Heft 11: EDITORIAL von Dieter Simon "From Status to Contract"! Das war die Formel, mit der der englische Rechtshistoriker Henry Sumner Maine versuchte, den säkularen Wandel von der traditionellen Welt zur modernen Industriegesellschaft zu fassen. Beobachter, die sich weniger auf die Rechtsstruktur konzentrierten, sprachen von einem Wechsel von der Gemeinschaft zur Gesellschaft (Tönnies) oder von der mechanischen zur organischen Solidarität (Durkheim).
Gegenwärtige Beschreibungen der Wissenschaftsstruktur sehen sich offenkundig bei dem Versuch angemessener Erfassung beobachteter Veränderungen vergleichbaren Schwierigkeiten ausgesetzt. Seit einigen Jahren wird von Wissenschaftsforschern mit dem ebenso unanschaulichen wie unklaren Terminus namens 'Mode 2' operiert, um neuartige oder auch nur als neuartig empfundene Formen der Wissensproduktion zu kennzeichnen. In bis zum glatten Widerspruch reichender dissonanter Weise ist andernorts von Demokratisierung die Rede. Auch ein neuer Gesellschaftsvertrag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wird eingefordert oder wenigstens zur Diskussion gestellt, ohne dass bislang die vergangenen oder künftigen Segnungen dieses schicken Kontraktualismus dokumentiert worden wären. Minder anspruchsvolle Analysen kommen mit großer Regelmäßigkeit zu dem Ergebnis, dass bei, von und durch Wissenschaft gesellschaftliche Belange zu berücksichtigen seien. Nationale (vgl. die einschlägigen Initiativen der Bundesregierung) und supranationale Fördervorstellungen (vgl. das 6. Rahmenprogramm der EU), sonst eher divergent, konvergieren in diesem Punkt. Vermittlung, Partizipation, Frauenförderung, Science in Society und, last not least, der Dialog sind auch für die dickköpfigsten Vertreter autonomer Wissenschaft vertraute Gespenster geworden, mit denen man sich irgendwie arrangieren muss. Es wäre des Schweißes der Edlen wert, via Gedankenexperiment herauszufinden, welche Modelle und Begriffe die Szene beherrschen würden, wenn die Wandlungsprozesse durch reformatorischen Eifer und ehernen Verbesserungswillen gesteuert würden und nicht in erster Linie durch die knappen Kassen auf den Weg gebracht und durch die angstvolle Aussicht auf immer noch knappere Budgets motiviert worden wären. Gäbe es Umstrukturierungen auch ohne Mittelkürzungen? Würden Reformen von oben angestoßen, wenn man sich den Ärger durch Zuschüsse vom Leibe halten könnte? Würde sich unten, bei den Einsichtigen und Erfahrenen, etwas regen, wenn ihnen nicht das Wasser am Halse der freien Wissenschaft stünde? Immerhin: Veränderungen finden statt. Daran gibt es nichts zu deuteln. Welche Richtung das ganze System schlussendlich einschlagen wird, ist erbarmungswürdig unklar. Es geht zwar um die Gesellschaft, aber die Gesellschaft ist bisher in der Debatte kaum präsent. Die wenigen neuen Formen, die sich entwickelt haben, versprechen nicht viel. Sie sind teuer und umständlich, wie die Demokratie, der sie entstammen. Über andere Formen wäre nachzudenken. Die Administrationen geben sich redlich Mühe; die Wissenschaftsforscher auch. Eine allgemeine Debatte hat sich jedoch bisher nicht entwickelt - jedenfalls nicht in Deutschland. Den Anschluss an die internationalen Dispute kann die Akademie nicht herstellen, und noch weniger kann sie das landeseigene Defizit ausgleichen. Aber sie hat Vertreter heterogener Entwürfe und politische Menschen von verschiedener Augenhöhe und mit Erfahrungen in Wissenschaft und im Dialog um Auskünfte und Aussprüche gebeten, um einen anregenden Cocktail für alle, die mitdenken wollen, zu fabrizieren. | |