Heft 8: 01000110110010001111011001110100001111110 Einführung Die Null und die Eins - als die Chiffren der Digitalisierung - sind heute vermutlich zu den wichtigsten Zeichen überhaupt geworden. Der Computer hat seinen Siegeszug nahezu abgeschlossen und ist in den Industrienationen omnipräsent. Bei der Digitalisierung handelt es sich um einen Prozess mit weit reichenden Folgen auch für die 'Dritte Welt': Es gibt nicht wenige, welche die künftigen Chancen der Entwicklungsländer in direkter Abhängigkeit vom Anschluss an die Informationstechnologie sehen. So betont etwa der spanische Soziologe Manuel Castells: "Zwar kann man das Internet nicht essen, aber genug essen ohne das Internet auch nicht." (S. 15) Für die Forschung stellen nicht nur die Größenordnung und das Tempo der Digitalisierung Herausforderungen dar, auch die multiple Position des Computers erschwert eine angemessene Einschätzung. Das Phänomen zeichnet sich durch ungewöhnliche Komplexität aus, denn der Computer ist sowohl auf verschiedene Weise Mittel als auch Gegenstand der Wissenschaft und mithin vielfach und vielfältig in der Forschung präsent. Der Computer ist zu dem Werkzeug der Wissenschaften geworden. Einige Bereiche funktionieren nur noch computergestützt, etwa in bestimmten Gebieten der medizinischen Praxis wie der Computertomographie; spektakuläre Projekte und deren Ergebnisse - wie die Erfassung des menschlichen Genoms - gründen sich auf die Möglichkeiten der digitalen Technik; einige Objekte der Forschung müssen sogar als genuine Kreationen der Maschine betrachtet werden, wie die beeindruckenden Bilder der fraktalen Geometrie. Überdies gerät die Computer-Maschine zum erkenntnistheoretischen Modell. Stets stellte sich der Mensch die Frage, wer oder was er eigentlich sei. Er trachtete das anthropologische Identitätsproblem nicht selten durch Grenzziehungen zu lösen, sei's durch Abgrenzung 'nach unten' (gegen das Tier) oder 'nach oben' (gegen die Engel). Vor allem jedoch das Modell der Maschine in all ihren Varianten diente dem Homo sapiens als Projektionsfläche für dieses Problem von Identität und Differenz, das nunmehr in der Form der 'künstlichen Intelligenz' auf einem neuen (technischen) Niveau zunehmend an Brisanz gewinnt. Brisanter noch indes erscheint ein auf den ersten Blick eher harmlos anmutendes Denkmuster: Der Rechner suggeriert die prinzipielle Berechenbarkeit der Welt und damit die Verfügungsgewalt über sie. Vermessen, verrechnet und vernetzt werden Mensch und Welt. Der nicht berechenbare 'Rest' wird zum Verschwinden gebracht. Diese Rationalitätsunterstellung lässt zuweilen in Vergessenheit geraten, dass High Tech und High Risk miteinander verbunden sind. Dies bedeutet aber auch, dass die Digitalisierung umso notwendiger einer weit gespannten öffentlichen Diskussion bedarf. Der beschleunigte technisch-mediale Wandel erfordert eine Reflexion, die mit dieser Entwicklung Schritt zu halten vermag.
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