Heft 25: Das Alter (in) der Wissenschaft Einführung und Dokumentation »Etwas Bess’res als den Tod findest du überall« – so lautet der Wahlspruch der Bremer Stadtmusikanten, mit dem die vier synanthropen Pensionäre losziehen, um in der Hansestadt ihren ›Lebensabend‹ zu verbringen. Vom Menschen ausgemustert, weil sie wegen ihres fortgeschrittenen Alters ihre Aufgabe als ›Nutz‹-Tiere nicht mehr zu erfüllen vermögen, befinden sich die vier betagten Gesellen in jener Lebensphase, die sprichwörtlich in einem tiermetaphorisch gesättigten Bild der Redewendungen veranschaulicht werden kann: »Als alter Esel ist man auf den Hund gekommen, nach dem kein Hahn mehr kräht und wo alles für die Katz’ ist.« Vor dieser gängigen Einschätzung des Alters resignieren unsere Musikanten jedoch nicht. Und wie man von den Brüdern Grimm weiß, sind die vier Lebenskampfgefährten mit ihrer Senioren-Initiative ganz erfolgreich gewesen, auch wenn sie letztlich ihr geplantes Reiseziel, die Hafenstadt, nicht erreicht haben. Der demografische Umbruch trifft vor allem die Industriegesellschaften und hier besonders Deutschland. Er erfordert ein Umdenken in Politik und Öffentlichkeit, da er eine Vielzahl neuartiger Probleme aufwirft. Der Umbau zu einer altersgerechten Gesellschaft in Arbeits- und Alltagsleben stellt Fragen etwa zu einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit, den zusätzlichen ökonomischen Belastungen einer Ausweitung und Intensivierung der Pflegeberufe und vieles mehr. Aber nicht nur Bevölkerung und Gesellschaft altern, auch das Wissen veraltet in vielerlei Hinsicht immer schneller. Lebenslanges Lernen ist gefordert: Nicht dem frühzeitig festgelegten Spezialisten gehört die Zukunft, sondern dem ›Generalisten‹, der sich flexibel und mobil den Ansprüchen einer sich beschleunigt wandelnden Gesellschaft sowie neuen Techniken, Medien und Berufsanforderungen gewachsen zeigt. Nicht eine esoterische Tinktur oder Wunderpille noch Hightech-Bioscience erweisen sich als eine Art Jungborn, wohl aber die stete Beschäftigung und Auseinandersetzung mit den Wissenschaften, denn sie scheinen signifikant lebensverlängernd zu wirken. So ergab eine Untersuchung, dass die männlichen Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sich einer beachtlich höheren Lebenserwartung erfreuen dürfen: »Sie leben im Schnitt 6 Jahre länger als der durchschnittlich gebildete Österreicher« (Die Welt, 5. 5. 2011, Seite »Wissen«). Die Stadtmusikanten beschäftigten sich zwar weniger mit Wissenschaft, aber sie wollten gemeinsam Musik machen – auch die Kunst kann helfen in den gewonnenen Lebensjahren, und vermutlich nicht nur im Märchen. Wolfert von Rahden | |