Heft 14: VON DER AUTONOMIE BIS ZUM MANAGEMENT

Einführung


Ein Blick auf Karrieren und Selbstbilder macht deutlich, dass es auch biografisch keine 'Einheit der Wissenschaft' gibt; zudem hat jedes Fach seine Tradition, seine Heroen und aus spezifischen Arbeitsbedingungen oder Entdeckungen entwickelte Fächerkultur. Laborknecht und Medienstar haben wenig gemeinsam, zwischen Ruhm und Erkenntnis, unerbittlicher Neugier und unerbittlichem Konkurrenzkampf gibt es viele Rollen im Bergwerk des Wissens, und sie differenzieren sich weiter. "Die Wissenschaft ist wahrscheinlich das am schnellsten wachsende Teilsystem der Gesellschaft. Grob gerechnet, hat jede Verdopplung der Bevölkerung mindestens drei Verdopplungen der Zahl der Wissenschaftler hervorgebracht." (Weingart) Schon allein die Masse garantiert, dass in den Wissenschaften alle Typen und Charaktere vertreten sind - ehrgeizige und verträumte, geniale und schlichte, ehrliche und betrügerische.

Die 'Verbetriebswirtschaftlichung' verlangt nun auch von Wissenschaftlern Fähigkeiten, die bislang nicht zum Forscherbild gehörten. Bemerkenswert ist, wie sehr eine Orientierung auf unabhängige Forschung und die Idee der selbstlosen Hingabe an Wissenschaft um des Erkenntnisgewinns willen trotzdem (und allen Filmen über Mad Scientists zum Trotz) das Selbstverständnis oder zumindest die Idealvorstellungen in diesem Teilsystem der Gesellschaft weiter bestimmen. Die Klagen über den Widerspruch zwischen Ideal und Praxis dürften so alt sein wie die Wissenschaft selbst. Da dieser Prozess der Verwandlung eines autonomen, von der Liebe zur Erkenntnis bestimmten Tuns in ein von Kommerz und gelegentlich auch von Betrug 'beschmutztes' Gewerbe nun schon recht lange dauert, hat die Treue zum Ideal wohl nicht - wie die Marxisten zu sagen pflegten - mit der verzögerten Reaktion des Überbaus zu tun. Das Bild vom uneigennützigen, unbändig neugierigen, risikobereiten Forscher koexistiert mit dem flexiblen, konkurrenzfähigen, medientauglichen und jederzeit evaluierbaren Experten. Wir haben es offenbar - um einen derzeit aktuellen Terminus zu verwenden - mit verschiedenen Wissensformen zu tun. Ob sie nebeneinander, womöglich gleichberechtigt bestehen können, muss sich noch erweisen.