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Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804.

Verfasst von Alexander von Humboldt und A. Bonpland. Dritter Theil. Stuttgart und Tübingen, in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1820.

[361] […] Am 31. März wurden wir durch widrigen Wind bis Mittag am Gestade zurückgehalten. Wir sahen einen Theil der Zuckerrohr-Felder vom Feuer zerstört, das aus einem nahen Walde auf sie übertragen ward. Die Nomaden-Indianer zünden den Wald jedes Mal an, wo sie des Nachts gelagert haben; in der trocknen Jahrszeit müssen ausgedehnte Landschaften durch diese Brände verheert werden, wenn das äusserst harte Holz die Bäume nicht vor gänzlicher Zerstörung sicherte. Wir fanden Stämme des Demathus und des Acajou- oder Mahagonybaums (cahobu), die kaum zwey Zoll tief verkohlt werden.

Vom Diamant aus kommt man in ein Land, wel-[362]ches ausschliesslich von Tigern, Crocodilen und Chiguire's, einer grossen zu Linne's Gattung Cavia gehörigen Art bewohnt wird. Wir sahen dicht zusammengedrängte Schwärme von Vögeln sich am Himmel wie eine schwarze Wolke darstellen, die jeden Augenblick ihre Gestalt ändert. Der Fluss wird allmählig breiter. Das eine seiner Ufer ist meist unfruchtbar und in Folge der Ueberschwemmungen sandig; das andere liegt höher und ist mit hochstämmigen Bäumen bewachsen. Zuweilen ist der Strom auf beyden Seiten mit Waldung eingefasst und bildet einen geraden 150 Toisen breiten Canal. Die Abtheilung und Ordnung der Bäume ist sehr merkwürdig. Zunächst finden sich Gebüsche des Sauso[1], die gleichsam eine vier Fuss hohe Hecke bilden: man sollte glauben, sie seyen durch Menschenhand beschnitten. Hinter dieser Hecke erhebt sich ein Schlag von Paternosterbäumen (cedrela), Blutholz (Brésillet) und Lebensholz (Gaiac). Palmenbäume kommen selten vor und nur etwa einzelne Stämme der Corozo- und der stachlichten Piricu-Palme. Die grossen vierfüssigen Thiere des Landes, die Tiger, die Tapir und die Pecari-Schweine haben sich in den beschriebenen Sauso-Hecken Durchgänge geöffnet, aus denen sie am Strome zu trinken hervorkommen. Weil diese wilden Thiere die Nähe eines Kahnes nur wenig scheuen, so hat man alsdann das Vergnügen, sie geraume Zeit längs dem Ufer hinstreichen zu sehen, ehe sie durch eine der hin und wieder im Gebüsch vorhandenen Oeffnungen im Walde verschwinden. Ich gestehe gern, dass dieser Anblick auch nach öfterer Wiederholung allezeit [363] ungemein anziehend für mich geblieben ist. Das Vergnügen, welches man dabey fühlt, beruht nicht nur auf der Theilnahme, die der Naturforscher an den Vorwürfen seiner Untersuchungen nimmt; es geht dasselbe aus einem Gefühle hervor, das allen in den Gewöhnungen civilisierter Völker erzogenen Menschen gemeinsam ist. Man sieht sich in Berührung mit einer neuen Welt; mit einer wilden und ungezähmten Natur. Bald ist es der Jaguar, das schöne americanische Panterthier, das sich am Flussgestade zeigt; bald erscheint der Hocco[2] mit schwarzem Gefieder und behaubtem Kopf, längs dem Sauso langsam einherschreitend. Thiere der verschiedensten Classen folgen eines dem anderen. „Es como en el Paraiso"[3] sagte unser Steuermann, ein alter Indianer aus den Missionen. Wirklich erinnert hier alles an jenen Ur-Zustand der Welt, dessen Unschuld und Glück durch alte und ehrwürdige Ueberlieferungen allen Völkern verkündet sind; bei sorgfältiger Beachtung der Verhältnisse der Thiere zu einander, nimmt man indess bald wahr, dass sie sich gegenseitig fliehen und fürchten. Das goldene Zeitalter ist verschwunden, und in diesem Paradies der americanischen Wälder hat, wie überall, eine lange und traurige Erfahrung allen Geschöpfen den Beweis geliefert, dass Milde und Stärke nur selten vereinbart gefunden werden.

Wo das flache Ufer eine unbedeutende Breite hat, da stehen die Sauso-Hecken vom Strome entfernt. Das Zwischenland dient den Crocodilen zum Aufenthalt, und man sieht nicht selten acht bis zehn derselben auf dem Sande gelagert. In unbeweglicher Stellung und mit rechtgewinklicht geöffneten Kinnladen ruhen sie ne-[364]beneinander hingestellt, ohne sich irgend eines jenes jener Zeichen freundlicher Zuneigung zu ertheilen, die man bey andern gesellig lebenden Thieren wahrnimmt. Die Truppe geht auseinander, sobald sie das Ufer verlässt. Es ist indes wahrscheinlich, dass sie aus einem einzigen männlichen und vielen weiblichen Thieren besteht; denn wie dies Hr. Decorutils, welcher die Crocodile von Saint-Domingue sorgfältig erforscht hat, schon vor mir beobachtete. Es sind die männlichen Thiere ziemlich selten, weil sie zur Zeit  ihrer Brunst sein einander bekriegen und tödten. Diese ungestalten Reptilien kommen in solcher Menge vor, dass wir auf der ganzen Stromfahrt fast jeden Augenblick fünf oder sechs derselben erblickten. Und doch hatte damals das Steigen der Gewässer des Rio Apure kaum erste angefangen, und viele Hunderte von den Crocodilen lagen also noch im Schlamme der Savannen begraben. Gegen 4 Uhr Nachmittags machten wir Halt, um ein todtes Crocodil zu messen, das der Strom aufs Gestade geworfen hatte. Seine Länge betrug nicht über 16 Fuss 8 Zoll; einige Tage später fand Hr. Bonpland ein anderes (männliches), welches 22 Fuss 3 Zoll Länge hatte. Unter allen Zonen, in America wie in Egypten, erreicht dies Thier[4] die nämliche Grösse, auch ist die im Apure, im Orenoko und im Magdalenenstrom so zahlreich vorkommende Art keineswegs ein Cayman oder – Alligator, sondern ein wahres Crocodil mit am äusseren Rand gekerbten Füssen und demjenigen des Nilstroms ähnlich. Wenn man sich erinnert, dass das männliche Thier im zehnten Jahr erst mannbar wird, und dass seine Länge alsdann 8 Fuss beträgt, so darf man annehmen, das von [365] Hrn. Bonpland gemessene Thier sey wenigstens 28 Jahre alt gewesen. Die Indianer versicherten, in San Fernando vergehe selten ein Jahr , wo nicht zwey oder drey erwachsene Personen, meist Weiber, die am Strome Wasser schöpfen, diesen fleischfressenden Eidechsen zur Beute werden. Man erzählte uns die Geschichte eines Mädchens aus Uritucu, das  sich mit ausserordentlicher Geistesgegenwart und Unerschrockenheit aus dem Rachen eines Crocodils rettete. So bald es sich vom Thier gefasst fühlte, griff es nach den Augen der Bestie und drückte dieselben mit den Fingern so gewaltsam, dass das Crocodil , von Schmerz überwältigt, seine Beute, der es bereits den Vorderarm abgekneipt hatte, fahren liess. Des grossen Blutverlustes unerachtet, gelangte die Indianerin, durch Schwimmen mit der ihr übrig gebliebenen Hand, glücklich ans Ufer. In diesen Einöden, wo der Mensch mit der Natur in stetem Kampfe lebt, ist das Tagesgespräch vielfältig auf die Mittel gerichtet, durch die man sich gegen die Nachstellungen eines Tigers. einer Boa oder Traga-Venado, und eines Crocodils schützen mag; Jedermann rüstet sich, so zu sagen, gegen die drohenden Gefahren. “Ich wusste, sprach hernach das junge Mädchen von Uritucu ganz ruhig, dass der Cayman seinen Raub fahren lässt, wenn man ihm die Augen mit den Fingern drückt.” Geraume Zeit nach meiner Rückkunft in Europa vernahm ich, dass die Neger im Innern von Africa das nämliche Verfahren kennen und anwenden. Wer sollte sich mit lebhafter Theilnahme erinnern, dass Isaaco, der Wegweiser des unglücklichen Mungo-Park, zweymal (unfern von Boulinkombou) von einem Crocodil ergriffen ward, und beydemale sich aus dem Rachen des Ungeheuers rettete, weil ihm gelang, demselben unter dem Wasser mit den Fingern beyde Augen zu [366] drücken[5])! Isaaco, den Africaner und die junge Americanerin verdankten ihr Heil der nämlichen Geistesgegenwart, der gleichen Ideenverbindung.

Das Crocodil vom Apure zeigt im Angriff schnelle und stürmische Bewegungen, wogegen es sich, durch Zorn oder Hunger ungereizt, mit der Langsamkeit eines Salamanders fortschlappt. Im Laufen erregt das Thier einen dumpfen Ton, der vom Aneinanderschlagen seiner Hautschuppen herzurühren scheint. Es krümmt während dieser Bewegung seinen Rücken, und die Füsse erscheinen dadurch höher als in der Ruhe. Wir haben diesen Ton der Schuppen oft vom Ufer her ganz in der Nähe gehört; aber es ist nicht wahr, was die Indianer erzählen, dass die alten Crocodile, gleich dem Schuppenthier (pangolin), „ihre Schuppen und ihre ganze Decke in die Höhe richten können.“ Die Bewegung dieser Thiere geschieht allerdings in gerader Richtung, oder vielmehr in der Richtung eines Pfeils, der von Distanz zu Distanz seine Richtung ändert. Dennoch, und unerachtet der kleinen Vorrichtung der falschen Rippen, welche die Rückenwirbel binden und die Seitenbewegung zu erschweren scheinen, mögen sich die Crocodile, wenn sie wollen, recht gut umdrehen. Ich habe oftmals Junge gesehen, die sich in den Schwanz bissen; andere Beobachter sahen das Gleiche bey erwachsenen Thieren. Wenn ihre Bewegungen fast immer geradlinigt scheinen, so geschieht dies, weil sie, wie unsere kleinen Eidechsen, dieselben sprungweise thun. Die Crocodile sind vortreffliche Schwimmer, und sie mögen auch gegen den reissenden Strom mit Leichtigkeit emporsteigen; hingegen däucht mir, dass [367] ihnen beym Stromabwärtsschwimmen das schnelle Umdrehen schwer wird. Ein grosser Hund, welcher auf der Reise von Caracas an den Rio Negro unser Begleiter war, sah sich einst schwimmend von einem sehr grossen Crocodil verfolgt, und mochte seinem Feind nur dadurch entgehen, dass er sich schnell umwandte und stromaufwärts schwamm. Das Crocodil machte nun zwar die gleiche Bewegung, aber viel langsamer als der Hund, welcher glücklich das Ufer erreichte.

Die Crocodile vom Apure – Strom finden eine reichliche Nahrung in den Chiguire´s[6] (den Wasserschweinen der Naturforscher), welche in Heerden von 50 bis 60 Stück am Stromufer leben. Diese unglücklichen Thiere, von der Grösse unserer Schweine, besitzen keine Waffe, mit der sie sich vertheidigen könnten: sie schwimmen etwas besser als sie laufen. Indess werden sie im Wasser ein Raub der Crocodile, und auf dem festen Land eine Beute der Tiger. Man begreift kaum, wie es möglich ist, dass sie, von zwey so mächtigen Feinden verfolgt, dennoch in so grosser Zahl vorkommen; aber sie pflanzen sich eben so schnell fort, als die Cobayas oder Meerschweinchen, die wir aus Brasilien erhalten haben.

Unterhalb der Mündung des Canno de la Tigrera, in einer Bucht, die Vuelta de Joval heisst, hielten wir [368] an, um die Schnelligkeit des Wasser auf seiner Oberfläche zu messen; sie betrug nicht mehr als 3,2 Fuss[7] in der Secunde, was 2, 56 Fuss mittlererer Schnelle giebt. Die barometrischen Höhen, mit Berücksichtigung der kleinen Stunden-Variationen, zeigten höchstens einen Fall von 17 Zoll auf die Meile (von 950 Toisen). Die Schnelligkeit ist ein gleichzeitiges Ergebniss der Senkung des Bodens und der Ansammlung der Gewässer durch das Steigen in den höher gelegnen Theilen des Stroms. Wir sahen uns nochmals von den Chiguire´s umgeben, welche, Kopf und Hals über dem Wasser emportragend, wie Hunde schwimmen. Am gegenüberliegenden Ufer erblickten wir mit Befremden ein grosses Crocodil, unbeweglich und schlafend, mitten unter diesen Nagethieren. Bey der Annäherung unserer Piroge erwachte es und bewegte sich hierauf langsam dem Strome zu, ohne dass die Chiguire´s scheu wurden. Unsere Indianer erklärten diese Gleichgültigkeit aus der Dummheit des Thiers; es ist jedoch wahrscheinlicher, dass die Chiguire´s aus langer Erfahrung wissen, das Crocodil vom Apure und vom Orenoko greife auf dem Land nicht an, wofern der Gegenstand seines Raubes sich nicht unmittelbar am Wege findet, wenn es dem Wasser zugeht.

In der Nähe von Joval erhält die Landschaft einen imposanten und wilden Character. Hier sahen wir auch den grössten Tiger, der uns noch vorgekommen war. Selbst die Landes-Eingebornen waren über seine ganz [369] ausserordentliche Länge erstaunt; sie übertraf diejenige aller indianischen Tiger, welche ich je in den europäischen Menagerien gesehen habe. Das Thier lag im Schatten eines grossen Zamang[8] hingestreckt. Es hatte eben erst ein Chiguire erlegt, seinen Raub aber noch nicht verzehrt, sondern eine seiner Tatzen stützte sich darauf. Die Zamuros, eine Art Geyer, welche wir weiter oben mit den Percnoptères von Unter-Egypten verglichen haben, hatten sich haufenweise versammelt, um, was vom Mahle des Jaguars übrig bleiben würde, zu verzehren. Durch eine seltsame Mischung von Kühnheit und Furchtsamkeit gewährten sie uns ein anziehendes Schauspiel. Sie näherten sich bis auf zwey Fuss dem Jaguar, aber die mindeste Bewegung desselben schreckte sie zurück. Um die Neigungen dieser Thiere in der Nähe zu beobachten, setzten wir uns in den kleinen Kahn, der unserer Piroge begleitete. Es geschieht höchst selten, dass der Tiger Kähne angreift, welche er schwimmend erreichen kann, und er thut dies einzig nur, wenn andauernder Nahrungsmangel seine Wildheit gesteigert hat. Das vom Schlagen unsrer Ruder verursachte Geräusch bewog das Thier, langsam von seinem Lager aufzustehen und sich hinter den Sauso-Gebüschen, die das Ufer einfassen, zu verbergen. Die Geyer wollten diesen Augenblick benutzen, um das Chiguire zu verschlingen. Allein der Tiger sprang, der Nähe unsers Kahns unerachtet, mitten unter sie, und trug in einem Anfall von Zorn, welchen die Geberden und die Bewegung des Schwanzes auszudrücken schienen, seinen Raub in den Wald. Die Indianer bedauerten, ihre Lanzen nicht bey sich zu haben, um landen und den Tiger verfolgen zu können. Sie sind an diese [370] Waffe gewöhnt, und sie hatten recht, sich auf unsere Flinten nicht zu verlassen, welche in einer so ausnehmend feuchten Luft öfters den Schuss versagten.

Weiter unten am Strome trafen wir die grosse Heerde der Chiguire an, welche der Tiger in die Flucht gejagt und aus der er seine Beute geholt hatte. Diese Thiere sahen unserer Landung ruhig zu. Einige waren gelagert und hatten ihre Blicke auf uns geheftet, während sie, nach Art der Kaninchen, die Oberlippe bewegten. Den Menschen schienen sie nicht zu fürchten, aber der Anblick unsers grossen Hundes jagte sie auseinander. Weil ihr Hinterbug höher ist, so laufen sie im kurzen Galopp, aber so langsam, dass wir zwey derselben fangen konnten. Das Chiguire, welches mit der grössten Behendigkeit schwimmt, stösst im Laufen kleine Seufzer aus, wie von gehemmtem Athemholen. Es ist das grösste Thier aus der Familie der Nager; es vertheidigt sich nur im äussersten Nothfall, wenn es gefangen und verletzt ist. Weil seine Backenzähne[9], vorzüglich die hintern, ungemein stark und ziemlich lang sind, so kann es durch seinen Biss die Tatze eines Tigers oder das Bein eines Pferdes verwunden. Sein Fleisch hat einen ziemlich unangenehmen Bisamgeruch. Es werden jedoch im Lande Schinken daraus bereitet, und es kann dies gewissermassen den Namen Wasserschwein rechtfertigen, welchen einige ältere Naturfor-[371]scher dem Chiguire ertheilt haben. Die Missionarien-Mönche machen sich kein Bedenken, während der Fastenzeit von diesen Schinken zu speisen. Ihrem zoologischen Systeme zufolge kommen das Gürtelthier (Tatou), das Chiguire und die Seekuh (Lamantin) neben die Schildkröte zu stehen; das erste, weil es mit einer harten Decke, einer Art Schale versehen ist, die zwey andern, weil sie Amphibien sind. An den Gestaden der Ströme Santo Domingo, Apure und Arauca, in den Sümpfen und überschwemmten Savanen der Llanos[10] kommen die Chiguires in solcher Menge vor, dass die Viehweiden darunter leiden. Sie verzehren das Kraut; von dem die Pferde am leichtesten fett werden, und das den Namen Chiguirero (Kraut des Chiguire) führt. Sie nähren sich hinwieder auch von Fischen, und wir sahen mit Erstaunen, wie das Thier, durch einen annähernden Kahn geschreckt, beym Eintauchen acht bis zehn Minuten unter dem Wasser blieb.

Die Nacht brachten wir, wie allezeit, unter freyem Himmel zu, obgleich in einer Pflanzung, deren Besitzer sich mit der Tigerjagd abgab. Er war beynahe völlig nackt und braunschwärzlich wie ein Zambo, was ihn aber keineswegs hinderte, sich zur Caste der weissen Menschen zu zählen. Seine Frau und seine Tochter, die eben so nackt wie er selbst giengen, nannte er Donna Isabela und Donna Manuela. Obgleich er nie die Gestade des Apure verlassen hatte, äusserte er eine lebhafte Theilnahme „an den Neuigkeiten aus Madrit, an den immerwährenden Kriegen und an all' den Dingen von dort unten (todas las cosas de allà).“ Er wusste, dass der König von Spanien bald zum Besuch [372] „der Herrlichkeiten der Landschaft Caracas” kommen würde; inzwischen setzte er scherzhaft hinzu, ,,weil die Hofleute nur Weizenbrod essen, so dürften sie wohl nie weiter als bis in die Stadt Victoria kommen, und hier zu Land werde man von ihnen nichts sehen.“ Ich hatte ein Chiguire mitgebracht, und wollte dasselbe braten lassen; unser Wirth aber behauptete, nos ostros cavelleros blancos, weisse Leute wie er und ich wären nicht gemacht, um "indianisches Wild" zu speisen; er bot uns einen Hirsch an, welchen er Tags zuvor mit einem Pfeile erlegt hatte, denn Pulver und Schiessgewehr besass er nicht.

Wir vermutheten, ein nahes Pisangwäldchen berge die Hütte der Meyerey; es fand sich aber, dass dieser auf seinen Adel und seine Hautfarbe so stolze Mann sich die Mühe nicht gegeben hatte, aus Palmblättern einen Schoppen zu errichten. Wir wurden eingeladen, unsere Hängematten neben die seinen, zwischen zwey Bäumen aufzuhängen; beynebens versicherte er, mit einiger Selbstzufriedenheit, wir würden, wenn wir während der Regenzeit zurück reisten, ihn unter Dache[11] finden. Wir kamen bald in den Fall, die Nachtheile einer, der Trägheit so günstigen und den Menschen für die Bequemlichkeiten des Lebens gleichgültig machenden Philosophie inne zu werden. Nach Mitternacht erhob sich ein heftiger Sturmwind, Blitze durch zogen den Horizont, der Donner rollte, und wir wurden bis auf die Haut durchnässt. Während des Gewitters ergab sich ein seltsamer Zufall, der uns einen Augenblick erlustigte. Die Katze der Donna Isabela hatte sich ihr Nachtlager auf dem Tamarindenbaum gewählt, unter dem wir biwackten. Sie fiel in die Hängematte [373] eines unsrer Begleiter herab, welcher, von den Klauen der Katze verletzt und aus tiefem Schlaf aufgeweckt, sich von einem wilden Thier überfallen glaubte. Wir eilten auf sein Geschrey herbey, und konnten ihn nur mit Mühe von dem Irrthume überzeugen. Während der Regen in Strömen auf unsere Hängematten und auf die ans Land gebrachten Instrumente niederfiel, beglückwünschte uns Don Ignacio, dass wir, statt am Gestade zu übernachten, uns auf seinem Gute befänden und in Gesellschaft weisser Menschen von Stande, "entre gente blanca y de trato" Durchnässt wie wir waren, fiel es uns schwer, die Vortheile dieser Lage einzusehen, und wir hörten nur mit einiger Ungeduld der langen Erzählung zu, die uns unser Wirth von seinem vorgeblichen Kriegszug an den Rio Meta machte, von der Tapferkeit, welche er in einem blutigen Gefecht mit den Guahibos-Indianern erwiesen und „von den durch Wegnahme von Kindern (los Indiecitos), die er aus der elterlichen Heimath in die Mission brachte, Gott und seinem König geleisteten Diensten.“ Welch eine seltsame Erscheinung in dieser unermesslichen Einöde, alle eitlen Anmassungen, jedes erbliche Vorurtheil, und alle Verkehrtheiten einer alten Civilisation bey einem Manne anzutreffen, der von europäischer Herkunft zu seyn glaubt und ausser dem Schatten eines Baumes kein andere Obdach besitzt.

Am 1. April bey Sonnenaufgang verabschiedeten wir uns vom Senor Don Ignacio und von der Senora Donna Isabela, seiner Gemahlin. Die Luft war abgekühlt, und der Thermometer, der meist den Tag über 30° bis 35° zeigte, war auf 24° gesunken. Die Temperatur des Flusses wechselte nur wenig; sie blieb sich immer gleich zwischen 26° und 27°. Eine Menge [374] Baumstämme schwammen den Strom herab. Man sollte denken, in einem ganz flachen Lande, wo das Auge nirgends den kleinsten Hügel entdeckt, hätte sich der Fluss, durch die Gewalt seiner Strömung, einen Canal in gerader Richtung gegraben. Ein Blick auf die Charte, die ich durch Aufnehmen mit der Boussole gezeichnet habe, bezeugt das Gegentheil. Die beyden vom Wasser angegriffenen Ufer setzen ungleichen Widerstand entgegen, und fast unmerkliche Unebenheiten der Oberfläche reichen hin, um grosse Krümmungen zu veranlassen. Unterhalb dem Joval jedoch, wo das Flussbett sich einigermassen erweitert, bildet dasselbe einen Canal, der völlig nach der Schnur gezogen scheint, und zu beyden Seiten von sehr hohen Bäumen beschattet wird. Diese Abtheilung des Stromes wird Canno ricco genannt; ihre Breite betrug 136 Toisen. Wir kamen bey einem flachen Eilande vorbey, das von unzählbaren Flamingos, rosenfarbigen Löffelreihern, Fischreihern und Wasserhühnern bevölkert war, deren Gefieder das bunteste Farbenspiel darbot. Diese Vögel fanden sich dermassen dicht zusammengedrängt, dass es schien, als könnten sie sich kaum bewegen. Das von ihnen bewohnte Eiland heisst Isla de Aves. Weiter unten kamen wir bey der Stelle vorbey, an welcher der Apure einen Arm (den Rio Arichuna) dem Cabullare sendet und dadurch eine beträchtliche Wassermasse verliert. Wir hielten am rechten Ufer, bey einer kleinen indischen Mission an, die von einem Stamme der Guamos bewohnt wird. Sie bestand nur noch in 16 bis 18 aus Palmbaumblättern erbauten Hütten; in den statistischen Tabellen aber, welche von den Missionarien dem Hof jährlich eingereicht werden, führen diese beysammen stehenden Hütten den Namen der Dorfschaft von Santa Barbara de Arichuna.

[375] Die Guamos[12] sind ein Indianer-Stamm, der nicht leicht an bleibende Wohnstätten gewöhnt werden mag. Ihre Lebensweise hat viel Aehnlichkeit mit den Sitten der Achaguas, der Guajibos[13] und der Otomacos, denen sie an Unreinlichkeit, Rachsucht und in der Neigung zum Herumstreichen vollkommen gleich stehen; ihre Sprache hingegen ist wesentlich verschieden. Die grosse Mehrzahl dieser vier Stämme nährt sich mit Fischerey und Jagd in den öfters überschwemmten, zwischen dem Apure , dem Meta und den Guaviare gelegenen Ebenen. Die Beschaffenheit des Landes selbst scheint das unstete Leben seiner Bewohner zu veranlassen. Wir werden bald sehen, dass beim Eintritt in das Gebirge der Cataracten vom Orenoko unter den Piraoas, den Macos und den Maquiritares mildere Sitte, Neigung zum Landbau und eine grosse Reinlichkeit im Innern der Hütten angetroffen wird. Auf dem Rücken der Berge, mitten in dichten Wäldern ist der Mensch genöthigt, ein kleines Stück Erdreich anzubauen und darauf sein Obdach zu suchen. Dieser Anbau erheischt nur geringe Anstrengung, während in einer Landschaft, worin Flüsse die einzigen Strassen bilden, die Lebensart des Jägers schwierig und mühsam ist. Die Guamos der Mission von Santa Barbara konnten uns die Vorräthe, welche wir wünschten, nicht geben. Sie pflanzen nur etwas Manioc; übrigens schienen sie gastfreundlich zu seyn, und als wir in ihre Hütten traten, wurden uns gedörrte Fische und Wasser (in ihrer Sprache cub) angeboten. Das Wasser war in porösen Gefässen abgekühlt.

[376] Unterhalb Vuelta del Cochino roto, an einer Stelle, wo der Strom sich ein neues Bett gegraben hatte, brachten wir die Nacht am unfruchtbaren und sehr ausgedehnt flachen Gestade zu. Die dichte Waldung war so unzugänglich, dass wir die grösste Mühe hatten, trocknes Holz zum Anzünden der Feuer zu erhalten, in deren Nähe die Indianer sich gegen die nächtlichen Angriffe des Tigers gesichert glauben. Unsere eigne Erfahrung scheint diese Meinung zu unterstützen; Hr. Azara hingegen meldet, zu seiner Zeit und in Paraguay habe ein Tiger einen Menschen, welcher bey einem in der Savane angezündeten Feuer sass, überfallen und fortgeschleppt.

Die Nacht war still und heiter, bey schönem Mondschein. Die Crocodile lagen am Ufer hingestreckt. Sie haben sich also gelagert, dass sie in´s Feuer schauen konnten. Wir haben zu bemerken geglaubt, dass sein Glanz dieselben eben so mächtig anzieht, wie die Fische, die Krebse und andere Bewohner des Wassers. Die Indianer zeigten uns im Sand die Tritte von drey Tigern, unter denen zwey noch ganz junge. Ohne Zweifel war es ein weibliches Thier, das seine Jungen zur Tränke an den Strom geführt hatte. Weil nirgends kein Baum zu finden war, liessen wir unsere Ruder in die Erde stecken, um die Hängematten daran zu befestigen. Alles blieb ruhig bis um elft Uhr Nachts; alsdann aber erhob sich aus dem nahen Wald ein so furchtbarer Lärm, dass es beynahe unmöglich ward ein Auge zu schliessen. Von der Menge wilder Thierstimmen, welche gleichzeitig ertönten, mochten unsere Indianer nur diejenigen unterscheiden, die sich auch vereinzelt hören liessen. Es waren die leisen Flötentöne der Sapaju´s, die Seufzer der Alouaten, das Geschrey des Tigers, des Couguars, oder des americanischen Löwen ohne Mähne, [377] des Bisamschweins, des Faulthiers, des Hocco, des Parraqua und einiger anderer Vögel aus dem Hühnergeschlecht. Wenn die Jaguars dem Saum des Waldes nahe kamen, fieng unser Hund, der zuvor beständig gebellt hatte, zu heulen und sich unter den Hängematten zu verkriechen an. Zuweilen, nach langer Stille, ertönte das Brüllen des Tigers von den Bäumen herab, und alsdann folgte ihm das schneidend anhaltende Pfeifen der Affen, welche der sie bedrohenden Gefahr zu entfliehen schienen.

Ich stelle diese Nachtscenen in ihren einzelnen Zügen dar, weil sie im Anfang der Wasserfahrt auf dem Apure uns noch neu waren. Wir gewöhnten uns daran, nachdem sie ganze Monate lang sich wiederholt hatten, überall wo die Waldung dem Strombette genähert ist. Die Sicherheit, welche die Indianer zu Tage legen, flösst den Reisenden Zutrauen ein. Man beredet sich mit ihnen, die Tiger scheuen alle das Feuer, und ein Mensch, der in seiner Hängematte liegt, werde nie von ihnen angegriffen. Wirklich sind die Fälle, wo solche Angriffe geschahen, äusserst selten, und während eines langen Aufenthalts im südlichen America erinnere ich mich des einzigen Beyspiels eines Llanero, welcher, den Achaguas-Inseln gegenüber, in seiner Hängematte zerfleischt gefunden ward.

Die Landes-Eingebornen, wenn man sie um die Ursache fragt, warum die Waldthiere zu gewissen Stunden in der Nacht einen so furchtbaren Lärm machen, geben die lustige Antwort: „Sie feyern den Vollmond.“ Ihre Unruhe rührt, wie ich denke, meist von einem Streit her, der sich im Innern des Waldes erhoben hat. Die Jaguars zum Beyspiel verfolgen die Pecari´s und die Tapir´s, welche sich nur durch ihre Menge vertheidigen, in gedrängten Schaaren fliehen und das Gebüsch [378] auf ihrem Weg zerdrücken. Die furchtsamen und argwöhnischen Affen von dem Kampfe erschreckt, erwiedern das Geschrey der grossen Thiere von den Bäumen herab. Sie wecken, die gesellig lebenden Vögel, und nach und nach geräth die ganze Menagerie in Aufruhr. Wir werden bald sehen, dass gar nicht immer bey hellem Mondschein, sondern vorzüglich zur Zeit der Gewitter und heftiger Regengüsse jener Lärm unter den wilden Thieren stattfindet. „Der Himmel wolle ihnen eine gute Nacht und Ruhe verleihen, wie uns andern,“ sprach der Mönch, uns an den Rio Negro begleitet hatte, als er von Müde erschöpft unser Biwack errichten half! Es war in der That ein seltsamer Umstand, mitten in der waldigen Einöde keine Stille finden zu können. In den spanischen Gasthöfen scheut man den scharfen Ton der Zither im anstossenden Zimmer; in denen am Orenoko, welche ein offenes Flussgestade oder der Schatten eines einzeln stehenden Baumes sind, fürchtet man durch die aus dem Wald herkommenden Stimmen vom Schlafe abgehalten zu werden.

Am 2. April gingen wir vor Sonnenaufgang unter Segel. Den Morgen war es schön und kühl, nach dem Gefühle derer, welche an die Hitze des Clima's gewöhnt sind. In freyer Luft stieg der Thermometer nicht über 28°, aber der trockne und weisse Ufersand behielt, seiner Strahlung gegen den wolkenlosen Himmel unerachtet, eine Temperatur von 36°. Die Meerschweine (Toninas) durchzogen den Strom in langen Reihen. Das Ufer war mit Taucher-Vögeln besetzt. Einige derselben benutzen das Flötzholz , welches den Strom herunterkommt, um diejenigen Fische zu überfallen, welche sich in der Mitte des Flusses halten. Unser Kahn war diesen Vormittag mehrmals aufgefahren. Solche Stösse, wenn sie heftig sind, können leichte Fahrzeuge [379] spalten. Wir stiessen gegen die Spitze mehrerer grosser Bäume, die seit Jahren in einer schiefen Stellung in den Stromgrund eingesenkt waren. Diese Bäume kommen zur Zeit der grossen Ueberschwemmungen vom Sarare herab. Sie füllen das Strombett dermassen an, dass die Pirogen auf der Rückfahrt stromaufwärts zuweilen Mühe haben, zwischen den Untiefen und überall, wo Strudel sind, sich Durchgang zu öffnen. Nahe bey der Insel der Carizalen gelangten wir an eine Stelle, wo wir über der Wasserfläche Courbaril-Stämme von ausserordentlicher Grösse erblickten. Sie waren mit einer den Anhinga sehr nahe verwandten Art des Plotus bedeckt. Diese Vögel sitzen reihenweise wie die Fasanen und die Parraquas. Sie bleiben Stunden lang unbeweglich mit in die Höhe gerichtetem Schnabel, was ihnen ein ungemein dummes Aussehen giebt.

Von der Carizalen-Insel abwärts war uns die Abnahme der Wassermasse des Stromes um so auffallender als, von der Gabeltheilung bey der Boca de Arichuna an, keinerley Arm oder natürlicher Ableitungs-Canal dem Apure Wasser entzieht. Das Verhältnis beruht einzig auf den Wirkungen der Ausdünstung und des Durchseihens am flachen sandigen und feuchten Ufer. Um einen Begriff von der Grösse dieser Wirkungen zu erhalten, muss man sich erinnern, dass wir die Wärme des trocknen Sandes, in den verschiedenen Tageszeiten zu 36° bis 52° gefunden haben, und hingegen diejenige des mit drey bis vier Zoll Wasser bedeckten Sandes zu 32°. Das Strombett erwärmt sich bis zu der Tiefe, zu welcher die Sonnenstrahlen dringen mögen, ohne auf dem Durchgang der übereinander liegenden Wasserschichten eine allzugrosse Schwächung erlitten zu haben. Dazu kommt, dass das Durchseihen sich weithin über das Flussbett seitwärts ausdehnt. Die Ufer, obgleich [380] sie trocken sind, werden bis zur Höhe der Stromfläche mit Wasser durchzogen. Wir sahen bei fünfzig Toisen Entfernung vom Gestade Wasser hervorquillen, so oft die Indianer ihre Ruder in die Erde einschlugen: dieser in der Tiefe feuchte, auf seiner Oberfläche trockne und den Sonnenstrahlen ausgesetzte Sandboden wirkt wie ein Schwamm, und verdunstet ununterbrochen das eingesogene Wasser. Die sich entwickelnden Dünste durchdringen die obere beträchtlich erwärmte Sandschächte und werden, wenn die Luft sich am Abend abkühlt, sichtbar. In dem Verhältnis wie das Ufer durch diese Ausdünstung trockner wird, zieht es aus dem Strombett wieder neues Wasser an sich, und es ist augenfällig, dass dies fürdauernde Spiel der Verdünstung und des seitwärts geschehenden Einsaugens einen höchst beträchtlichen, der genauen Rechnung jedoch schwer zu unterwerfenden Verlust zur Folge haben muss. Die Zunahme dieses Verlustes müsste mit der Länge des Stromlaufes im Verhältnis stehen, wofern dieser von seinem Ursprung bis zur Ausmündung gleichmässig durch das flache Ufer eingefasst wäre; weil aber die letzteren ein Ergebnis der Anschwemmungen sind, und die Gewässer nach Massgabe der weiteren Entfernung von ihren Quellen schwächeren Fall haben, und demnach mehr Geschiebe unterwärts ablegen als weiter oben, so erleiden dann auch manche Ströme der heissen Länder, gegen ihre Ausmündung hin, einen bedeutenden Verlust in ihrer Wassermasse. Hr. Barrow hat diese merkwürdigen Ergebnisse des Sandbodens im nördlichen Africa an den Ufern des Ornage-Flusses beobachtet, und es sind dieselben auch sehr wichtigen Momente für die Würdigung der verschiedenen Hypothesen über den Lauf des Nigerstromes geworden.

Nahe bey der Uuelta de Basilio, wo wir um Pflan-[381]zen zu sammeln, landeten, bemerkten wir im Gipfel eines Baumes zwey niedliche kleine Affen; pechschwarz, von der Grösse des Sai, mit Wickelschwänzen. Ihre Gesichtszüge und Bewegungen zeigten hinlänglich, dass sie weder Coaita's, noch Chamek's waren, noch überhaupt zu den Atèce-Affen gehörten. Selbst unsere Indianer hatten noch nie solche gesehen. Es finden sich in diesen Wäldern eine Menge den europäischen Naturforschern noch unbekannte Sapajus; und weil die Affen, zumal die rottenweise beysammen lebenden darum auch verwegeneren, zu gewissen Zeiten grosse Wanderungen unternehmen, so geschieht es öfters, dass beym Eintritt der Regenzeit die Eingeborenen in der Nähe ihrer Hütten solche Arten entdecken, die sie nie zuvor wahrgenommen haben. Am nämlichen Ufer zeigten unsere Führer uns ein Nest junger Leguanen, die nicht über vier Zoll lang waren. Man mochte sie von der gemeinen Eidechse kaum unterscheiden; die Wampe unterhalb der Kehle war einzig noch ausgebildet; die Rückendornen hingegen, die grossem aufstehenden Schuppen und alle die Ansätze, welche dem Leguan, wenn er die Länge von 3 bis 4 Fuss erreicht hat, eine so monströse Gestalt verleihen, waren gleichsam nur noch im Keime vorhanden. Wir fanden das Fleisch dieser Eidechse in allen Ländern, die ein trocknes Clima haben, sehr schmackhaft, auch da, wo uns andere Nahrung keineswegs fehlte. Dasselbe ist sehr weiss, und gehört nach den Fleisch des Tatou oder Armadills, welches hier Cachicamo heisst, zu den besten, die man in den Hütten der Landes-Eingebornen antrifft.

Gegen Abend regnete es. Vor dem Regen flogen die Schwalben, welche den unsrigen völlig gleichen, dicht über der Wasserfläche hin. Wir sahen auch einen Flug Papageyen (perruches), die von kleinen nicht ge-[382]schopften Habichten verfolgt wurden. Das kreischende Geschrey der Papageyen bildet einen seltsamen Contrast mit dem Pfeifen der Raubvögel. Wir brachten die Nacht im Freyen am Ufer zu, unfern von der Carizalen-Insel. Verschiedene, mit Pflanzungen umgebene Hütten der Indianer befanden sich in der Nähe. Unser Steuermann sagte voraus, wir würden den Jaguar nicht schreyen hören, weil derselbe, wofern er nicht sehr hungrig ist, die Orte verlässt, wo er nicht allein herrscht. „Die Nähe der Menschen macht ihn launisch, los hombres lo enfadan,“ sagt das Volk in den Missionen. Es ist der drollige und naive Ausdruck einer richtig beobachteten Thatsache.

Am 3. April. Seit der Abreise von San Fernando hat uns kein einziger Kahn auf dem schönen Strome begegnet. Alles verkündigt eine völlige Einöde. Unsere Indianer hatten Vormittags einen Fisch an der Angel gefangen, den die Landes-Eingebornen Caribe oder Caribito heissen, weil kein anderer Fisch blutgieriger ist. Er greift badende und schwimmende Menschen an, und reisst ihnen öfters ansehnliche Stücke Fleisch weg. Wer auch nur leicht verwundet ist, der hat Mühe aus dem Wasser wegzukommen, ehe er gefährlichere Wunden empfängt. Die Indianer fürchten diese Cariben-Fische ungemein, und mehrere derselben zeigten uns an der Wade und am Schenkel vernarbte, aber tiefe Wunden, die von diesen kleinen Thieren, welche die Maypuren Umati nennen, herrührten. Sie halten sich im Grund des Stromes auf; sobald aber einige Blutstropfen sich in's Wasser ergiessen, so sammeln sie sich zu Tausenden auf der Oberfläche. Wenn man die Menge dieser Fische, von denen die gefrässigsten und grausamsten nicht über 4 bis 5 Zoll Länge haben, die dreyeckige Gestalt ihrer schneidenden und spitzen Zähne, [383] und die Weite ihres dehnbaren Mundes bedenkt, so mag man sich über den Schrecken nicht wundern, welchen der Caribe den Bewohnern der Gestade vom Apure und Orenoko verursacht. Wir haben an Stellen, wo der Strom völlig hell und noch kein Fisch zu sehen war, Stückchen blutigen Fleisches in's Wasser geworfen. In wenigen Minuten war ein ganzer Schwarm von Cariben versammelt, die sich um die Beute stritten. Der Bauch des Fisches ist sägenförmig gezähnt und schneidend; ein Kennzeichen, das bey mehreren Gattungen angetroffen wird, bey den Serra-Salmes, den Myletes und den Pristigastres. Die Gegenwart einer zweyten fettigen Rückenflosse und die Gestalt der durch die Lippen bedeckten, voneinander entfernt stehenden und in der unteren Kinnlade grösseren Zähne weisen dem Caribe seinen Platz unter den Serra-Salmes an. Sein Mund erscheint ungleich mehr gespalten, als bey den Myletes des Hrn. Cuvier der Fall ist. Sein Körper hat gegen den Rücken hin eine aschgraue in's grünliche spielende Farbe; hingegen sind Bauch, Kiemen, Brust, Bauch- und Steissflossen von schöner Orangenfarbe. Man findet im Orenoko drey Arten (oder Spielarten?), die durch ihre Grösse unterschieden werden. Die mittlere oder Zwischenart scheint mit der mittleren Art des Piraya oder Piranha von Marcgrav[14] identisch zu seyn. Ich habe sie an Ort und Stelle beschrieben und gezeichnet.[15] Der Caribito hat einen sehr angenehmen Geschmack. Weil man nirgends zu baden wagt, [384] wo er vorkommt, so kann er als eine der grössten Plagen dieser Landschaften angesehen werden, wo die Stiche der Mosquitos und der vielfältige Hautreiz den Gebrauch der Bäder so nöthig machen.

Um Mittag hielten wir in einer öden Gegend an, die Algodonal heisst. Während das Fahrzeug ans Ufer gezogen und unser Mittagsmahl zugerüstet ward, hatte ich mich von der Gesellschaft getrennt. Ich ging längs dem Ufer hin, um eine Crocodil-Gruppe in der Nähe zu beobachten. Die Thiere schliefen in der Sonne und waren so gelagert, dass ihre mit breiten Blättern besetzten Schwänze sich gegen einander stützten. Kleine schneeweisse Reiher[16] traten ihnen auf den Rücken und selbst auch auf den Kopf, als spazierten sie über Baumstämme hin. Die Crocodile waren graulicht-grün, zur Hälfte mit trocknem Schlamm überzogen; ihrer Farbe und Unbeweglichkeit nach konnte man bronzene Bilder zu sehen glauben. Es fehlte wenig, so wäre mir dieser Spaziergang verderblich geworden. Ich hatte immer nur gegen das Ufer hingeschaut, als ich beym Aufheben der im Sand vorkommenden Glimmerblättchen die frischen, durch ihre Gestalt und Breite so leicht zu erkennenden Fusstapfen eines Tigers wahrnahm. Das Thier hatte seinen Weg nach dem Wald genommen, und so wie ich mich dorthin umsah, erblickte ich auf 80 Fuss Entfernung einen Jaguar unter [385] dem dichten Laubwerk eines Ceiba ausgestreckt. Ich glaubte nie einen grösseren Tiger gesehen zu haben.

Es giebt Zufälle im Leben, gegen die man vergeblich seine Vernunft zu stählen versucht. Ich erschrak heftig, blieb jedoch meiner selbst und der Bewegungen meines Körpers hinlänglich mächtig, um die Räthe zu befolgen, welche die Eingebornen uns für solche Fälle öfters ertheilt hatten. Ich schritt weiter vorwärts, ohne zu laufen; ich vermied jede Bewegung der Arme, und glaubte zu bemerken, dass der Jaguar seine ganze Aufmerksamkeit auf eine Heerde Capybara's richtete, die über den Fluss setzten. Nun schlug ich den Rückweg unter einem bedeutenden Bogenkreis gegen das Ufer ein. So wie ich vorrückte, glaubte ich meine Schritte beschleunigen zu dürfen. Wie manchmal war ich versucht zurückzusehen, um mich zu versichern, dass ich nicht verfolgt ward! Zum Glück habe ich nur erst spät diesem Trieb Gehör gegeben. Der Jaguar war unbeweglich an seiner Stelle geblieben. Es sind diese Riesen-Katzen mit geflecktem Kleide in den Landschaften, die an Capybara's, Pecari's und Damhirschen Ueberfluss haben, so wohl genährt, dass sie nur selten den Menschen angreifen. Ich kam athemlos bey unserm Fahrzeuge an, und erzählte den Indianern mein Abenteuer. Sie blieben ziemlich gleichgültig; nachdem jedoch die Flinten geladen waren, begleiteten sie uns nach dem Ceiba, unter den der Jaguar sich gelagert hatte. Wir trafen ihn nicht mehr, und hielten auch nicht gerathen, ihm in das Gehölz zu folgen, wo man sich zerstreuen oder einzeln der Reihe nach zwischen Lianengeflechten gehen muss.

Abends kamen wir bey der Mündung des Canno del Manati vorbey, die ihren Namen von der grossen Menge Manati's oder Seekühe führt, welche alljährlich [386] da gefangen werden. Dies grasfressende Thier aus der Familie der Cetaceen, welche die Indier Apcia und Avia[17] nennen, erreicht gewöhnlich eine Länge von 10 bis 12 Fuss. Sein Gewicht beträgt 500 bis 800 Pfund.[18] Wir sahen das Wasser von seinem Koth bedeckt, der sehr übel riecht, und übrigens dem Koth des Rindviehs völlig gleicht. Es kommt das Thier im Orenoko unterhalb den Cataracten, im Rio Meta und im Apure, zwischen den zwey Carrizales-Eilanden und der Conserva in Menge vor. Auf der Aussenseite und am Rand der völlig glatten Flossfedern haben wir keine Spur von Nägeln wahrgenommen; hingegen zeigten sich kleine Nägelspuren am dritten Glied, wenn die Haut der Flossfedern abgehoben wird.[19] Bey einem Thier, welches 9 Fuss Länge hatte, und das wir zu Carichana, einer Mission vom Orenoko, zergliederten, war die Oberlippe vier Zoll über die Unterlippe vorstehend. Sie ist mit einer sehr zarten Haut bedeckt, [387] und dient als Rüssel oder Sucher zu Untersuchung nahe befindlicher Körper. Die Mundhöhle, welche im frisch getödteten Thier eine fühlbare Wärme hat, zeigt eine sehr ungewöhnliche Bildung. Die Zunge ist fast unbeweglich; aber der Zunge vorliegend, befindet sich auf jeder Kinnlade eine fleischige Wulst und eine mit einer sehr harten Haut überzogene Höhlung, welche gegenseitig in einander passen. Die Seekuh verschluckt so viele Futtergräser, dass wir so wohl in den mehrere Fächer abgetheilten Magen als die 108 Fuss langen Gedärme damit angefüllt fanden. Wenn das Thier rückwärts geöffnet wird, so erstaunt man über die Grösse, Gestalt und die Lage seiner Lungen. Sie haben weite Zellen und gleichen sehr grossen Schwimmblasen. Ihre Länge ist drey Fuss. Mit Luft angefüllt beträgt ihr Umfang über eintausend Cubikzoll. Es befremdete mich, dass der Manati mit so ansehnlichen Luftbehältern doch so häufig zum Behuf des Athemholens auf der Oberfläche des Wassers erscheint. Sein Fleisch, das, ich weiss nicht durch welches Vorurtheil, für ungesund und calenturiosa[20] gehalten wird, ist sehr schmackhaft. Ich fand es dem Schweinefleisch ähnlicher, als dem Rindfleisch. Die Guamos und die Otomacos sind am meisten darnach lüstern; und diese zwey Völker sind es auch, die sich vorzüglich mit der Seekuh-Fischerey abgeben. Sein Fleisch wird eingesalzen und an der Sonne gedörrt, das ganze Jahr aufbewahrt, und weil die Geistlichkeit dieses Säugethier unter die Fische zählt, so ist es die Fasten durch sehr begehrt. Die Seekuh hat ein überaus zähes Leben. Sie wird, nachdem sie harpuniert ist, gebunden, aber man tödtet sie nicht eher, als bis sie sich wirklich in der Piroge befindet. Dies geschieht, zumal wenn das [388] Thier gross ist, oft mitten im Strome, indem man nämlich die Piroge zu zwey Drittheil ihres Inhalts mit Wasser füllt, sie alsdann dem Thier unterschiebt, und das Wasser mittelst einer Kürbisflasche wieder ausschöpft. Der Fang dieser Thiere ist zur Zeit, wo die grossen Ueberschwemmungen zu Ende gehen, am leichtesten, indem der Manati aus den grossen Flüssen in die umliegenden Seen und Sümpfe übergehen konnte, und die Wasser jetzt schnell fallen. Zur Zeit der Jesuiten-Herrschaft in den Missionen am untern Orenoko versammelten sie sich alljährlich in Cabruta, unterhalb der Mündung des Apuro, um mit den Indianern ihrer Missionen, am Fuss des Berges, welcher gegenwärtig den Namen El Capuchino führt, eine grosse Seekuh-Jagd anzustellen. Das Fett des Thiers ist unter dem Namen, Manteca de Manati bekannt, und wird zum Dienst der Kirchenlampen benutzt; man gebraucht es auch zur Zubereitung von Speisen. Es hat nicht den widrigen Geruch des Thrans der Wallfische oder anderer blasender Cetaceen. Die Haut der Seekühe, welche über anderthalb Zoll dick ist, wird in Riemen zerschnitten und, gleich den Streifen der Ochsenhäute, in den Llanos statt der Stricke gebraucht. Ins Wasser getaucht, bleibt sie einem ersten Grad der Fäulnis ausgesetzt. In den spanischen Colonien werden Geiseln daraus verfertigt. Auch haben die Worte latigo und manati eine zusammentreffende Bedeutung. Diese Geiseln aus der Haut der Seekühe sind ein grausames Strafwerkzeug der unglücklichen Sclaven und selbst auch der Indier in den Missionen, die den Gesetzen zufolge als freye Menschen behandelt werden sollten.

Die Nacht durch biwakirten wir der Insel Conserva gegenüber. Auf dem Weg längs dem Saum des Waldes fiel uns ein ungeheurer Baumstamm auf, der, bey einer [389] Höhe von 70 Fuss, voll ästiger Dornen war. Die Landes-Eingebornen nennen ihn Barba de tigre. Er gehört vielleicht zur Familie der Berberideen.[21] Die Indier hatten unsere Feuer am Stromufer angezündet. Wir bemerkten abermals, dass ihr Glanz die Crocodile anzieht und selbst auch die Blaser (Toninas), deren Geräusch unser Einschlafen hinderte, bis das Feuer gelöscht ward. Wir wurden in dieser Nacht zweimal aufgeweckt, welches ich nur deshalb bemerke, weil es den wilden Charakter der Gegend zu bezeichnen dient. Ein weiblicher Jaguar näherte sich unserm Biwack, um sein Junges zur Tränke an den Strom zu führen. Die Indier jagten ihn weg, aber wir hörten das Geschrey des jungen Thiers, das wie eine junge Katze miaute, noch eine geraume Zeit. Bald hernach ward unser grosser Doggen - Hund vorn an der Schnauze gebissen, oder wie die Eingebornen sagen, gestochen. Die Stecher waren sehr grosse Fledermäuse, die um unsere Hängesäcke her schwärmten. Sie hatten einen langen Schwanz  wie die Molossen; ich glaube jedoch, dass es Phyllostollen sind, deren mit Wärzchen besetzte Zunge ein Saugorgan und einer bedeutenden Verlängerung fähig ist. Die Wunde war sehr klein und rund. Wenn der Hund, sobald, er sich gebissen fühlte, Klagetöne ausstiess, so geschah dies nicht aus Schmerz, sondern weil ihn der Anblick der unter unsern Hängematten [390] hervorkommenden Fledermäuse schreckte. Diese Zufälle sind gar viel seltener, als man selbst hier zu Land glaubt. Obgleich wir mehrere Jahre durch vielfältig unter freyem Himmel schliefen, wo der Vampir[22] und andere verwandte Arten häufig vorkommen, so sind wir doch niemals verletzt worden. Uebrigens ist der Stich ganz und gar nicht gefährlich und meist auch so wenig schmerzhaft, dass man nicht eher erwacht, bis die Fledermaus wieder weg ist.

Der 4. April war der letzte Tag, den wir auf dem Rio Apure zubrachten. Der Pflanzenwuchs seiner Gestade wird stets einförmiger. Seit ein Paar Tagen, vorzüglich von der Mission Arichuna an, fingen wir an durch Insecten-Stiche im Gesicht und an den Händen jämmerlich gequält zu werden. Es waren nicht Mosquitos, welche das Aussehen von kleinen Fliegen oder Simulies[23] haben, sondern Zancudos, die wahre Schnacken, und von unsern Culex pipiens völlig verschieden sind. Diese stechenden Insecten kommen erst nach Sonnenuntergang zum Vorschein; ihr Saugrüssel ist dermassen lang, dass, wenn sie sich auf die Unterseite der Hängematte setzen, sie damit durch diese und dichte Kleidungen hindurchdringen mögen.

Wir wollten die Nacht in der Vuelta del Palmito zubringen: die Jaguars finden sich aber in dieser Gegend des Apure in solcher Menge, dass unsere Indier zwey derselben hinter einem Courbaril-Strauch gelagert antrafen, als sie eben unsere Hängematten befestigen wollten. Man rieth uns weiter zu fahren und unser [391] Nachtlager auf der Insel Apurito, ganz nahe beym Zusammenfluss mit dem Orinoko , zu nehmen. Es gehört dieser Theil der Insel zur Provinz Caracas, wo hingegen die Gestade zur Rechten vom Apure und vom Orenoko , das eine zur Provinz Varinas und das andere zur spanischen Guiana gehört. Es fanden sich keine Bäume, an die unsere Hängematten befestigt werden konnten. Wir mussten also auf Ochsenhäuten und zu ebener Erde lagern. Die Kähne sind zu eng und zu voll von Zancudos, um die Nacht darin zuzubringen.

Weil die Ufer an der Stelle, wo wir unsere Instrumente an's Land gebracht hatten, ziemlich steil waren, so konnten wir hier neue Beweise dessen erhalten, was ich anderswo die Trägheit der Vögel aus dem Hühnergeschlecht in den Tropenländern genannt habe. Die Hoccos und die Stein-Pauxis[24] sind gewohnt mehrmals im Tag zum Fluss herabzusteigen, um ihren Durst zu löschen. Sie trinken viel und öfters. Eine beträchtliche Anzahl dieser Vögel hatte sich in der Nähe unsers Biwacks einem Schwarme Parraquas-Fasanen zugesellt. Das Absteigen am abschüssigen Ufer fiel ihnen sehr beschwerlich. Sie versuchten es mehrmals, ohne ihre Flügel dabey zu gebrauchen. Wir trieben sie vor uns her, wie man eine Heerde Schaafe vor sich hin treibt. Auch die Zamuros-Geyer mögen sich nicht leicht zum Auffliegen entschliessen.

Nach der Mitternacht erhielt ich eine gute Beobachtung der Mittagshöhe vom α des Kreuzes im Süden. Die Breite der Mündung des Apure beträgt 7° 36‘ 23”. Der Pater Gumilla giebt sie zu 5° 5‘ 23”; Caulin zu 7° 26‘ an. Die Länge der boca des Apure, nach Sonnenhöhen, die ich am 5. April Morgens auf [392] nahm, beträgt 69° 7‘ 29” oder 1° 12‘ 41” östlich vom Meridian von San Fernando.

Am 5. April erschien uns die geringe Wassermasse sehr auffallend, welche der Rio Apure dem Orenoko in dieser Jahreszeit zuführt. Der nämliche Strom, der meinen Messungen zufolge beym Canno ricco noch 136 Toisen breit war, hatte an seiner Ausmündung nur noch die Breite von 60 bis 80.[25] Seine Tiefe betrug an dieser Stelle nur 3 bis 4 Toisen. Er verliert allerdings von seinem Wasser durch den Rio Arichuna und den Canno del Manati, zwey Arme des Apure, die nach dem Payara und nach dem Guarico hingehen; inzwischen scheint der beträchtlichere Verlust auf die Durchseihungen der Gestade zu beruhen, von welchen oben die Rede gewesen ist. Die Geschwindigkeit des Apure betrug nahe bey seiner Ausmündung nur 3 Fuss, 2 in der Secunde; so dass ich die ganze Wassermasse leicht hätte berechnen können, wenn ich durch genäherte Senkbleye mit allen Dimensionen des Querdurchschnitts bekannt geworden wäre. Der Barometer, welcher in San Fernando, 28 Fuss über dem mittleren Wasserstand des Apure, sich um halb zehn Uhr Vormittags auf 335, 6 Linien erhalten hatte, stand an der Ausmündung des Apure in den Orenoko, um elf Uhr Vormittags auf 337, 3 Linien.[26] Berechnet man die ganze Stromlänge (mit den Krümmungen[27]) zu 94 Meilen oder 89,300 Toisen, und berücksichtigt man die kleine von der Horar-Bewegung [393] des Barometers herrührende Correction, so ergiebt sich ein Durchschnitt-Fall von 13 Zoll (genau 1 Fuss, 15) auf die Meile von 950 Toisen. La Condamine und der gelehrte Major Rennel nehmen an, der Durchschnitt-Fall des Amazonenstromes und des Ganges betrage nicht einmal 4 bis 5 Zoll auf die Meile.[28]

Wir stiessen mehrmals auf Untiefen, ehe wir den Orenoko erreichten. Die Anschwemmungen sind in der Gegend des Zusammenflusses ungemein gross. Wir mussten unser Fahrzeug längs dem Ufer am Taue ziehen lassen. Welcher Unterschied zwischen dem Zustand des Stromes unmittelbar vor dem Eintritt der Regenzeit, wo alle Wirkungen der Lufttrocknis und der Ausdünstung ihr Maximum erreicht haben, und jenem andern herbstlichen Zustand, wo der Apure einem Arme des Meeres gleicht, und die Savanen, so weit das Auge reicht, überdeckt. Südwärts entdeckten wir die abgesonderten  Hügel von Coruato; im Osten begannen die Granitfelsen von Curiquima, der Zuckerhut von Caycara und die Berge von Tyran[29] (Cerros del Tirano) sich am Horizont zu erheben. Nicht ohne Rührung erblickten wir zum erstenmal nach langem Harren die Gewässer des Orenoko auf einem von der Küste so entfernten Punct.

[394] Siebentes Buch.

Neunzehntes Kapitel.

Verbindung des Rio Apure und des Orenoko. – Berge von Encuramada. – Uruana. – Baraguan. – Mündung des Meta. – Insel Panumana.

Als wir den Rio Apure verliessen, hatte die Landschaft ein völlig neues Aussehen erhalten. Die unermessliche Wasserfläche lag einem See gleich, so weit das Auge reichte, vor uns ausgedehnt. Schäumende Wellen wurden vom Kampf des Windes und der Strömung mehrere Fuss hoch emporgehoben. Die kreischenden Stimmen der Reiher, der Flamingos und der Löffelgänse, welche in langen Reihen von einem zum andern Gestade überfliegen, liessen sich jetzt nicht mehr in der Luft hören. Vergeblich sehen wir uns nach den Schwimmvögeln um, deren kunstreiche List sich in jedem Stamme verschieden offenbart. Die ganze Natur hatte ein minder belebtes Aussehen. Nur selten erblickten wir zwischen den hohlen Wellen einzelne grosse Crocodile, welche mittelst ihrer langen Schwänze die Fläche des unruhigen Wassers schief durchschnitten. Den Horizont begrenzte ein waldigter Kranz; allein nirgends dehnte der Wald sich bis zum Flussbette aus. Ein breites Gestade, von der Sonnenhitze allezeit ver-[395] brannt, öde und unfruchtbar wie das Gestade des Meers, sah von weitem, der Luftspieglung wegen, wie stillstehendes Wasser aus. Weit entfernt dem Strome Grenzen zu setzen, machten die Sandufer diese vielmehr ungewiss, und es erschienen dieselben, je nach dem wechselnden Spiel der Strahlenbrechung; bald näher und bald wieder entfernter.

In diesen einzelnen Zügen des Landschaftsgemäldes, in diesem Character der Einfachheit und der Grösse erkennt man den Lauf des Orenoko, eines der ersten unter den majestätischen Strömen der neuen Welt. Die Gewässer, so wie das Land, stellen überall eine eigenthümliche und bezeichnende Gestaltung dem Auge dar. Das Strombett des Orenoko hat ein anderes Aussehen als die Betten des Meta, des Guaviare, des Rio Negro und des Amazonenstroms. Ihre Verschiedenheiten beruhen nicht einzig nur auf Breite und Schnelligkeit des Laufes; sie gehen aus einem Inbegriff von Verhältnissen hervor, die auf Ort und Stelle leichter wahrzunehmen sind, als sie genau dargestellt werden mögen; so dass ein erfahrner Seemann aus der blossen Gestaltung der Wellen, aus der Farbe des Wassers, aus dem Ansehen des Himmels und der Wolken errathen könnte, ob er sich im atlantischen, im Mittelmeere oder im Aequinoctial-Theil des grossen Weltmeeres befindet.

Es wehete ein kühler Ost-Nord-Ost-Wind, dessen Richtung unser Stromaufwärtssegeln nach der Mission von Encaramada begünstigte; unsere Piroge leistete aber dem Wellenstosse so schwachen Wiederstand, dass Personen, welche der Seekrankheit ausgesetzt waren, auch auf dem Strome Uebelseyn litten. Das Gegeneinanderstossen der Gewässer bey der Vereinbarung beyder Ströme verursacht den Wellenschlag. Dieser Stoss ist sehr heftig, jedoch keineswegs so gefährlich, wie der [396] Pater Gumilla versichert[30]. Wir kamen bey der Punta Curiquima vorbey, die eine Masse von quarzigem Granit, ein kleines aus abgerundeten Blöcken bestehendes Vorgebirg ist. Hier hatte, am rechten Gestade des Orenoko, zur Zeit der Jesuiten, der Pater Rotella eine Mission von Palenkes und Viriviri- oder Guires-Indianern gestiftet. Zur Zeit der Ueberschwemmungen waren der Felsen Curiquima und das an seinem Fuss gelegene Dorf völlig mit Wasser umringt. Dieses sehr nachtheilige Verhältniss und die unzählbare Menge der Mosquitos und Niguas[31], von denen der Missionar und die Indianer geplagt wurden, bewogen sie den feuchten Ort zu verlassen. Jetzt ist derselbe gänzlich verödet; wogegen jenseits auf dem linken Stromufer die Hügel von Coruato den, theils aus den Missionen, theils von den Stämmen, welche nicht von Mönchen beherrscht sind, ausgestossenen herumstreichenden Indianern zum Aufenthalt dienen.

Die ausserordentliche Breite des Orenoko, zwischen der Mündung des Apure und dem Felsen Curiquima, bewog mich, sie mittelst einer zweymal auf dem westlichen Ufer gemessenen Basis zu messen. Das Bett des Stromes hatte in seinem gegenwärtigen Verhältniss des niedrigen Wasserstandes 1906 Toisen[32] Breite; dieselbe steigt aber auf 5517 Toisen[33] an, wenn zur Re-[397]genzeit der Felsen Curiquima und der Meyerhof des Capuchino, nahe beym Hügel von Pocopocori, zu Inseln werden. Das Anschwellen des Orenoko vermehrt sich durch den Andrang der Gewässer des Apure, welche keineswegs, gleich andern Flusseinmündungen, in einem spitzen Winkel mit dem höheren Theil des Haupt-Recipienten zusammen treffen, sondern sich unter einem rechten Winkel damit vereinbaren. Die Temperatur der Wasser des Orenoko, an mehreren Puncten des Strombetts gemessen, betrug mitten im Thalweg, wo die Strömung am stärksten ist, 28°, 3, in der Nähe der Ufer 29°, 2.

Wir fuhren anfangs in süd-westlicher Richtung den Fluss herauf, bis an´s Gestade der Guaricotos-Indianer am rechten Ufer des Orenoko, von da aber südwärts. Der Strom ist so breit, dass die Berge von Encaramada aus dem Wasser emporzusteigen scheinen, als sähe man sie über dem Horizont des Meeres. Sie bilden eine zusammenhängende Kette in der Richtung von Osten nach Westen; die Landschaft gewinnt, im Verhältniss wie man ihr näher kommt, ein mahlerischeres Aussehen. Es sind diese Berge aus ungeheuern zerspaltenen und über einander aufgehäuften Granitblöcken zusammengesetzt. Ihre Theilung in Blöcke ist die Wirkung der Zersetzung. Zur Verschönerung der Gegend von Encaramada trägt der kräftige Pflanzenwuchs wesentlich bey, welcher die Felsen-Abhänge deckt und einzig nur ihre abgerundeten Gipfel nackt lässt. Man glaubt altes Gemäuer, das mitten aus einem Walde emporragt, zu sehen. Der Berg selbst, an dessen Fuss die Mission gelegen ist, der Tepupano[34] der Tamanaken-Indianer, stellt auf seiner [398] Höhe drey ungeheure Granit-Cylinder dar, von denen zwey eingesenkt sind, während der dritte, dessen Untertheil ausgeschnitten und der über 80 Fuss hoch ist, eine senkrechte Stellung behalten hat. Dieses Felsstück, dessen Gestalt an den Schnarcher auf dem Harzgebirg, oder an die Actopan´schen Orgeln erinnert[35], gehörte vormals zu dem abgerundeten Gipfel des Berges. Unter allen Himmelsstrichen ist es dem nicht aufgeschichteten Granit eigenthümlich, sich durch Zersetzung in Blöcke von prismatischer, cylindrischer oder säulenartiger Gestaltung zu trennen.

Dem Gestade der Guaricotos gegenüber näherten wir uns einer andern, sehr niedrigen und drey bis vier Toisen langen Felsenmasse. Sie liegt mitten in der Ebene, und gleicht weniger einem tumulus, als jenen Granit-Steinmassen, die man im Norden von Holland und Deutschland Hünenbette, Grabmäler (oder Betten) der Helden nennt. Die Ufer des Orenoko sind in dieser Gegend nicht mehr ein reiner und quarziger Sand; sie bestehen aus Thon und Glimmerblättchen, welche in dünnen und meist zu 40 bis 50 Grad eingesenkten Schichten gelagert sind. Mann könnte zersetzten Glimmerschiefer zu sehen glauben. Dieser Wechsel in der geologischen Bildung der Ufer dehnt sich weithin über die [399] Mündung des Apure aus. Wir haben dieselbe an diesem letzteren Strom bis Algodonal und bis zum Canno del Manati wahrgenommen. Die Glimmerblättchen kommen unzweifelhaft von den Granitgebirgen von Curiquima und Encaramada her; denn weiter nördlich und östlich trifft man nur quarzigen Sand, Sandstein, dichten Kalkstein und Gyps an. Die von Süden nach Norden einander folgenden Anschwemmungen können uns am Orenoko nicht befremden; wie mag man sich hingegen die nämliche Erscheinung im Bette des Apure, sieben Meilen westwärts von seiner Mündung, erklären? In den jetzt bestehenden Verhältnissen werden auch bey dem grössten Wasserstand des Orenoko die Gewässer des Apure nie so weit zurückgetrieben; und um sich die Erscheinung zu erklären, sieht man sich genöthigt anzunehmen, die Glimmerschichten seyen zu einer Zeit abgelagert worden, wo diese ganze sehr niedrige Landschaft zwischen Caycare, dem Algodanal und den Bergen von Encaramada das Becken eines Binnensees bildete.

Wir verweilten einige Zeit im Hafen von Encaramada. Es ist derselbe eine Gattung embarcadere, ein Ort, wo die Schiffe sich versammeln. Ein 40 bis 50 Fuss hoher Fels bildet das Gestade. Es sind immer die gleichen übereinander gehäuften Granit-Blöcke, wie im fränkischen Schneeberg und in beynahe allen europäischen Granitbergen. Einige dieser abgesonderten Massen haben eine kugelförmige Gestalt; es sind jedoch keine aus concentrischen Schichten bestehende Kugeln, wie wir deren anderswo beschrieben haben, sondern blosse abgerundete Blöcke, Kerne, die durch Zersetzung von ihren Decken getrennt wurden. Dieser Granit ist bleygrau, öfters schwarz, wie mit Braunstein-Oxid überzogen; diese Farbe dringt jedoch nicht über eine Drit-[400]tel-Linie des Fossils, welches weiss-röthlich, grob-körnigt ist, und keine Hornblende enthält.

Guaja und Caramana[36] sind die indischen Namen der Mission von San Luis del Encaramada. Das Dörfchen ward im Jahr 1749 durch den Jusuiten, Pater Gili, den Verfasser der zu Rom erschienenen Storia dell Orinoco gegründet. Dieser in den Sprachen der Indier wohl bewanderte Missionar hat während achtzehn Jahren bis zur Vertreibung der Jesuiten in dieser Einsamkeit gewohnt. Um sich von dem wilden Zustand dieser Länder einen richtigen Begriff zu machen, muss man sich erinnern, dass der Pater Gili von Cari-[401]chana[37], dessen Entfernung von Encaramada 40 Meilen beträgt, als von einem weit entfernten Orte spricht, und dass er niemals bis zum ersten Cataract des Stromes, von dem er die Beschreibung unternommen hat, gelangt ist.

Im Hafen von Encaramada trafen wir Cariben aus Panapana an. Es war ein Cazike, der in seiner Piroge den Orenoko hinauffuhr, um dem berühmten Schildkröten-Eyerfang beyzuwohnen. Der Hintertheil seiner Piroge war wie ein Bongo abgeründet, und von einem kleineren Kahn, der curiara heisst, begleitet. Er sass unter einer Art Zelt (toldo), das gleich dem Segel aus Palmbaumblättern verfertigt war. Sein kalter und stummer Ernst, so wie die Ehrfurcht, mit der seine Begleiter ihn bedienten, deuteten die Wichtigkeit der Person an. Sonst trug der Cazike keine andere Kleidung als seine Indianer. Sie waren nämlich alle nackt, mit Bogen und Pfeil bewaffnet, und mit Onoto, dem färbenden Satzmehl des Rocon, bemalt. Der Häuptling, seine Diener, die Geräthschaften und die Segel, Alles war roth gefärbt. Diese Cariben schienen uns Menschen von fast athletischer Gestaltung zu seyn: wir fanden sie gar viel schlanker, als die Indier, welche uns bisher zu Gesicht gekommen waren. Ihre glatten und dichten Haare, an der Stirne wie bey den Chorknaben abgeschnitten, ihre schwarz gefärbten Augenbrauen, ihr finsterer, jedoch kräftiger Blick ertheilen ihrem Gesicht einen Ausdruck grosser Härte. Wir hatten bis dahin nur die in den europäischen Sammlungen aufbewahrten Schädel einiger Cariben von den Antillen Eilanden gesehen, und waren desnahen befremdet, bey diesen Indiern vom Urstamme die Stirne ungleich gewölbter (plus bombé) [402] anzutreffen, als solche uns waren beschrieben worden. Die sehr grossen, aber ekelhaft schmutzigen Weiber trugen ihre kleinen Kinder auf dem Rücken; um die Schenkel und Beine waren diesen letztern breite Bande von Baumwolltuch in einiger Entfernung von einander umgelegt. Das unter dem Verband stark zusammengepresste Fleisch war in den Zwischenräumen aufgeschwellt. Ueberhaupt bemerkt man, dass die Cariben auf ihr Aeusseres und auf ihren Schmuck so viele Sorgfalt wenden, als nackte und roth bemalte Menschen nur immer thun können. Sie legen auf gewisse Leibesformen einen grossen Werth, und eine Mutter würde der Gleichgültigkeit gegen ihre Kinder beschuldigt, wenn sie der Wade nicht die Gestalt, welche die Landessitte heischt, zu geben bemüht wäre. Da keiner unserer Indianer vom Apure die Caribensprache verstund, so konnten wir bey dem Caziken von Ponama auch keine Erkundigungen über die Lager einziehen, welche man zum Behuf des Einsammelns der Schildkröten-Eyer in dieser Jahreszeit auf verschiedenen Inseln des Orenoko veranstaltet.

In der Nähe der Encaramdada wird der Strom durch ein sehr langes Eiland in zwey Arme getheilt. Die Nacht brachten wir in einer Felsenbucht zu, der Mündung des Rio Cabullare gegenüber, der aus dem Payara des Apure angesehen wird, weil er mit diesem durch den Rio Arichuna zusammenhängt. Der Abend war schön und der Mond beleuchtete den Gipfel der Granitfelsen. Der feuchten Luft unerachtet war die Wärme so gleichförmig vertheilt, dass kein Funkeln bemerkt wurde, selbst zu 4° oder 5° Erhöhung über dem Horizont. Das Licht der Planeten war ausnehmend geschwächt; und wofern ich nicht, um der Kleinheit des [403] scheinbaren Durchmessers vom Jupiter willen, einen Irrthum in der Beobachtung zu muthmassen veranlasst wäre, würde ich sagen, dass wir hier zum erstenmal die Scheibe des Jupiters mit unbewaffnetem Auge zu unterscheiden glaubten. Gegen Mitternacht ward der Nord-Ost-Wind sehr heftig. Er führte keine Wolken herbey, aber das Himmelsgewölbe überzog sich zusehens mit Dünsten. Es traten starke Windstösse ein, welche für die Sicherheit unserer Piroge Besorgnisse erregten. Diesen ganzen Tag über hatten wir nur wenige Crocodile gesehen, die aber alle von ausnehmender Grösse, 20 bis 24 Fuss lang waren. Die Indianer behaupteten, die jungen Crocodile ziehen die Lachen und die weniger breiten und weniger tiefen Ströme vor; sie häufen sich sonderheitlich in den Cannos an, und man wäre versucht auf sie anzuwenden, was Abd-Allatif von den Nil-Crocodilen sagt:[38] „Sie wimmeln wie Würmer in den Untiefen des Stroms und um die unbewohnten Inseln her.“

Am 6. April ward die Fahrt den Orenoko hinauf fortgesetzt, anfangs in südlicher, hernach in süd-westlicher Richtung, und wir bekamen die Südseite der Serrania oder Bergkette von Encaramada zu Gesicht. Der dem Strom nächstgelegene Theil ist nicht über 140 bis 160 Toisen erhöhet; allein durch ihre steilen Abhänge, durch ihre Lage mitten in einer Savane, durch ihre in unregelmässige Prismen gehauenen Felsenspitzen erhält die Serrania ein sehr hohes Aussehen. Ihre grösste Breite beträgt nicht über drey Meilen; den mir von den Indiern der Pareka-Nation ertheilten Anzeigen zufolge breitet sich dieselbe ostwärts beträchtlich weiter aus. Die Gipfel der Encaramada bilden das nördlichste Glied einer Berggruppe, welche das rechte Ufer [404] des Orenoko, zwischen dem 5° und dem 7° 1/2 der Breite, von der Mündung des Rio Zama bis zu derjenigen des Cabullare begränzt. Die verschiedenen Teile, aus denen diese Gruppe besteht, sind durch kleine begraste Ebenen von einander gesondert. Es besteht kein vollkommener Gleichlauf zwischen ihnen, indem die nördlichsten die Richtung von West nach Ost, die südlichsten hingegen diejenigen von Nordwest nach Südost haben. Diese veränderte Richtung erklärt die Breitezunahme hinlänglich, welche in der Cordillere von la Parime ostwärts, zwischen den Quellen des Orenoko und des Rio Paruspa, wahrgenommen wird. Beym Vorrücken über die grossen Cataracten von Atures und Mayures hinaus, werden wir eine Reihe von sieben Hauptgliedern der Kette aufeinander folgen sehen, die von Encaramada oder Sacuina, von Chaviripa, vom Baraguan, von Carichana, von Uniama, von Calitamini und von Sipapo. Diese Uebersicht mag einen allgemeinen Begriff der geologischen Beschaffenheit des Landes gewähren. Ueber den ganzen Erdball erkennt man ein Streben nach regelmässiger Form in den Gebirgen, welche am unregelmässigsten gruppiert scheinen. Jedes Glied stellt sich den Schiffahrern auf dem Orenoko, in einem Querdurchschnitt, als ein abgesonderter Berggipfel dar; allein diese Absonderung ist nur scheinbar. Die Regelmässigkeit in der Richtung und Trennung der Glieder scheint, nach Massgabe wie man ostwärts vorrückt, abzunehmen. Die Berge von Encaramada schliessen sich an die des Meto an, auf denen der Rio Asiveru oder Cuchivero entspringt; diejenigen von Chaviripa dehnen sich durch die Granitgebirge von Carosal, von Amoco und von Muscielago bis zu den Quellen vom Erevato und Vertuari aus.

Durch dieses Gebirgland, das von Indianern be-[405]wohnt wird, die milde Sitten haben und sich mit dem Landbau beschäftigen[39] hatte der General Iturriade zur Zeit des Grenz-Zugs das für die Versorgung der neuen Stadt San Fernando de Atabapo bestimmte Hornvieh führen lassen. Die Bewohner von Encaramada zeigten damals den spanischen Soldaten den Weg des Rio Manapiari[40], der sich in den Ventuari ausmündet. Fährt man zwey Ströme herab, so gelangt man in den Orenoko und in den Atabapo, ohne den grossen Cataracten zu begegnen, welche dem Fortbringen des Viehes fast unübersteigliche Hindernisse entgegensetzen. Der Unternehmungsgeist, welcher die Castillanen zur Zeit der Entdeckung von America in so vorzüglichem Grad ausgezeichnet hatte, trat um die Mitte des achzehnten Jahrhunderts für einige Zeit neuerdings hervor, als König Ferdinand VI. die wahren Grenzen seiner ausgedehnten Besitzungen kennen wollte, und als in den Wäldern von Guiana, diesem classischen Boden der Lüge und mährchenhafter Ueberlieferungen, die Schlauheit der Indier jene trügerischen Begriffe von den Reichtümern des Dorado, welche die Phantasie der ersten Eroberer so mannichfach beschäftigt hatte, nochmals in's Leben rief.

Man fragt sich mitten in diesen Bergen von Encarama, die gleich den meisten grobkörnigen Granitfelsen keine Erzgänge haben, woher die Goldgeschiebe [406] kommen, welche Juan Martinez[41] und Raleigh bey den Indianern vom Orenoko in so grossser Menge gesehen zu haben versichern. Ich vermuthe, den Beobachtungen zufolge, welche ich in diesem Teil von America zu machen im Fall war, es liegt das Gold, wie das Zinn[42], zuweilen auf eine fast unmerkliche Weise durch die Masse des Granitgebirgs selbst zerstreut, ohne dass eine Verästelung oder Vereinbarung kleiner Gänge könne angenommen werden. Vor nicht gar langer Zeit haben die Indianer von Encaramada in der Quebrada del Tigre[43] ein Goldkorn von zwey Linien Durchmesser gefunden. Es war abgeründet und schien vom Wasser geschwemmt zu seyn. Diese Entdeckung war den Missionaren gar viel wichtiger als den Ur-Einwohnern; sie blieb aber einzeln und ohne Wiederholung.

Ich kann dieses erste Glied der Bergkette von Encaramada nicht verlassen, ohne einer Thatsache zu gedenken, die dem Pater Gili nicht unbekannt geblieben war, und die wir während unseres Aufenthalts in den Missionen vom Orenoko öfters zu hören Gelegenheit hatten. Unter den Ur-Einwohnern hat sich der Glaube an die Ueberlieferung erhalten, dass, „zur Zeit der [407] grossen Gewässer, wo ihre Väter sich in Kähnen aus der allgemeinen Ueberschwämmung retten mussten, die Felsen von Encaramada durch die Meeresfluthen bespült wurden.“ Es findet sich dieser Glaube nicht etwa nur bey einem einzelnen Volke, den Tamanaken, sondern es ist derselbe Bestandteil eines Systems geschichtlicher Ueberlieferungen, wovon die zerstreuten Angaben bey den Maypuren der grossen Cataracten, bey den Indianern vom Rio Erevato[44], welcher sich in den Caura ergiesst, und bey fast allen Volksstämmen am Ober-Orenoko angetroffen werden. Fragt man die Tamaranken, wie das Menschengeschlecht die grossse Sündfluth, das Zeitalter der Gewässer der Mexicaner überlebt habe, so antworten sie: „Ein Mann und ein Weib retten sich auf einen hohen Berg, welcher Tamanacu heisst und an den Gestaden des Asiveru liegt; sie warfen die Früchte der Mauritia-Palme über ihre Häupter rücklings, und aus den Kernen dieser Früchte sind Männer und Weiber entsprossen, welche die Erde neuerdings bevölkert haben.“ In solcher Einfachheit wird unter gegenwärtig wilden Völkern eine Ueberlieferung angetroffen, die von den Griechen mit allem Reiz der Phantasie ausgeschmückt worden ist. Einige Meilen von Encaramada erhebt sich, mitten in der Savane, ein Felsstück, welches Tepu-mereme; der gemalte Fels, heisst. Derselbe stellt Thierbilder und symbolische Schriftzüge dar, die denen ähnlich sind, welche wir, auf der Rückreise den Orenoko herab, in der Nähe der Stadt Caycara antrafen. In Africa werden ähnliche Fel-[408]sen von den Reisenden Fetisch-Steine genannt. Ich werde diesen Namen nicht gebrauchen, weil die Verehrung der Fetische unter den Ur-Einwohnern des Orenoko nicht herrscht, und weil ich nicht glaube, dass die Bilder der Sterne, der Sonne, der Tiger und Crocodile, die wir auf diesen Felsen eingegraben fanden, Gegenstände einer religiösen Verehrung dieser Völker bezeichnen. Zwischen den Gestaden des Cassiquiare und des Orenoko, zwischen Encaramada, Capuchino und Caycara kommen diese Hieroglyphen-Bilder oftmals in grosser Erhöhung an Felsmauern vor, die dort nur mittels sehr hoher Gerüste zugänglich seyn würden. Fragt man die Ur-Einwohner, wie es möglich war, diese Bilder in den Felsen zu graben, so antworten sie lächelnd durch Hinweisung auf Thatsachen, die nur einem Fremden, einem weissen Menschen unbekannt bleiben konnte, „zur Zeit der grossen Wasser seyen ihre Väter in Kähnen zu jener Höhe gelangt.“

Es gewähren diese altertümlichen Sagen des Menschengeschlechts, die wir gleich den Trümmern eines grossen Schiffbruchs über den Erdball zerstreut antreffen, dem philosophischen Forscher der Geschichte des Menschen das höchste Interesse. Wie gewisse Familien der Pflanzen, des Einflusses der Höhen und der Verschiedenheit der Climate unerachtet, das Gepräge eines gemeinsamen Urbildes beybehalten, so stellen auch die cosmogonischen Ueberlieferungen der Völker überall die gleichartige Gestaltung und Züge der Aehnlichkeit dar, die uns zur Bewunderung hinreissen. So mancherley Sprachen, welche völlig vereinzelten Stämmen anzugehören scheinen, überliefern uns die nämlichen Tatsachen. Das Wesentliche der Angaben über die zerstörten Stämme und über die Erneuerung der [409] Natur, ist nur wenig abweichend[45]; jedes Volk aber ertheilt ihnen sein örtliches Colorit. Auf den grossen Festlanden, wie auf den kleinen Inseln des stillen Oceans, ist es jedesmal der höchste und nächste Berg, auf den sich die Ueberreste des Geschlechts der Menschen gerettet haben, und das Ereigniss erscheint in dem Verhältnisse jünger, als die Völker ungebildeter sind, und als das, was sie von sich selbst wissen, auf engeren Zeitraum beschränkt ist. Wer die mexicanischen Alterthümer aus den Zeiten, welche der Entdeckung der neuen Welt vorangingen, aufmerksam erforscht, wer mit dem Innern der Wälder des Orenoko, mit der Kleinheit und Vereinzelung der europäischen Einrichtungen, und hinwieder auch mit den Verhältnissen der unabhängig gebliebenen Völkerstämme bekannt ist, der kann unmöglich versucht seyn, die bemerkten Aehnlichkeiten dem Einfluss der Missionarien und des Christenthums auf die National-Ueberlieferungen zuschreiben zu wollen. Gleich unwahrscheinlich ist es, dass der Anblick von Seekörpern, die auf den Berghöhen vorkommen, unter den Völkern an Orenoko die Vorstellung der grossen Ueberschwemmungen erzeugt haben sollte, durch welche die Keime des organischen Lebens auf dem Erdball für einige Zeit sind erstickt worden. Die Landschaft, welche sich vom rechten Ufer des Orenoko bis zum Cassiquiare und Rio Negro ausdehnt, ist ein dem Urgebirge angehöriges Land. Ich fand darin eine kleine Sand-oder Conglomerat-Formation; aber keinen Secondar-Kalkstein und keine Spur von Versteinerungen.

Ein frischer Nord-Ost-Wind brachte uns mit vollen Segeln nach der boca de la Tortuga. Um eilf Uhr [410] Vormittags landeten wir auf einer Insel, welche die Indianer der Mission Uruana als ihr Eigenthum betrachten, und die mitten im Flusse liegt. Das Eiland ist durch den Schildkröten Fang berühmt, oder durch die jährlich darauf veranstaltete cosecha, Schildkröten-Eyersammlung. Wir trafen daselbst eine über dreyhundert Personen starke Gesellschaft von Indiern an, welche unter Hütten aus Palmbaumblättern gelagert waren. Die unter ihnen herrschende lebhafte Bewegung musste uns um so mehr auffallen, weil wir seit San Fernando de Apure nur ödes Küstenland zu sehen gewohnt waren. Ausser den Guamos und Otomacos von Uruana, die als zwey wilde und störrige Stämme gelten, hatten sich auch Cariben und andere Indianer vom untern Orenoko eingefunden. Jeder Stamm war absonderlich gelagert, und zeichnete sich durch eigenthümliche Hauptfärbung aus. Wir fanden mitten unter dem lärmenden Haufen etliche weisse Menschen, hauptsächlich pulperos oder Krämerleute von Angostura, die den Strom herauf gekommen waren, um das Oel der Schildkröten-Eyer von den Einwohnern zu kaufen. Der aus Alcala de Henarez gebürtige Missionar von Uruana kam uns entgegen, und war über unsere Erscheinung nicht wenig befremdet. Nachdem er unsere Instrumente bewundert hatte, machte er uns eine übertriebene Vorstellung der Beschwerlichkeiten, denen wir beym Aufsteigen des Orenoko, über die Cataracten hinauf, ausgesetzt seyn würden. Der Zweck unserer Reise däuchte ihm sehr geheimnissvoll. „Wer wird glauben, sagte er, dass ihr euer Vaterland verlassen habet, um euch auf diesem Strome von den Mosquitos verzehren zu lassen, und um Länder zu vermessen, die nicht euer sind?“ Wir waren glücklicherweise mit Empfehlungen des Pater Guardian der Franciscaner-Misssionen versehen, und [411] der Schwager des Statthalters von Varinas, welcher uns begleitete, beseitigte bald vollends das Misstrauen, welches unsere Kleidung, unsere Mundart und unser Eintreffen auf diesem sandigen Eyland bey den Weissen veranlasst hatten. Der Missionar lud uns zu seinem aus Pisangfrüchten und Fischen bestehenden einfachen Mahl ein. Wir vernahmen von ihm, dass er für die Zeit der Eyer-Ernte in's Lager der Indianer gekommen sey, „um jeden Morgen unter freyem Himmel eine Messe zu lesen, um sich das zum Unterhalt der Kirchen Lampe erforderliche Oel zu verschaffen, hauptsächlich aber um diese republica de Indios y Castellanos, worin jeder für sich allein nur benutzen möchte, was Gott Allen geschenkt hat, in Ordnung zu halten.“

Wir machten eine Gang um die Insel in Gesellschaft des Missionar und eines pulpero, der sich rühmte, nun bereits seit zehn Jahren das Lager der Indier und die pesca de tortugas besucht zu haben. Es wird diese Gegend am Gestade des Orenoko ungefähr eben so besucht, wie bey uns die Messen von Frankfurt oder von Baucaire. Wir befanden uns in einer vollkommen flachen Sand-Ebene. „So weit ihr am Ufer hinsehen könnt, sagte man uns, liegen Schildkröten-Eyer unter der Erdschichte.“ Der Missionar hielt eine lange Stange in der Hand. Er zeigte uns, wie man durch Sondiren mit dieser Stange (vara) die Ausdehnung der Eyerschichte ungefähr eben so ausmittelt, wie der Bergmann die Grenzen eines Lagers von Mergel, Ortstein (fer limoneux) oder Steinkohlen bezeichnet. Beim senkrechten Eindrücken der Stange nimmt man an dem plötzlich aufhörenden Widerstande wahr, dass man in die Höhlung der Schichte des lockeren Erdreichs gelangt ist, worin die Eyer enthalten sind. Wir sahen diese Schichte so allgemein und gleichförmig verbreitet, [412] dass in einem Umkreis von zehn Toisen um eine bezeichnete Stelle her die Sonde überall antrifft. Auch spricht man hier nur von Geviert-Ruthen Eyer: Es ist gleichsam ein Grubenland, das in Loose vertheilt und aufs regelmässigste bebaut wird. Jedoch ist es lange nicht der Fall, dass die Eyerschichte sich über die ganze Insel ausdehnt: wo der Boden plötzlich ansteigt, da kommt dieselbe nirgends vor, weil die Schildkröte zu jenen etwas erhöheten Plätzen nicht gelangen mag. Ich erzählte meinen Führern die schwülstigen Angaben des Pater Gumilla[46], welcher versichert, die Gestade des Orenoko enthalten nicht so viele Sandkörner, als der Strom Schildkröten enthält, und es müssten diese Thiere die Schiffahrt völlig unmöglich machen, wenn nicht jährlich durch Menschen und Tiger eine so grosse Menge derselben getödtet würde. „Son cuentos de frailes“, sagte ganz leise der pulpero von Angostura; denn, weil arme Missionarien die einzigen Reisenden in diesem Lande sind, so nennt man Mönchs-Mährchen, was in Europa Reise-Mährchen heissen würde.

Die Indianer versicherten uns, man möge beym Herauffahren des Orenoko, von seiner Ausmündung bis zu seinem Zusammenfluss mit dem Apure, kein Eyland und kein Gestade finden, auf denen nicht Eyer in Menge angetroffen würden. Die grosse Schildkröte Arrau[47] [413] meidet die von Menschen bewohnten oder von Schiffen vielbesuchten Orte. Sie ist ein furchtsames und argwöhnisches Thier, das den Kopf aus dem Wasser hervorstreckt, und sich beym mindesten Geräusche verbirgt. Die Gestade, auf denen sich fast alle Schildkröten vom Orenoko alljährlich zu sammeln scheinen, sind zwischen dem Zusammenfluss des Orenoko mit dem Apure und den grossen Cataracten oder Raudales, das will sagen, zwischen Cabruta und der Mission von Atures gelegen. Hier befinden sich die drey berühmten Fischereyen von Encaramada oder Boca del Cabullare, von Cucurparu[48] oder Boca de la Tortuga und von Pararuma, etwas unterhalb von Carichana. Die Schildkröte Arrau scheint nicht über die Cataracten aufzusteigen, und man versicherte uns, dass oberhalb von Atures und Maypures keine anderen als Terekay-[49]Schildkröten vorkommen. Es ist  hier der Ort, ein Paar Worte von der Verschiedenheit dieser zwey Arten, und von ihrem Verhältniss zu den verschiedenen Familien der schildkrötigenartigen Thiere zu sagen.

Wir wollen mit der Arrau-Schildkröte anfangen, welche die Spanier der Missionen kurzweg tortuga nennen, und deren Daseyn für die Völker vom untern Orenoko den höchsten Werth hat. Das Thier ist eine grosse Süsswasser-Schildkröte, mit Füssen, deren Zehen durch eine Schwimmhaut verbunden sind, mit sehr flachem [414] Kopf, zwey fleischigen, stark zugespitzten Anhängseln unter dem Kinn, fünf Nägeln an den Vorder- und vier Nägeln an den Hinterfüssen, welche unterhalb gestreift sind. Die Schaale besteht aus 5 mittleren, 8 Seiten- und 24 Randschuppen. Die Farbe ist oberhalb grau-schwärzlich und unterhalb orangengelb. Die Füsse sind gleichfalls gelb und sehr lang. Zwischen den Augen bemerkt man eine tiefe Furche. Die Nägel sind sehr stark und sehr gewölbt. Der After steht zu 1/5 vom Endtheil des Schwanzes entfernt. Das erwachsene Thier wägt 40 bis 50 Pfund. Seine Eyer, viel grösser als Taubeneyer, sind so länglich nicht wie die Terekay-Eyer. Sie sind mit einer kalkigten Kruste überzogen und, wie man versichert, fest genug, um den Kindern der Otomaken-Indianer, die grosse Ballspieler sind, statt der Kugeln zu dienen, die sie in die Höhe und einander zuwerfen. Wenn die Arrau-Schildkröte im Strombett über den Cataracten vorkäme, so würden die Indianer vom Ober-Orenoko einen so weiten Weg nicht machen, um sich das Fleisch und die Eyer des Thiers zu verschaffen. Man hat aber vormals ganze Völkerschaften von Atabapo und vom Cassiquiare von jenseits des Raudales kommen sehen, um an der Fischerey in Uruana Theil zu nehmen.

Die Terekays sind kleiner als die Arrau. Ihr Durchmesser beträgt meist nicht über 14 Zoll. Die Zahl der Schuppen ihrer Schaalen ist der nämliche, hingegen weicht die Stellung dieser Schuppen etwas ab. Ich habe drey in der Mitte und fünf sechseckige auf jeder Seite gezählt. Die Ränder sind mit 24 durchaus viereckigen und stark eingekrümmten Schuppen besetzt. Die Farbe der Schale ist schwarz auf grün schillernd: Füsse und Nägel sind wie bey der Arrau. Das ganze Thier ist olivengrün, hat aber auf dem Scheitel des [415] Kopfs zwey roth-gelbe Flecken. Die Brust ist ebenfalls gelb und mit einem stachlichen Anhängsel versehen. Die Terekays versammeln sich nicht, wie die Arrau oder Tortugas, in grosser Menge, um ihre Eyer gemeinsam und am gleichen Gestade abzulegen. Die Terekays-Eyer haben einen angenehmen Geschmack, und sind unter den Bewohnern des spanischen Guiana sehr beliebt. Man findet sie am Ober-Orenoko wie unterhalb der Cataracten, und sogar auch im Apure, im Uritucu, im Guarico und in kleinen Flüssen, welche die Llanos von Caracas durchströmen. Die Bildung der Füsse und des Kopfs, die Anhängsel des Kinnes und der Brust, so wie die Lage des Afters scheinen anzudeuten, dass die Arrau- und vermuthlich auch die Terekay-Schildkröte einer neuen Gattungs-Abtheilung angehören, die von den Emyden getrennt werden kann. Sie nähern sich durch die Bärbchen und die Stellung des Afters der Emys Nasuta des Hrn. Schweigger und der Matamata-Schildkröte des französischen Guiana; von den letzteren unterscheiden sie sich hingegen durch die Schuppen, welche mit keinen pyramidalischen Erhöhungen besetzt sind.[50]

[416] Der Zeitpunct, wo die große Arrau-Schildkröte ihre Eyer legt, trifft mit dem kleinsten Wasserstand [417] zusammen. Da der Orenoko vom Frühlings-Aequinoctium an zu wachsen beginnt, so liegen seine niedrigsten Gestade von Ende Jänners bis zum 20. oder 25. März trocken. Die Arrau-Schildkröten, welche vom Jänner an in Rotten zusammenhalten, kommen alsdann aus dem Wasser hervor und wärmen sich an der Sonne, indem sie sich auf den Sand legen. Die Indianer glauben, eine beträchtliche Wärme sey der Gesundheit des Thieres unentbehrlich, und das Sonnen befördere das Eyerlegen. Man trifft die Arrau-Schildkröte den ganzen Hornung durch auf dem Gestade an. Zu Anfang März versammeln sich die zerstreuten Rotten, und schwimmen auf die nicht zahlreichen Inseln hin, wo sie ihre Eyer zu legen gewohnt sind. Wahrscheinlich besucht die gleiche Schildkröte alljährlich auch das nämliche Gestade. Um diese Zeit und einige Tage, ehe das Eyerlegen seinen Anfang nimmt, zeigen sich diese Thiere bey Tausenden in langen Reihen an den Ufern der Inseln Cucuruparu, Uruana und Pararuma mit ausgestrecktem Hals und den Kopf über dem Wasser emporhaltend, um zu sehen, ob von Tigern oder Menschen keine Gefahr droht. Die Indianer, de-[418]nen es wichtig ist, daß die versammelten Rotten vollständig bleiben, daß die Schildkröten sich nicht zerstreuen und daß das Eyerlegen ruhig und ungestört vor sich gehe, stellen in gewissen Entfernungen am Gestade Schildwachen aus. Die Schiffleute werden erinnert, ihre Fahrzeuge in der Strommitte zu halten, und jedes Geräusch, das die Schildkröten schrecken könnte, zu vermeiden. Das Eyerlegen geschieht immer zur Nachtzeit, und fängt gleich nach Sonnenuntergang an. Das Thier gräbt mit seinen sehr langen und mit gekrümmten Nägeln versehenen Hinterpfoten eine Grube, welche drey Fuß Durchmesser hat und zwey Fuß tief ist. Der Angabe der Indianer zufolge wird zu Befestigung des Ufersandes dieser mit dem Harn der Schildkröte befeuchtet. Man glaubt dies am Geruch wahrzunehmen, wenn man ein kürzlich gegrabenes Loch, oder, wie man hier sagt, ein Eyernest (Nidada de huevos) öffnet. Der Drang zum Eyerlegen ist bey diesen Thieren so groß, daß einige sich dafür der Löcher bedienen, die von andern gegraben, aber noch nicht mit Erde wieder ausgefüllt worden sind. Sie bringen alsdann auf die schon in der Grube vorhandene eine zweyte Eyerlage. Bey der lärmenden Unruhe werden eine große Menge Eyer zerschlagen. Der Missionar zeigte uns, indem er den Sand an verschiedenen Stellen aufrührte, daß dieser Verlust einen Drittheil der ganzen Ernte betragen mag. Das Gelbe der Eyer trägt, indem es vertrocknet, dazu bey, den Sand zu verkitten, und wir haben sehr ansehnliche verhärtete Massen von Quarzkörnern und zerbrochenen Muschelschalen angetroffen. Die Zahl dieser am Ufer die Nacht über arbeitenden Thiere ist so groß, daß man des Morgens noch Manche mitten in der unvollendeten Arbeit überrascht. Sie sind alsdann vom doppelten Bedürfniß, des Eyer-[419]legens und des Zudeckens der gegrabenen Löcher, damit der Tiger sie nicht wahrnehmen möge, gedrängt. Für sich selbst kennen diese im Rückstand gebliebenen Schildkröten keine Gefahr. Sie setzen ihre Arbeit in Gegenwart der Indier, die das Gestade am frühen Morgen besuchen, fort. Man nennt sie thörichte Schildkröten (tortues folles). Der Heftigkeit ihrer Bewegungen unerachtet lassen sie sich leicht mit der Hand fangen.

Die drey Lager, welche die Indier an den obbezeichneten Orten beziehen, nehmen zu Ende März und in den ersten Tagen des Aprils ihren Anfang. Das Eyerlesen geschieht überall gleichförmig und mit derjenigen Regelmäßigkeit, die den mönchischen Anstalten eigenthümlich ist. Ehe die Missionarien an diesen Gestanden eintrafen, ward das von der Natur in solchem Ueberfluß hier niedergelegte Erzeugniß gar viel weniger benutzt. Jeder Volksstamm wühlte den Boden nach Gutfinden auf, und eine ungeheure Menge Eyer ward unnütz zerbrochen, weil man beym Nachgraben unvorsichtig zu Werke gieng, und weil mehr Eyer gefunden als weggebracht werden konnten. Das Verhältniß war ungefähr das nämliche, wie dasjenige einer von ungeschickten Bergleuten bearbeiteten Grube. Den Jesuiten-Vätern gebührt das Verdienst, Regel und Ordnung in die Arbeit gebracht zu haben; und obgleich die Franciscaner-Mönche, die Nachfolger der Jesuiten in den Missionen am Orenoko, den Pfad ihrer Vorgänger zu verfolgen sich rühmen, so gehen sie doch leider keineswegs mit der erforderlichen Vorsicht dabey zu Werke. Die Jesuiten gestatteten nicht, daß das ganze Ufer durchwühlt werde: sie ließen einen Theil desselben unberührt, aus Besorgniß, es könnte die Race der Arrau-Schildkröte wo nicht vertilgt, doch bedeutend ver-[420]mindert werden. Jetzt wird diese Vorsicht nicht mehr beobachtet, und man glaubt auch bereits zu bemerken, daß die Ernte von Jahr zu Jahr abnimmt.

Wenn das Lager eingerichtet ist, so ernennt der Missionar von Uruana seinen Statthalter oder Commissar, welcher den eyerhaltenden Boden in verschiedene Portionen theilt, nach der Zahl der indischen Stämme, die an der Ernte Theil nehmen. Sie sind alle Indianer der Missionen, so nackt und völlig roh als die Indianer der Wälder: man nennt sie reducidos und neofitos, weil sie, wenn die Glocke läutet, zur Kirche gehen, und weil sie gelernt haben, während der Segnung niederknieen.

Der Statthalter oder comissionado del Padre beginnt seine Verrichtungen mit dem Sucher (sonde). Er untersucht, wie wir oben gesagt haben, mit einer langen hölzernen Stange oder mit einem Bambus-Rohr, wie weit die Eyerschichte sich ausdehnt. Unseren Messungen zufolge erstreckt sich dieselbe bis 120 Fuß vom Stromufer. Ihre Tiefe beträgt im Durchschnitt drey Fuß. Der comissionado steckt Zeichen aus zu Bestimmung des Puncts, wo jeder Stamm mit seiner Arbeit einhalten soll. Mit einigem Erstaunen hört man den Ertrag der Eyer-Sammlung wie denjenigen eines gut bebauten Ackers werthen. Ein genau gemessener Area von 120 Fuß Länge und 30 Fuß Breite mochte wohl 100 Schiffkrüge, oder für eintausend Franken Oel ertragen. Die Indianer graben die Erde mit den Händen auf; die ausgehobenen Eyer legen sie in kleine Körbe, welche Mappiri heißen; sie tragen diese ins Lager, und werfen den Inhalt in lange hölzerne Tröge voll Wasser. In diesen Trögen bleiben die mit Schaufeln zerbrochenen und umgerüttelten Eyer der Sonne so lange ausgesetzt, bis das Gelbe (der ölige Theil), welches oben schwimmt, [421] sich verdichtet hat. Nach Maßgabe, wie dieser ölige Theil sich auf der Oberfläche des Wassers sammelt, wird derselbe abgeschöpft und über einem starken Feuer gekocht. Man behauptet, dieses thierische Oel, das die Spanier manteca de tortugas[51] nennen, erkalte sich um so besser, je einer stärkeren Kochung es unterworfen worden ist. Gut zubereitet, ist dasselbe klar, geruchlos und nur von schwach gelblichter Farbe. Die Missionarien vergleichen es dem besten Oliven-Oel, und man gebraucht es nicht nur für die Lampe, sondern vorzüglich auch zur Bereitung der Speisen, denen es keinerley widrigen Geschmack ertheilt. Es hält indessen ziemlich schwer, sich ein völlig reines Eyer-Oel zu verschaffen. Gewöhnlich hat dasselbe einen fauligten Geruch, welcher von der Beymischung solcher Eyer herrührt, worin durch die andauernde Sonnenhitze die jungen Schildkröten (los tortuguillos) bereits ausgebildet sind. Dies Mißgeschick erfuhren wir vorzüglich bey unsrer Rückkehr vom Rio Negro, wo wir uns eines braun und stinkend gewordenen flüssigen Fettes bedienen mußten. Ein faseriger Stoff hatte sich auf dem Boden der Gefäße gesammelt, und man erkennt hieran die Unreinigkeit des Schildkröten-Oels.

Ich will hier einige statistische Angaben einrücken, die ich auf Ort und Stelle theils von dem Missionar von Uruana und seinem Statthalter, theils von den Krämern aus Angostura zu erforschen im Fall war. Das Gestade von Uruana liefert jährlich 1000 botijas[52], [422] oder Schiffkrüge Oel (manteca). Ein Schiffkrug (jarre) wird in der Hauptstadt von Guiana, gemeinhin Angostura genannt, mit zwey bis dritthalb Piaster bezahlt. Man kann annehmen, daß der Gesammtertrag der drey Gestade, auf welchen jährlich die cosecha oder Eyer-Ernte veranstaltet wird, auf 5000 botijas ansteigt. Da nun zweyhundert Eyer zu Füllung einer Flasche oder limeta hinreichendes Oel liefern, so sind für einen Schiffkrug oder botija 5000 Eyer erforderlich. Berechnet man die Zahl der Eyer, welche von einer Schildkröte gelegt werden, auf 100 oder 116, und nimmt man an, es gehe ein Drittheil der Eyer im Moment des Legens, sonderheitlich durch die thörichten Schildkröten zu Grund, so ergiebt sich, daß, um jährlich 5000 Schiffkrüge Oel zu erzielen, 330,000 Arrau-Schildkröten, deren Gewicht 165,000 Centner beträgt, auf den drey zur Einsammlung benutzten Gestaden 33 Millionen Eyer legen müssen. Die Ergebnisse dieser Rechnungen erreichten die Wahrheit noch lange nicht. Viele Schildkröten legen nur 60 bis 70 Eyer; sehr viele dieser Thiere werden im Augenblick, wo sie aus dem Wasser steigen, durch Jaguare verzehrt. Die Indianer nehmen viele Eyer weg, um sie an der Sonne getrocknet zu speisen; sie zerbrechen viele andere unvorsichtiger Weise beym Einsammeln. Die Menge der Eyer, aus denen, ehe der Mensch sie hervorgräbt, die Jungen ausschlüpfen, ist so groß, daß ich um das Lager von Uruana her das ganze Ufer des Orenoco von kleinen Schildkröten wimmeln sah, die einen Zoll im Durchmesser hielten und den Nachstellungen der indischen Kinder zu entfliehen Mühe hatten. Bedenkt man dazu noch weiter, daß nicht alle Arrau's sich auf den drey Gestaden sammeln, wo die Lager errichtet werden, daß auch viele ihre Eyer einzeln, zer-[423]streut und einige Wochen später[53], zwischen der Mündung des Orenoko und dem Zusammenfluß des Apure legen, so sieht man sich genöthigt anzunehmen, es mögen wohl nahe an eine Million Schildkröten seyn, die alljährlich ihre Eyer auf den Gestaden von Unter-Orenoko legen. Diese Zahl ist sehr bedeutend für ein so großes Thier, dessen Gewicht auf einen halben Centner ansteigt, und das der Mensch in solcher Menge zerstört. Gemeiniglich geschieht die Fortpflanzung in beschränkterem Maße bey den großen als bey den kleineren Thieren.

Die Arbeit des Eyersammelns und die Zubereitung des Oeles dauert drey Wochen. In dieser Zeit allein nur stehen die Missionen in Verbindung mit der Küste und mit den benachbarten civilisirten Ländern. Die Franciscaner-Mönche, welche südwärts der Cataracten wohnen, kommen zur Eyer-Ernte, nicht so fast um sich Oel zu verschaffen, als um, wie sie sich ausdrücken, [424] „weisse Gesichter“ zu sehen, und um zu vernehmen, ob der König im Escurial oder in St. Ildefonso wohne, ob die Klöster in Frankreich aufgehoben bleiben, sonderheitlich aber auch, ob der Türke sich noch immer ruhig verhalte. Dies ist der Inbegriff der Dinge, die einen Mönch vom Orenoko ausschließlich interessiren, und worüber die kleinen Krämer von Angostura, die diesen Schildkröten-Markt besuchen, Aufschluß zu geben nicht im Stande sind. Neuigkeiten, welche ein weißer Mensch aus der Hauptstadt bringt, bezweifelt in diesen fernen Landen Niemand. Zweifeln ist dem Vernünfteln nahe verwandt; und wie sollte man es nicht beschwerlich finden, seinen Verstand zu üben, wo man das Leben mit Klagen über das heiße Klima und über den Stich der Mousquitos zubringt?

Der Gewinn, den die Oelhändler machen, beträgt 70 oder 80 vom 100; denn die Indianer verkaufen ihnen den Schiffkrug oder die botija für einen harten Piaster, und die Transportkosten betragen nicht über 2/5 Piaster vom Schiffkrug[54]. Die Indianer, welche die cosecha de huevos besuchen, bringen auch eine sehr große Menge an der Sonne getrockneter oder einem geringen Siedegrad unterworfener Eyer nach Hause. Unsere Ruderer hatten immer Körbe oder kleine Säcke von Baumwolltuch mit solchen Eyern angefüllt. Ihr Geschmack [425] kam uns, wenn sie gut erhalten sind, nicht unangenehm vor. Man zeigte uns große, durch Jaguar-Tiger geleerte Schildkröt-Schalen. Diese Thiere folgen der Arrau-Schildkröte an die Gestade, wo sie ihre Eyer legt. Sie überfallen solche auf dem Sand; und um sie desto bequemer verzehren zu können, wenden sie dieselbe also um, daß der Brustschild aufwärts gekehrt ist. In dieser Lage können die Schildkröten sich nicht wieder aufrichten; und weil der Jaguar ungleich mehrere derselben wendet, als er in einer Nacht frißt, so benutzen die Indianer öfters seine List und seine bösartige Gier zu ihrem eignen Vortheil.

Bedenkt man, wie schwierig es für den reisenden Naturforscher ist, die Körper der Schildkröte herauszunehmen, ohne die Decke vom Brustschild zu trennen, so kann man die Gewandtheit der Pfote des Tigers nicht sattsam bewundern, die den gedoppelten Panzer der Arrau-Schildkröte ausleert, als wären die Muscular-Bande mit einem chirurgischen Instrumente gelöst worden. Der Jaguar verfolgt die Schildkröte bis in's Wasser, wenn dieses nicht sehr tief ist. Er gräbt auch die Eyer hervor; und nebst dem Crocodil, dem Reiher und dem Gallinazo-Geyer ist er der grausamste Feind der kleinen, eben erst ausgekrochenen Schildkröten. Im Jahr zuvor ward die Insel Pararuma durch Crocodile während der Eyerzeit dermaßen beunruhigt, daß die Indianer in einer einzigen Nacht, mittelst gekrümmter und mit Seekuhfleisch besetzter Eisen, achtzehn dieser Thiere von zwölf bis fünfzehn Fuß Länge einfiengen. Neben den Waldthieren, wovon so eben die Rede war, thun auch die wilden Indianer der Oelfabrication bedeutenden Schaden. Durch die ersten Regenschauer, wel-[426]che sie Schildkröt-Regen (peje-canepori)[55] nennen, aufmerksam gemacht, begeben sie sich an die Gestade des Orenoko, und tödten mit vergifteten Pfeilen die Schildkröten, welche mit emporstehendem Kopf und ausgestreckten Füßen sich an der Sonne wärmen.

Wenn schon die jungen Schildkröten (tortuguillos) die Schale ihres Eyes am Tage durchbrochen haben, so sieht man sie doch immer erst zur Nachtzeit aus der Erde schlupfen. Die Indianer behaupten, das junge Thier scheue die Sonnenhitze; sie versuchten auch, uns zu zeigen, wie die junge Schildkröte, wenn sie in einem Sack weit vom Ufer hinweggetragen und so gestellt wird, daß sie dem Gestade den Rücken zuwendet, dennoch ohne Anstand den kürzesten Weg zum Wasser einschlägt. Ich gestehe zwar, daß dieser Versuch, von welchem auch schon der Pater Gumilla gesprochen hat, nicht immer gleich gut geräth: im Allgemeinen aber schien es mir, daß diese Thierchen in großer Entfernung vom Ufer, und selbst auch auf einer Insel, mit ausnehmend zartem Gefühl unterscheiden, von welcher Seite her der feuchteste Wind weht. Wenn man über diese Eyerschichte nachdenkt, die sich beynahe ununterbrochen längs dem Gestade ausdehnt, und über die Tausende kleiner Schildkröten, die, so wie sie ausgeschlüpft sind, das Wasser suchen, so mag man schwerlich glauben, daß eine solche Menge von Schildkröten, die ihre Nester am nämlichen Ort haben, ihre Jungen unterscheiden, und sie, wie die Crocodile thun, zu den benachbarten Lachen des Orenoko führen können. Es ist jedoch zuverlässig der Fall, daß das Thier seine ersten Lebensjahre in den Lachen zubringt, deren Wasser nicht tief sind, und daß nur das erwachsene Thier [427] erst in's Bett des großen Stromes zurückkehrt. Wie mögen nun aber die tortuguillos diese Lachen auffinden? Werden sie durch weibliche Schildkröten, wie der Zufall sie darreicht, adoptirt und dorthin geleitet? Die weniger zahlreichen Crocodile legen ihre Eyer in abgesonderte Löcher, und wir werden bald sehen, daß in dieser Eidechsen-Familie das weibliche Thier um die Zeit, wo die Incubation zu Ende geht, sich wieder einfindet, die Jungen ruft, welche seiner Stimme antworten, und denselben meist auch beym Auskriechen behülflich ist. Die Arrau-Schildkröte erkennt ohne Zweifel, wie das Crocodil, den Ort, wo sie ihre Eyer gelegt hat; weil sie aber nicht auf das Gestade zurückkehren darf, wo die Indianer ihr Lager aufgeschlagen haben, wie sollte sie ihre Jungen von den ihr nicht angehörigen tortuguillos unterscheiden können? Die Otomaken-Indianer behaupten hinwieder, zur Zeit der Ueberschwemmungen weibliche Schildkröten von einer großen Zahl junger Schildkröten begleitet angetroffen zu haben. Es waren dies vielleicht solche Arrau's, die auf einer öden Küste ihre Eyer abgesondert gelegt hatten und dorthin zurückkehren konnten. Die männlichen Thiere sind äußerst selten, und unter mehreren hundert Schildkröten trifft man kaum eine männliche an. Die Ursache dieser Seltenheit kann nicht die gleiche seyn, wie bey den Crocodilen, die in der Brunstzeit ihre gefährlichen Kämpfe bestehen.

Unser Pilote hatte in der Playa de huevos angehalten, um daselbst einige Provisionen, die uns zu mangeln anfiengen, einzukaufen. Wir fanden hier frisches Fleisch, Angostura-Reiß und selbst auch aus Waizenmehl bereiteten Zwieback. Unsere Indianer füllten die Piroge, für ihren eignen Bedarf, mit kleinen lebendigen Schildkröten und an der Sonne getrockneten [428] Eyern. Nachdem wir vom Missionar aus Uruana, welcher uns mit vieler Herzlichkeit behandelt hatte, Abschied genommen hatten, giengen wir gegen 4 Uhr Abends unter Segel. Der Wind wehete kühle und stoßweise. Seit wir den gebirgigten Theil des Landes erreicht hatten, bemerkten wir, daß unsere Piroge ein schlechter Segler sey; der Patron aber wollte den am Gestade versammelten Indiern zeigen, daß, wenn er recht dicht beym Winde segle, er alsdann mit einem einzigen Schlag die Mitte des Stroms erreichen möge. In dem Augenblick, wo er sich seiner Geschicklichkeit und kühnen Schwenkung rühmte, ward der Stoß des Windes auf den Segel so heftig, daß wir auf dem Puncte waren unterzusinken. Die eine Seite des Fahrzeugs stand unter Wasser und dieses drang mit solcher Gewalt ein, daß es uns bis über die Kniee gieng. Es überschwemmte ein Tischchen, worauf ich im Hintertheil des Schiffes gerade mit Schreiben beschäftigt war. Mit Mühe mochte ich mein Tagebuch retten und augenblicklich sahen wir unsere Bücher, unsere Papiere und unsere getrockneten Pflanzen im Wasser schwimmen. Hr. Bonpland hatte sich mitten in die Piroge gelagert und schlief. Durch das eindringende Wasser und das Geschrey der Indianer geweckt, beurtheilte er unser Verhältniß mit der Gleichmüthigkeit, welche er jederzeit unter den schwierigsten Umständen zu Tage gelegt hat. Weil die eingesenkte Seite des Schiffes sich während des Windstoßes von Zeit zu Zeit emporhob, hielt er das Fahrzeug noch nicht für verloren. Sollte es auch verlassen werden müssen, so glaubte er, könnten wir uns durch Schwimmen retten, weil kein Crocodil in der Nähe war. Während dieser Ungewißheit riß plötzlich das Tauwerk des Segels. Der nämliche Windstoß, der uns seitwärts geworfen hatte, hob uns jetzt hinwieder [429] empor. Mit den Früchten der Crescentia Cujete ward hierauf ungesäumt das Wasser aus der Piroge geschöpft: die Segel wurden ausgebessert, und vor Abfluß einer halben Stunde sahen wir uns im Stand weiter zu fahren. Der Wind hatte sich etwas gelegt. Windstöße, die mit gänzlicher Luftstille wechseln, sind übrigens in diesem Theil des von Bergen eingeschlossenen Stromes sehr gewöhnlich. Sie werden für überladene Schiffe ohne Verdeck gefährlich, und wir waren gleichsam durch ein Wunder gerettet. Der Pilote empfieng mit indischem Pflegma die Vorwürfe, die ihm über sein dicht beym Winde Segeln gemacht wurden, indem er kaltblütig erwiederte: „es werde den Weissen auf diesen Gestaden nicht an Sonne zum Trocknen ihrer Papiere fehlen. Wir hatten nur ein einziges Buch eingebüßt. Es war der erste Band von Schreber's Genera Plantarum, welches in's Wasser fiel. Man wird für solche Verluste empfindlich, wenn man auf eine kleine Zahl wissenschaftlicher Bücher beschränkt ist.

Bey Eintritt der Nach biwackten wir auf einer unfruchtbaren, mitten im Strom, nahe bey der Mission Uruana gelegenen Insel. Bey schönem Mondschein nahmen wir unser Abendessen ein, auf großen Schildkrötschalen sitzend, die am Ufer zerstreut lagen. Die Freude, uns Alle vereint zu sehen, war groß! Wir stellten uns die Lage eines Menschen vor, welcher sich allein aus dem Schiffbruch gerettet hätte, an diesen Gestaden wanderte und vielmals an Ströme geriethe, die sich in den Orenoko ergießen, und über die man, um der Menge von Crocodilen und Caribes-Fischen willen, nicht ohne Gefahr schwimmen kann. Wir dachten uns den für zarte Gefühle empfänglichen Menschen mit dem Schicksal seiner Unglücksgefährten völlig unbekannt, und mehr um sie, als um sich selbst beküm-[430]

 Am 7. April sahen wir rechts die Ausmündung des grossen Rio Arauca, der durch die Menge Vögel, welche er ernährt, berühmt ist, und links die Mission Uruana, gemeiniglich die Concepcion de Urbana genannt. Dies kleine Dorf, welches 500 Seelen zählt, ward um's Jahr 1748 durch die Jesuiten gemeinsam aus Otomaken und Cavères- oder Cabres-Indianern gebildet. Es liegt am Fuss eines aus einzelnen Granitblöcken beste-[431]henden Berges. Der Name dieses Berges ist, wo ich nicht irre, Saraguaca. Steinhaufen, die durch Verwitterung von einander getrennt sind, bilden Höhlen, worin ganz unzweydeutige Zeugnisse einer vormaligen Cultur der Ur-Einwohner angetroffen werden. Es finden sich daselbst Hieroglyphen-Bilder und sogar auch in gerader Linie stehende Zeichen. Ich zweifle, dass diese Zeichen mit einer alphabetischen Schrift verwandt seyen.[56] Wir haben auf der Rückreise vom Rio Negro die Mission Uruana besucht, und daselbst mit eignen Augen die Erdhaufen gesehen, welche die Otomaken speisen, und die ein Gegenstand vielfältiger Untersuchungen in Europa geworden sind.

Die Vermessung der Breite des Orenoko zwischen den Eylanden, welche Isla de Uruana und Isla de la manteca heissen gab uns beym hohen Wasserstand eine Breite von 2674 Toisen[57], welche beynahe 4 Seemeilen betragen. Es ist dies achtfach die Breite des Nils bey Manfoulat und Syont[58]; indess befanden wir uns bey 194 Meilen von der Ausmündung des Orenoko entfernt. Die Temperatur des Wassers auf seiner Oberfläche betrug in der Nähe von Uruana 27°,8 des hunderttheiligen Thermometers. Diejenige des Stromes Zaire oder Congo in Africa ward in gleicher Entfernung vom Aequator[59], vom Capitän Tuckey, in den Monaten Julius und August , nur zu 23°,9 bis 25°,6 angetroffen. [...]



[1] Hermesia castaneifolia. Es ist eine neue, der Alchornea von Swarz verwandte Gattung. (Siehe unsere Plantes équinox., Tom.I, p. 163, Pl. XLVI).

[2] Crax alector, C. Pauxi.

[3] "Es ist wie im Paradiese."

[4] Es ist das Arué der Tamanaken-Indianer, das Amana der Maypuren-Indianer, der Crocodilus acutus des Hrn. Cuvier.

[5] Mungo-Parks last Mission to Africa, 1815, pag. 89.

[6] Cavia Capybara, Lin. Das Wort Chiguire gehört der Palenken- und Cumanagoten-Sprache an. (Siehe oben Th. 2; Kap. 9, S. 241.). Die Spanier nennen das Thier Guardatinaja, die Cariben Catigda, die Tamanaken Cappiva, die Maypuren Chiato. Nach Azzara giebt man ihm in Buenos Ayres die indianischen Namen Capiygua und Capiguara. Diese verschiedenen Namen bieten eine auffallende Aehnlichkeit zwischen den Sprachen vom Orenoko und denjenigen vom Rio de la Plata dar.

[7] Zu Ausmittlung der Schnelligkeit der Ströme auf ihrer Wasserfläche habe ich gewöhnlich am Ufer eine Länge von 250 Fuss gemessen, und am Chronometer die Zeit bezeichnet, welche ein dem Strom überlassener schwimmender Körper brauchte, um den nämlichen Raum zu durchlaufen.

[8] Eine Art der Mimosa.

[9] Wir haben auf jeder Seite 18 Scheidewände (lames) gezählt.

An den Hinterfüssen, oben am Mittelknochen, findet sich eine Schwiele, 3 Zoll lang und ¾ Zoll breit, die unbehaart ist. Beym Sitzen ruht das Thier auf diesem Theil. Ein auswärts sichtbarer Schwanz ist nicht vorhanden; biegt man aber die Haare zurück, so nimmt man einen Hübel wahr, eine nackte runzlige Fleischmasse, von kegelförmiger Gestaltung und einen halben Zoll lang.

[10] Nahe bey Uritucu, im Canno del Ravanal, sahen wir eine Heerde von 80 bis 100 Stücken.

[11] baxo techo.

[12] Der Pater Gili behauptet, in indischer Name sey Uamu und Pau, und sie haben ursprünglich am obern Ampure gewohnt.

[13] Ihr indischer Name ist Guaiva (auszusprechen Guahiva).

[14] Salmo rhombeus, Lin.

[15] Siehe die Abhandlung über die Fische der americanischen Aequinoctial-Länder, die ich gemeinsam mit Hrn.Valenciennes in den Observ. de Zoologie, Vol. II, p. 145, bekannt gemacht habe.

[16] Garzon chico. In Ober-Egypten glaubt man, die Reiher lieben das Crocodil, weil ihnen beym Fischfang der Schrecken zu gut kommt, den das monströse Thier den Fischen einjagt, die es aus der Tiefe nach der Oberfläche des Wassers jagt; an den Nilgestaden bleibt jedoch der Reiher klüglich in einiger Entfernung vom Crocodil. (Geoffroy de Saint-Hilaire, in den Annales du Mus., T. IX, p.384).

[17] Das erste dieser Worte gehört der Tamanaken-, das zweyte der Otomaken-Sprache an. Der Pater Gili hat gegen Oviedo bewiesen, dass das Wort Manati (Fisch mit Händen) nicht spanisch ist, sondern der Haiti- (von Saint-Domingue) und Maypuren-Sprache angehört. Storia del Orinoco, Tom. I, p. 84, Tom. III, p. 225. Ich glaube ebenfalls, dass, dem Geist der spanischen Sprache zufolge, das Thier Manudo oder Manon, niemals aber Manati genannt worden wäre.

[18] Man behauptet, es gebe solche, die bey 8000 Pfund wiegen (Cuvier in den Ann. du Mus., Tom. XIII, p. 282).

[19] Siehe über die Seekuh vom Orenoko und von den Antillen meinen Rec. d'Observ. de Zool., Tom. II, p.170. Schon der Pater Caulin hat vom Manati gesagt: "Tiene dos brazuelos sin division de dedos y sin unnas." (Hist. De Nueva Andal., p. 49).

[20] Fiebermachend.

[21] Am Gestade des Apure fanden wir folgende Pflanzen: Ammania apurensis, Cordia cordifolia, C. grandiflora, Mollugo sperguloides, Myosotis lithispermoides, spermacoce diffusa, Coronilla occidentalis, Bignonia apurensis, Pisonia pubescens, Ruellia viscosa, neue Arten der Jussieva, und eine Gattung aus der Familie der Composeen, der Rolandra verwandt, Hr. Kunth's Trichospira menthoides.

[22] Vespertilio spectrum.

[23] Hr. Latreille hat gefunden, dass die Mousticos von Südcarolina zur Gattung Simulium gehören (Atractocera Meigen).

[24] Der letzte (Crax Pauxi) ist minder häufig als der erste.

[25] Etwas weniger, als die Breite der Seine am Pont Royal dem Pallast der Tuillerien gegenüber beträgt.

[26] Die Temperatur der Luft betrug an beyden Orten 31°, 2 und 32°, 4.

[27] Ich habe diese zu 1/4 der Entfernung berechnet.

[28] Tuckey Exped. to the Congo 1818. Einleitung S. 17.

[29] Dieser Name ist vermuthlich Anspielung auf die Unternehmung des Antonio Sedenno: auch der Hafen von Caycara, gegenüber von Cabruta, führt heutzutage noch den Namen dieses Conquistadors.

[30] Orinoko illustrado, Tom. I, p. 47.

[31] Die Tschike´s oder Sandflöhe (Pulex penetrans, Lin.), welche dem Menschen und den Affen ihre Eyer unter die Nägel der Fusszehnen legen.

[32] Oder 3714 Meters oder 4441 Varas

(1 Meter = 0t,51307=1v,19546 berechnet).

[33] Oder 10753 Meters oder 12855 Varas

[34] Tepu-pano, Steingegend, worin man tepu, Stein, Felsen findet, wie in tepu-iri, Berg. Es ist dies abermals die Lesghier, tartarisch: oygursche Wurzel, tep (Stein), die in America bey den Mexicanern im tepetl, bey den Cariben im tebou, bey den Tamanaken im tepuiri wieder angetroffen wird, und eine merkwürdige Verwandtschaft der Sprachen am Caucasus und in Ober-Asien mit denjenigen an den Gestaden des Orenoko darbietet.

[35] In der Reise des Kapitän Tuckey an den Rio Congo findet sich die Abbildung eines Granit-Felsen des Taddi Enzazi, welcher dem Berg von Encaramada ungemein gleich sieht.

[36] Die Missionen in Süd-America führen insgesammt Namen, welche aus zwey Worten zusammengesetzt sind, wovon das erste allzeit der Name eines Heiligen (des Kirchen-Patrons) und der zweyte ein indischer Name ist (des Volks, das sie bewohnt und der Gegend, worin die Einrichtung getroffen ward). So sagt man San Jose de Maypures, Santa Cruz de Cachipo, San Juan Nepomuceno de los Atures, u. s. w. Diese zusammengesetzten Namen werden aber in amtlichen Schriften der Urkunden nicht gebraucht; die Einwohner bedienen sich nur des einen, und gewöhnlich, wofern er wohllautend ist, des indischen Namens. Weil die Heiligen-Namen in nahe beysammen liegenden Orten mehrmals angewandt werden, so veranlassen diese Wiederholungen eine grosse Verwirrung in der Erdbeschreibung. Die Namen San Juan, San Pedro und San Diego erscheinen auf unsern Charten wie zufällig hingeworfen. Die Mission von Guaja stellt (wie man versichert) ein sehr seltenes Beyspiel der Zusammensetzung zweyer spanischer Worte dar. Das Wort Encaramada bedeutet, was übereinander liegt, von encaramar, attolere. Man leitet es von der Gestaltung des Tepupano und der benachbarten Felsstücke her: Vielleicht ist es nur ein indisches Wort (Caramana), worin man, wie in Manati, durch Etymologiensucht geleitet, eine spanische Bedeutung zu finden geglaubt hat.

[37] Saggio di Storia Americana, Tom. I, p. 122.

[38] Descript. de l´Egypte, trad. par M. Sylvestre de Sacy, p. 141.

[39] Die Mapoyes-,Parecas-, Javaranas- und Curacicanas-Indianer, die schöne Pflanzungen (conucos) in den Savanen haben, mit denen diese Waldungen umgeben sind.

[40] Don Miguel Sanchez, der Anführer des kleinen Zuges, setzte zwischen Encaramada und dem Rio Manapiari über den Rio Guainaima, der sich in den Cuchivero ergiesst. Sanchez starb, durch diese Reise erschöpft, an den Ufern des Ventuari.

[41] Der Gefährte von Diego de Ordaz.

[42] So findet sich das Zinn im Granit neuer Formation (zu Geyer), im Graisen oder Hyalomicte (zu Zinnwald) und im syenitischen Porphyr (zu Altenberg in Sachsen, so wie in der Gegend von Naila im Fichtelgebirge). Ich habe auch in der Oberpfalz das Eisen und den schwarzen erdigen Cobalt, ohne alle Gänge, in einer Granitmasse, die keinen Glimmer enthielt, zerstreut angetroffen, wie das titanische Eisen in vulcanischen Fossilien vorkommen.

[43] Bergschlucht des Tigers.

[44] Für die Indianer vom Erevato kann ich mich auf das Zeugniss, unseres unglücklichen Freundes Fray Juan Gonzales berufen, welcher sich lange Zeit in den Missionen von Caura aufgehalten hat. Siehe oben, Th. 2. S. 301.

[45] Siehe meine Monumens des peuples indigènes de l'Amerique, p 204, 206, 223, 227.

[46] Tam difficultoso es contar las arenas de las dilatadas playas del Orinoco, como contar el immenso numero de tortugas que alimenta an sus mergens y corrientes. - Se non ubiesse tan exorbitante consumo de tortugas, de tortuguillos y de huevos, el Rio Orinoco, aun de primera magnitud, se bolberia innavegable, sirviendo, de embarazo a las embarcaciones la multitud imponderable de tortugas. Orinoco, Illustre., Tom. I, p. 331-336.

[47] Wird Ara-ou ausgesprochen. Das Wort gehört der Maypure-Sprache an, und muss nicht mit Arué verwechselt werden, was bey den Tamanaken, den Nachbarn der Maypuren, ein Crocodil bezeichnet. Die Otomaken nennen die Schildkröte von Uruana Achea; die Tamanaken Peje.

[48] Oder Curucuruparu. Ich habe beym Herunterfahren des Orenoko die Breite dieser Insel bestimmt.

[49] Im Spanischen Terecayas.

[50] Ich schlage vor, der Matamata von Brugnières oder der Testudo fimbriata von Gmelin (Schoepf, tab. 21), welche Hr. Dumeril zur Bildung seiner Gattung Chelys gebraucht hat, einstweilen zur Seite zu setzen:

            Testudo Arrau, testa ovali subconvexa, ex griso nigrescenti, subtus lutea, scutellis dici 5, lateralibus 8, marginalibus 24, omnibus planis (nec mucronato-conicis), pedibus luteis, mento et gutture subtus biappendiculatis.

            Testudo Terekay, testa ovalis, atro-viridi, scutellis disci 3, lateralibus 10, marginalibus 24, capitis vertice maculis duabus ex rubro flavescentibus notato, gutture lutescenti, appendiculo spinoso.

Diese Beschreibungen sind keineswegs vollständig, aber es sind die ersten, welche von zwey seit langer Zeit durch die Erzählungen der Missionarien so berühmten und durch den Nutzen, welchen die Einwohner davon ziehen, so merkwürdigen Schildkröten zu geben versucht wurden. Man bemerkt in den in der Sammlung des Jardin du Roi befindlichen Individuen, dass bey der Testudo fimbriata (zu 25 Randschuppen) die Oeffnung des Afters beynahe die gleiche Lage hat, wie bey den zwey Schildkröten vom Orenoko, deren Unterscheidungs-Merkmale ich hier angebe, und wie bey Tryonix ægyptica, nämlich auf 1/4 vom Endtheil des Schwanzes. Es verdient diese Stellung des Afters die Aufmerksamkeit des Zoologen; sie nähert, eben so wie das Daseyn eines verlängernden Rüssels im Matamata, die Chelyden den Tryonix; diese Gattungen sind hingegen durch die Zahl der Nägel und durch die Festigkeit der Schale von einander unterschieden. Hr. Geoffroy hatte, durch andere Gründe geleitet, diese Verhältnisse auch bereits angenommen (Annales du Museum, T.XIV, p.19.). Bey den Chelonien, den Landschildkröten und den wahren Emyden befindet sich der After an der Stelle, wo der Schwanz anfängt. Ich habe in meinem Tagebuch nur ganz junge Individuen der Testudo Arrau beschrieben. Des Rüssels geschieht dabey keine Erwähnung; wofern ich mich auf mein Gedächtniss verlassen könnte, würde ich sagen, die erwachsene Arrau-Schildkröte sey nicht, wie die Matamata, mit einem Rüssel versehen. Es darf übrigens nicht vergessen werden, dass die Gattung Chelys nur bey der Kenntniss einer einzigen Art ist gebildet worden, und dass also, was der Art angehört, mit dem Kennzeichen der Gattung verwechselt werden konnte. Die wesentlichen Charactere der neuen Gattung Chelys bestehen in der Gestalt des Mundes und in den häutigen Anhängseln des Kinns und des Halses. Die wahre Testudo fimbriata von Cayenne, deren Schuppen kegelförmig und pyramidalisch sind, habe ich in America nie angetroffen, und ich bemerkte mit um so mehr Verwunderung, dass der Pater Gili, Missionar in Encamarada, auf 320 Meilen Entfernung von Cayenne, bereits in einem 1788 ausgegebenen Werke die Arrau-und Terekay-Schildkröte von einer viel kleineren unterscheidet, welche er Matamata nennt. Er giebt ihr in seiner italienischen Beschreibung, il guscio non convesso come nelle altre tartarughe, ma piano, scabroso e deforme. Diese letzteren Kennzeichen passen recht gut auf die Testudo fimbriata, und weil der Pater Gili weder in der Zoologie bewandert, noch mit den Büchern dieses Faches bekannt war, so darf man annehmen, er habe die Matamata vom Orenoko so beschrieben, wie er sie gesehen hat. Aus diesen Forschungen erhellet, dass drey verwandte Arten, die Arrau, die Terkay und die Testudo fimbriata auf dem neuen Festland nahe beysammen vorkommen.

[51] Schildkröten-Fett. Die Tamanaken-Indianer geben ihm den Namen carapa; die Maypuren nennen es timi.

[52] Jede botija enthält 25 Flaschen: sie beträgt 1000 bis 1200 Cubik-Zoll.

[53] Diejenigen Arrau-Schildkröten, welche ihre Eyer vor Anfang des Märzmonats legen (es bringen nämlich bey verschiedenen Individuen der gleichen Art, die mehr oder minder häufige Sonnung, die Nahrung und eigenthümliche Organisation, solche Abweichungen hervor), steigen mit den Terekays aus dem Wasser, deren Eyerlegen im Jänner und im Hornung statt findet. Der Pater Gumilla glaubt, es seyen dies die Arrau-Schildkröten, welche das Jahr zuvor nicht legen konnten! Was der Pater Gili von den Terekay's meldet (Tom. I, p. 96, 101 und 297), stimmt völlig mit dem überein, was ich von dem Statthalter der Otomaken von Uruana vernahm, der die castillansche Sprache verstund, und mit dem ich mich unterreden konnte. Es hält ziemlich schwer, die Eyer der Terekay-Schildkröte zu sammeln, weil diese Thiere sie zerstreut legen und sich nicht zu Tausenden dafür auf der nämlichen Küste sammeln.

[54] Ankauf-Preis von 300 botijas, 300 Piaster. Transportkosten: ein Fahrzeug, laecha, mit vier Ruderern und einem Steuermann, 60 p.; zwey Kühe zur Nahrung der Ruderer für 2 Monate 30 p.: zusammen 420 Piaster. Die 300 botijas werden in Angostura, einem Durchschnittpreis von 10 Jahren zufolge, für 600 bis 750 Piaster verkauft.

[55] In der Tamanaken-Sprache, aus peje Schildkröte, und canepo Regen.

[56] Siehe meine Monumens des peuples de l'Amerique (Folio-Ausg.,) Tom. I, p. 61.

[57] Oder 5211 Meters, oder 6230 Varas.

[58] Girard, sur la Vallée d'Egypte, p.12.

[59] In der südlichen Halbkugel.