adickes angedeutet, hat Volckmann den - nicht explizit so genannten - dritten Teil der Vorlesung sehr spärlich (p. 101-104) nachgeschrieben. Überliefert ist durch Zitate nur die Überschrift: »politische Merkwürdigkeiten der Menschen nach ihren Hauptunterschieden« und der letzte Satz: »Ueberhaupt scheint Amerika ein zu künftiger Zeit aufzubehaltender auszubreitender Teil der Erde zu sein.« - Ähnliches gilt für den zweiten, naturgeschichtlichen Teil, der auf den Seiten 66 bis 100 abgehandelt wurde. Vollständig dokumentiert ist heute nur die Passage über den Menschen: p. 67-74. In Folge des Verlustes in der Substanz der Handschrift fehlen zudem nun die Abschnitte über Pflanzen und Mineralien.


3. Einzelheiten

  1. Tabelle der Quer-Verweise
    Teil 1, p. 001-066
    [Physische Geographie]
    Teil 2, p. 066-100
    [Naturgeschichte]
    Teil 3, p. 101-104
    [Geographie]
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  2. Externhinweise:

    Keine.


  3. Lücken:

    Keine Auslassungen in Zeilen.


  4. Doubletten und Dittographien:

    Nicht festgestellt.


  5. Einzelbeobachtungen:

    Schon äußerlich sind zahlreiche Marginalien auffällig; sie ziehen sich in unregelmäßiger Dichte durch den gesamten erhaltenen Text. - Im Abgleich mit anderen überlieferten Texten zu und nach der Geographie-Vorlesung wird offenbar, daß lange Passagen oder auch einzelne Phrasen wörtlich mit dem ursprünglichen Konzept (Ms Holstein) übereinstimmen. In diesem Vorgehen gleicht das Ms Volckmann dem zu Beginn der 1780er Jahre zusammengestellten Ms Barth; mit dem es überdem bis p. 17 und p. 41-46 in zahlreichen Stücken Identitäten aufweist. Diese Übereinstimmungen lassen die Volckmann eigene Substanz auf den genannten Seiten arg schrumpfen. Eigenständig formuliert hat Volckmann seinen Text wohl ab p. 45; wobei er hier anfänglich in den Marginalien - unwissentlich - noch Teilstücke aus dem Konzept von 1757/59 (Ms Holstein) übernimmt. (Für Details siehe Adickes 1911, S. 252f.) Mit dem »Luftreich« (p. 47) setzt die eigenständige Substanz ein, wiewohl in Sache und Terminologie eine deutliche Nähe zu den Manuskripten Dönhoff (1782), den Zusätzen der Mss Barth (1782?) und Pillau (1783?) zu beobachten ist. - Für die Datierung hat Adickes (1911,S. 254f.) zutreffend auf große Ähnlichkeiten der Ausführungen (p. 69-70) mit Kant's Aufsatz Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse (1785) hingewiesen, sodaß der Angabe des Titelblattes »nachgeschrieben im Sommer Halben Jahre 1785« als Datum der Anfertigung vertraut werden kann; zumal Johann Wilhelm Volckmann am 13. August 1782 immatrikuliert worden ist.

    Herausragend deutlich ist die folgende Bemerkung p. 57: »Die Geschichte unsers Erdkörpers von vergangenen Zeiten und Muthmaßungen aufs künftige heist Theorie der Erde, dieses wäre leichter als eine Geschichte der Thiere weil die variationen der organisirten Wesen gar nicht erklärt werden können da die Erklärung der Erde blos mechanisch ist.« Eine derartig direkte Konfrontation von ›organisch‹ zu ›mechanisch‹ findet sich keiner anderen Nachschrift der Geographie-Vorlesung. In Publikationen hat Kant diese grundlegende Differenz knapp angedeutet in seinem Programm zum Sommer 1775 (S. 7 / Ak, II: 435,09-10); thematisch ist diese freilich erst in der Critik der Urtheilskraft von 1790 (Ak, V: 374 / 388f. / 400 / u. ö.).

    Der zweite Teil der Vorlesung (p. 66ff.) beginnt mit einem auffällig - im Verhältnis zur gesamten ursprünglichen Textmasse - umfänglichen Abschnitt über die erste der betrachteten Tiergattungen: der Mensch (p. 67-74). Hier werden aktuelle Beobachtungen aus Schriften von Pallas, Forrester (1782) und Priestley angeführt. - Es scheint als habe Volckmann nur dasjenige mit- oder aufgeschrieben, das ihm selber in besonderer Weise interessant war.


4. Summarische Charakteristik

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Datum: März / Juli 2016 / 20.06.2018 / 20.08.2018