Aus der Provinz Preußen sind weitere amtliche Mitteilungen folgenden Inhalts eingegangen.

Am Ende des Jahres 1867 waren in Königsberg annähernd folgende Getreidevorräte vorhanden: 2.200 Last Weizen, 2.400 Last Roggen, 780 Last Gerste, 1.200 Last Hafer, 600 Last Erbsen, 100 Last Bohnen. Diese Zahlen dürfen darüber beruhigen, dass es an den zur Ernährung der Bevölkerung erforderlichen Viktualien fehle.

Einige Zeitungen haben es auffällig gefunden, dass im jüngsten Berichte der »Prov. Correspondenz« aus Ostpreußen vorweg festgestellt war, dass es nicht an Lebensmitteln an und für sich fehle, sondern nur an Geld für die ärmeren Klassen, um sich die Lebensmittel zu verschaffen. Alle Einsichtigen haben jene Mitteilung richtig gewürdigt, da bei jedem Notstand selbstverständlich die Untersuchung vor allem darauf zu richten ist, ob etwa in dem betroffenen Landesteile Lebensmittel überhaupt nicht vorhanden sind, mithin eine Versorgung der Provinz mit Getreide etc. nötig erscheint. Es kam darauf an und wird auch weiter darauf ankommen, jederzeit amtlich festzustellen, wie es in dieser Beziehung steht.

Der schon im Oktober v. Js. angeordneten Ermäßigung des Frachttarifs auf der Ostbahn ist es zu danken, dass sich die gedachten Getreidevorräte angesammelt haben. Ihre Versendung nach außen lässt sich nach den Preisverhältnissen nicht annehmen.

Die Versorgung der verschiedenen Gegenden Ostpreußens mit Lebensmitteln nach Maßgabe des Bedürfnisses wird voraussichtlich auf keine Schwierigkeiten stoßen. Es wird daher immer die Hauptfrage der Staatsregierung bleiben, durch öffentliche Arbeiten der arbeitenden Klasse Erwerbsquellen zu eröffnen. In dieser Beziehung hat sich bisher namentlich die Herstellung des zweiten Geleises der  Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Preußische Ostbahn
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Ostbahn
als vortreffliche Maßregel gegen den Notstand bewährt. Sie beschäftigt unter andern im Kreise Wehlau 250, im Heiligenbeiler 700, im Stallupöner 200, im Gumbinner circa 450 Arbeiter, deren Arbeitsverdienst auf 8 bis 10 Sgr. täglich anzunehmen ist. Dieser steigert sich auf 14 bis 16 Sgr. beim Bau des  Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/König-Wilhelm-Kanal
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König Wilhelms-Kanals
, der 181 Arbeiter, und bei der Befestigung der Stadt Memel, die 347 Arbeiter beschäftigt. Die  Vgl. hierzu die Ausführungen des Predigers Oldenberg für den Central-Ausschuss für innere Mission, in: EZA 7/19141, Bl. 152 ff., vor allem ab Bl. 101.
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Staats- und Kreis-Chausseebauten
, fast in allen vom Notstand betroffenen Kreisen in Angriff genommen oder doch zur baldigen Ausführung vorbereitet, beschäftigen unter andern im Labiauer Kreise 150, im Wehlauer 180, im Gerdauener 140, im Friedländer etwa 150, im Preuß. Eylauer 360, im Rastenburger etwa 300, im Rösseler einige 100, im Mohrunger 180, im Tilsiter einige 100, im Stallupöner 660, im Goldapper 50, im Pillkallener ca. 80, im Gumbinner 50 Arbeiter. Der Arbeitsverdienst hat im Herbste, wo noch die Tage länger und die Erdarbeiten noch nicht durch den Frost erschwert oder ganz verhindert waren, in einigen Gegenden die Höhe von 12½ Sgr. täglich erreicht. Jetzt schwankt er zwischen 7 und 10 Sgr.

Auch die  Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ostpreußische Südbahn
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ostpreußische Südbahn
beschäftigt namentlich im Rastenburger Kreise, und zwar zwischen Rastenburg und Lötzen, 32 und bei den Nacharbeiten auf der Strecke zwischen Rastenburg und der Friedländer Kreisgrenze 160 Arbeiter. Es werden dabei 10 bis 12 Sgr. täglich verdient.

In den Königlichen Forsten findet ebenfalls ein Teil der arbeitenden Klasse Beschäftigung, z. B. 1.200 Arbeiter im Labiauer Kreise beim Holzeinschlage. Der Arbeitsverdienst beträgt 8–10 Sgr.

Die Witterung war durch den Eintritt starken Schneefalls und ungewöhnlichen Frostes, der sich um die Weihnachtszeit bis auf 25 Grad steigerte, den eben erwähnten Arbeiten nicht günstig. Die Erdarbeiten bei den Chausseebauten wurden großenteils, namentlich in schwerem Boden, eingestellt. In den Forsten waren die erwähnten Witterungsverhältnisse namentlich dem Stubbenroden, dem Aufarbeiten von Stockholz und dem Sammeln von Tannenzapfen hinderlich. Im Angerburger Kreise ist trotz des Frostes die Entwässerung des Faulen und Ploetzen-Sees fortgesetzt; sie beschäftigt 75 Arbeiter, die zwischen 8 und 10 Sgr. verdienen. Bei den Meliorationsarbeiten des Narpe-Kattenauer Bruches sind bis vor kurzem 250 Arbeiter beschäftigt gewesen, jetzt ist ihre Zahl etwas geringer.

Im Allgemeinen erscheinen die eröffneten Arbeitsstellen als dem zeitigen Bedürfnisse entsprechend. Ihre Vermehrung hat sich nur hier und da als dringend notwendig herausgestellt, namentlich im Kreise Labiau, wo verstärkter Holzeinschlag gewünscht wird; im Kreise Mohrungen, wo im ersten Termine zur Annahme von Arbeitern für die Kreis-Chausseebauten von Mohrungen nach Liebstadt und von Saalfeld in der Richtung auf Weinsdorf am 6. Januar er. kaum der vierte Teil der sich meldenden Arbeiter angenommen werden konnte, ferner im Kreise Heiligenbeil, wo die von der Ostbahn entfernteren Gegenden den Mangel öffentlicher Arbeitsstellen empfinden.

In allen Fällen der Art ist die Regierung bedacht gewesen, die geeigneten Arbeiten in die Wege zu leiten, und hat, soweit es dabei auf die Hergabe von Mitteln aus der Staatskasse ankommt, zu deren Bewilligung sie selbst nicht ermächtigt ist, die erforderlichen Anträge höheren Orts gestellt.

Durch Feststellung der Bahnlinie der Thorn-Insterburger Eisenbahn in den Hauptpunkten ist jetzt die Möglichkeit gewährt, neue Arbeitsstellen vorzubereiten. Die Verstärkung des mit 100.000 Tlrn. für jeden der beiden Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen von der Staatsregierung ausgesetzten Fonds zu Vorschüssen auf das Baukapital von Kreis-Chausseebauten wird der Vermehrung und Erweiterung der Arbeitsstellen sehr förderlich sein.

Das Unterkommen finden die Arbeiter meistens in den nahe bei den Arbeitsstellen gelegenen Ortschaften, wo sie in der Regel mit ihrer Familie wohnen und eigene Ökonomie führen. Im Königsberger Landkreise haben es die für die einzelnen Chausseestrecken bestehenden Baukommissionen übernommen, den Arbeitern aus entlegenen Ortschaften passende Logis und Beköstigung zu verschaffen. Im Heiligenbeiler Kreise sind in Keimkallen und Bregden hölzerne heizbare Buden unmittelbar an den Arbeitsstellen aufgerichtet, welche den Arbeitern ermöglichen, ihr Mittagsmahl im geschützten Raum einzunehmen, auch ist dafür gesorgt, das die Leute Kaffee und warme Kost erhalten, und zu dem Ende einem Schankwirt aus Heiligenbeil die Butikerei auf der Arbeitsstelle gestattet. Zur Beseitigung der Erdhütten, in welchen sich einige Eisenbahnarbeiter im Lötzener Kreise einquartiert hatten, ist von der Gumbinner Regierung darauf hingewirkt, dass heizbare Baracken von der Verwaltung der Ostpreußischen Südbahn gebaut werden.

Eine weitere Erleichterung wird zunächst im Gumbinner Regierungsbezirk durch  Vgl. http://www.routemigration.angekommen.com
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Anwerbung von etwa 300 Arbeitern für die Schlesischen Bergwerke
seitens des Königlichen Oberbergamts zu Breslau gewährt werden. Diese Arbeiter werden voraussichtlich in den nächsten Tagen nach ihrem neuen Bestimmungsorte abgehen. Das Auskommen ihrer Familien ist durch Gewährung einer einmaligen Unterstützung von 3 Thalern und Ablieferung eines Teils des Arbeitslohns an dieselbe als gesichert zu betrachten.

Auch für die Beschäftigung der zahlreichen Personen beiderlei Geschlechts, welche zu Eisenbahn- und Straßenbauten und ähnlichen Arbeiten im Freien nicht befähigt und daher auf häusliche Arbeit angewiesen sind, ist Fürsorge getroffen. Die Wirksamkeit in dieser Richtung hat sich namentlich der unter dem Protektorate Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen stehende Verein zur segensreichen Aufgabe gestellt. Fast in allen vom Notstand betroffenen Kreisen entwickelt sich die Vereinstätigkeit zur Lösung derselben unter Mitwirkung der landwirtschaftlichen Vereine. Auch aus Kreis-Kommunalmitteln sind zum Teil die erforderlichen Fonds gewährt.

Die im Gumbinner Kreise bestehende Organisation der Spinnereien ist besonders zweckmäßig. An ihrer Spitze steht nach einem Kreistagsbeschlusse die Kreis-Armen-Kommission mit Zuziehung eines Ratsherrn aus Gumbinnen, unter dieser 27 Bezirks-Kommissarien, deren Bezirke die nach Schulsozietäten abgegrenzten Lokalspinnereien umfassen.

Das Haupt-Depot, aus welchem Flachs und Heede ausgegeben wird, befindet sich in Gumbinnen im Speicher eines Kommissionärs, von dem die Kommissarien das erforderliche Material in Quantitäten von 2–3 Zentner gegen Empfangsbescheinigung abholen lassen. Das fertige Gespinst ist demnächst wieder an den Kommissionär einzusenden.

Die Zahlung von Vorschüssen zur Bezahlung des Spinnlohns wird aus der Kreis-Kommunalkasse bis zum Betrage von 50 Tlr. an die Kommissarien geleistet. Die Kommissarien stehen im lebendigen Rapport zum Kreislandrat.

Im Insterburger Kreise, wo 14 Stationen zur Verteilung von Gespinstgut, sowie zur Abnahme und Bezahlung der Gespinstarbeit bestehen, wird nicht weniger Anerkennungswertes geleistet.

Im Ragniter Kreise ist das Spinnerlohn sogar auf 2½ Sgr. pro Stück festgesetzt.

Als andere Gegenstände der häuslichen Beschäftigung sind grobe Handarbeiten, wie Besen, Harken, Strohdecken,  geflochtener Korb
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Lischken
, Holzschuhe und dergleichen namhaft zu machen. Im Lötzener Kreise wird für deren Abnahme unter Mitwirkung der Geistlichen und Lehrer vom Kreis-Frauenvereine gewirkt.

Leider ist die Kälte auch den häuslichen Arbeiten, namentlich dem Spinnen, hinderlich gewesen, da es nicht überall möglich war, den Beschäftigten geheizte Arbeitsräume zu verschaffen.

Die Armenpflege, so wie die armenpolizeilichen Maßregeln sind wesentlich durch die für jeden der beiden Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen bestimmten Fonds von 100.000 Tlr. zu zinsfreien Darlehen auf etwa 3 Jahre unterstützt.  Vgl. APO, Bestand 382 FA Lehndorff, Nr. 567: Verwaltungsstreitsache des Ortsarmenverbandes Klein Steinort als Kläger wieder den Landarmenverband Kreis Angerburg als Beklagter (18904/95).
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Die Kreisstände haben diese Wohltat im Bewusstsein ihrer gesetzlichen Pflicht als Landarmenverbände zur Unterstützung bedürftiger Ortsarmenverbände willig akzeptiert. Nur in vereinzelten Fällen, namentlich in den Kreisen Wehlau und Memel, Oletzko und Lyck, hat sich die irrige Ansicht geltend gemacht, dass die Fürsorge zur Überwindung des Notstandes unmittelbare Sache des Staates sei.

Ein Hauptgegenstand der kommunalen Fürsorge ist die Ernährung der vom Notstand Betroffenen. Man hat in dieser Beziehung unter Mitwirkung der Privatwohltätigkeit und insbesondere des unter der Protektion Ihrer Majestät der Königin stehenden Vaterländischen Frauen-Vereins, viel für Suppenanstalten und Verkaufsmagazine von Viktualien getan. Die 4 Volksküchen in Königsberg, die ein Verein zur Beschaffung billiger Lebensmittel ins Leben gerufen, haben sich so vortrefflich bewährt, dass sie noch um 2 vermehrt werden sollen. In Memel besteht außer einer Suppenanstalt eine Brotniederlage, welche Bedürftigen das Pfund Brot für 1 Sgr. verkauft.

Im Kreise Labiau sind Verkaufsmagazine für Roggen, Erbsen und Graupen in den meisten Kirchspielen errichtet. Die Naturalien, aus Kreisfonds angeschafft, werden zum Selbstkostenpreise an Bedürftige und unentgeltlich als Naturalunterstützungen an ganz Arme überlassen. Bisher war in Ermangelung genügender Naturalvorräte Geldunterstützung der Armen die Regel, die jedoch nach Einrichtung der Magazine verlassen werden soll. Suppenanstalten auf dem Lande sind eingeleitet, zum Teil bereits eröffnet.

In 15 größeren ländlichen Ortschaften des Kreises Wehlau und in den beiden Städten Allenburg und Tapiau sind Suppenanstalten, welche die Portion (1 Quart) für 8 Pfennige verkaufen. Die an dem Kostenpreise von 1 Sgr. fehlenden 4 Pfennige sollen aus Vereinsmitteln gedeckt werden.

Im Gerdauer Kreise sind 4 Getreidedepots und einige Suppenanstalten eingerichtet, im Friedländer die Suppenanstalten zu Friedland, Domnau, Bartenstein und Schippenbeil, im Pr. Eylauer Kreise eine Suppenanstalt in der Kreisstadt. Im Rastenburger Kreise bestehen viele Verkaufsstellen von Lebensmitteln, die im Großen zu möglichst billigen Preisen eingekauft und zu den Selbstkosten verhökert werden. Auch Suppenanstalten sind in diesen und anderen Ortschaften eingerichtet, die das Quart Suppe zu 1 Sgr. verkaufen. Die Suppenanstalt in Mohrungen ist auf 70 Quart-Portionen gegen Freimarken und 30 Quart-Portionen a 1 Sgr. eingerichtet. Die in Saalfeld und Liebstadt verteilen je 100 Portionen unentgeltlich. In Ründtken und Sassen haben die Gutsherren ähnliche Einrichtungen getroffen. Die Suppenanstalt in Pr. Holland verteilt 150 Portionen frei und 40 gegen Zahlung von 1 Sgr.; die Portionenzahl soll auf 400 erhöht werden.

Im Gumbinner Regierungsbezirke entwickelt sich die Organisation der Armenpolizei mit gleicher Lebhaftigkeit. Suppenanstalten bestehen auch dort nicht bloß in den Städten, sondern man geht damit auch auf dem Lande vor. Im Stallupöner Kreise haben bereits 20 ländliche Ortschaften Suppenanstalten, deren jede bis 200 Personen speist. Im Insterburger Kreise sind deren mit Inbegriff der städtischen 33 eingerichtet, außerdem 6 Brot- und Nahrungsmitteldepots. Vom   Franz August Eichmann
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Oberpräsidenten
ist wiederholt auf die Einrichtung von Suppenanstalten, namentlich zur Ernährung armer Schulkinder hingewiesen. Erfahrungsmäßig empfiehlt es sich auf dem Lande, dieselbe unter die Verwaltung verständiger Lehrer und ihrer, sowie anderer Frauen zu stellen. Auch hierauf, sowie auf die Beigabe von Brot zur Suppe hat der Oberpräsident in einer Zirkularverfügung an die Landräte hingewiesen.

Außer der Ernährung hat man auch das Brennmaterialienbedürfnis zur Erwärmung der Notleidenden ins Auge gefasst, welches bei der großen Kälte namentlich da hervortrat, wo es sonst durch Torf befriedigt ist, da dieser unter der Einwirkung des nassen Sommers meistenteils unbrauchbar geworden ist. Der Verkauf von klein gemachtem Holz in Quantitäten von 20 Stück Ofenholz pro Tag gegen Einzelmarken zum Preise von 1½ Sgr. hat sich als eine überaus dankenswerte Wohltat erwiesen. Im Gumbinner Kreise ist aus Mitten des Vaterländischen Frauen-Vereins Holz an viele Ortschaften verabfolgt.

Behörden und Private sind überall gern bereit zu helfen; aber nur in vereinigter Hingebung an die große Aufgabe können sie Ersprießliches leisten. In dieser Beziehung ist im Anschluss an das nachahmungswerte Beispiel in vielen Kreisen die kirchspielweise Vereinigung der Ortsvorstände, Lehrer, Geistlichen, Distrikts-Kommissarien und der Mitglieder des Vaterländischen Frauen-, sowie des Hilfsvereins unter der beratenden Einwirkung der Kreislandräte den letzteren vom Oberpräsidenten dringend empfohlen.

Was die Vereine unter dem liebreichen und werktätigen Schutze Ihrer Majestät der Königin und Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen leisten, ist sehr bedeutend. Der Vaterländische Frauen-Verein ist durch einen Deputierten in der Person des Geheimen Regierungsrats Esse den Stätten der Not näher getreten. Dieser hat aus den reichen Vereinsmitteln, die er, außer einem namhaften Geschenke Ihrer Majestät der Königin, mitbrachte, eine beträchtliche Summe nach Maßgabe des durch persönliche Anschauung erkannten Bedürfnisses verteilt.

In diesen Tagen haben die Bezirks-Frauen-Vereine in Königsberg und Gumbinnen je 10.000 Tlr. zur weitern Verteilung von der Zentralstelle in Berlin nach etwa ebenso hohen früheren Gaben erhalten.

Die München-Aachener Feuerversicherungsgesellschaft hat dem Oberpräsidenten 6.000 Taler für die Notleidenden in Ostpreußen überwiesen. Die demselben sonst zugegangenen Gaben aus den verschiedensten Gegenden der Monarchie, ja Deutschlands, sind gleichfalls beträchtlich. In diesen Tagen ging ihm aus Dessau die Summe von 600 Tlrn. von dem Komitee des Hilfsvereins von Anhalt mit dem Bemerken zu, dass die dortigen Landwirte und landwirtschaftlichen Vereine auf Anregung desselben sich bereit erklärt hätten, zu Saatkartoffellieferungen für das nächste Frühjahr zusammenzutreten. Eine höchst dankenswerte Offerte, da es bei dem fast durchgängigen Fehlschlagen der Kartoffelernte gerade an diesem Saatgut zum Frühjahr besonders fehlen wird.

Die Zustände der öffentlichen Sicherheit sind im Allgemeinen befriedigend, und nur aus einzelnen Gegenden ist über auffallende Vermehrung von Diebstählen, namentlich an Holz, Torf, Vieh und Kartoffeln, Klage geführt.

Auch der Gesundheitszustand muss im Ganzen als ein günstiger bezeichnet werden. Besondere Beachtung erfordert jedoch die Verbreitung des Typhus. Die Form des Darmtyphus (Ileotyphus), die gewöhnlich in der Provinz Preußen auftritt und sich allemal um die Winterszeit zu epidemischer Verbreitung steigert, herrscht jetzt wie in Königsberg, so auch in mehreren anderen Gegenden der Provinz, z. B. Bartenstein. Ein Zusammenhang in dem Auftreten und der Verbreitung dieser Krankheit mit dem Notstand ist nach dem Ausspruch des Medizinalrats und Professors Dr. Leyden, der den Geheimen Regierungsrat Esse auf seiner vorhin erwähnten Reise begleitet hat, nicht zu behaupten.

Die zweite Form des Typhus (der exanthematische), der nur in Schlesien einheimisch ist, und dort in den Notjahren 1847-48 eine ungewöhnliche Verbreitung und Heftigkeit erlangte, wird Hungertyphus genannt, obgleich er mit dem Hunger in keiner direkten Verbindung steht, und sich keineswegs, wie man irrtümlich annimmt, allein in Folge schlechter und unzureichender Nahrung entwickelt. Dieser in seiner Entwickelung durch Einschleppung des Ansteckungsstoffes bedingte Typhus, der sich schon im vorigen Winter epidemisch bis an die Weichsel verbreitet hatte, ist in diesem Winter auf das rechte Weichselufer übergegangen und auf unbekannten Wegen, vielleicht über Liebstadt nach dem Lötzener Kreise verpflanzt. Weiter ist die Krankheit in den Kreisen Goldapp, Darkehmen und Gumbinnen beobachtet. Jedenfalls ist diese Krankheit in den nicht wesentlich vom Notstand betroffenen Gegenden Masurens zuerst aufgetreten. Um ihrer weiteren Verbreitung Schranken zu setzen, sind von der Gumbinner Regierung zweckmäßige sanitätspolizeiliche Maßregeln getroffen, namentlich verschärfte Verbote des Vagabundierens und Bettelns, insbesondere aus den der Ansteckung unterlegenen Ortschaften, und die Anordnung, dass die vom Typhus Genesenen und aus den Lazaretten Entlassenen tunlichst mit neuen Kleidern versehen werden. Nach dem Berichte aus Lötzen nimmt übrigens die Verbreitung der Krankheit ab, und es ist nur etwa einer auf zehn von den Erkrankten gestorben.

Zu landwirtschaftlichen  
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Meliorationen in Ostpreußen
ist Behufs Verwendung zu Darlehen an Unternehmer derselben bekanntlich ein Zuschuss von 100.000 Talern zum Landesmeliorationsfonds bewilligt worden.

Bei der Beschlussnahme über die Verwendung dieses Fonds sollte der Gesichtspunkt leitend sein, dass in den bedürftigen Teilen Ostpreußens so bald als möglich Arbeitsstellen geschaffen werden, welche, über die notleidenden Distrikte angemessen verteilt, einer ansehnlichen Anzahl von Arbeitern (mindestens 50 bis 200 pro Arbeitsstelle) bis zur nächsten Ernte Gelegenheit zum Verdienst gewähren. Zugleich ist auf die Richtung der im Bau begriffenen und in nächste Aussicht genommenen Eisenbahnen in der Art Rücksicht genommen worden, dass die Arbeitsstellen zu landwirtschaftlichen Meliorationen möglichst in angemessener Entfernung von jenen Linien gewählt sind, um einer störenden Berührung mit den Behufs des Eisenbahnbaues einzurichtenden Arbeitsstellen vorzubeugen.

Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte sind nach den Vorschlägen einer in Königsberg abgehaltenen Konferenz, nachstehende Darlehenssummen aus dem angegebenen Zuschussfonds angewiesen:

I. Für den Regierungsbezirk Gumbinnen:
1) für den bereits bestehenden Entwässerungsverband des Narpe-Kattenauer Bruches in den Kreisen Gumbinnen und Stallupönen, welcher auch 4.000 Tlr. aus dem diesjährigen regelmäßigen Meliorationsfonds empfängt zu einer Arbeitsstelle für 250 Arbeiter 4.000 Tlr.
2) für den in der Bildung begriffenen Entwässerungsverband von Keimelswerder im Kreise Gumbinnen zu einer Arbeitsstelle von mindestens 100 Arbeitern 6.000 Tlr.
3) für den in der Bildung begriffenen Entwässerungsverband des Zetmar-Bruches im Kreise Darkehmen für eben so viel Arbeiter 7.000 Tlr.
4) für den bereits bestehenden Verband zur Entwässerung der Niederungen am Masehnen-, Faulen- und Plötzensee, Kreises Angerburg, für eine eben solche Arbeiterzahl 8.000 Tlr.
5) für den in der Bildung begriffenen Verband zur Entwässerung des Bialla-Bruchs, Kreises Johannisburg, für die gleiche Arbeiterzahl 10.000 Tlr.

II. Für den Regierungsbezirk Königsberg:
1) für die Genossenschaften des sogenannten Schakenschen Winkels, Landkreises Königsberg, von denen eine schon besteht, die andere in der Bildung sich befindet, für circa 100 Arbeiter 7.000 Tlr.
2) für den Gutsbesitzer Göring in Lockstedt, Kreises Fischhausen, Behufs Rajolung von ca. 7 Hufen als Arbeit für ca. 100 Mann 5.000 Tlr.
3) für den in der Bildung begriffenen Verband von Wolitta–Balga–Kahlholz, Kreises Heiligenbeil für eben soviel Arbeiter 7.000 Tlr.
4) für den Rittergutsbesitzer von Fölkersamb behufs Entwässerung des Bleichenbarther Sees und Kiwittener Mühlenteichs, Kreises Heilsberg, für ca. 200 Arbeiter 10.000 Tlr.
5) für die Besitzer des Mohrunger Sees, Kreises Mohrungen, Landrat Gisevius und Gutsbesitzer Kickton, behufs Ablassung desselben, für ca. 100 Arbeiter berechnet 8.000 Tlr. Summa 72.000 Tlr.
Die übrigen 28000 Tlr. sind bestimmt: Im Regierungsbezirk Gumbinnen:
6) für den bestehenden Linkuhnen-Serkenburger Entwässerungsverband im Kreise Niederung zur Arbeit für 200 Mann vom Frühjahr ab.
Im Regierungsbezirk Königsberg:
7) für den in der Bildung begriffenen Meliorationsverband der Frauenburg-Passanger Niederung, Kreis Braunsberg, zur Arbeit für circa 100 Mann vom Frühjahr ab,
8) für den in der Bildung begriffenen Verband der oberen Drewenz, Kreises Osterode, zur Arbeit für ca. 100 Mann vom Frühjahr ab,
9) für den in der Bildung begriffenen Verband von Friedrichsfelde, Kreises Ortelsburg, zur Arbeit für ca. 200 Mann, außer der Summe von 5.000 Tlr., die aus dem etatsmäßigen Meliorationsfonds flüssig gemacht werden soll.

Durch einen Erlass des Finanzministers an den Oberpräsidenten der Provinz Preußen vom 3. d. M. ist Fürsorge dafür getroffen, dass in den von der Not heimgesuchten Gegenden bei Einziehung der Steuern mit Milde und Schonung verfahren und unter allen Umständen vermieden werde, die an sich schon bestehende Not etwa durch ein strenges und rücksichtsloses Verfahren in Beitreibung der Steuern noch weiter zu steigern.

In Betreff der Klassensteuer sind die Regierungen schon seither ermächtigt, denjenigen Steuerpflichtigen, welche durch ungewöhnliche Unglücksfälle in ihrer Nahrung zurückgekommen sind, zur Erhaltung im leistungsfähigen Stande Erlass bis zum halbjährlichen Betrage der Steuer zu bewilligen. Der Minister gibt hierüber, sowie über die Behandlung der übrigen Steuern spezielle Vorschriften und fügt dann hinzu, er brauche kaum noch besonders hervorzuheben, »dass überall mit sorgfältigem Eingehen in die Verhältnisse zu Werke gegangen werden muss, dass insbesondere die Landräte, deren Umsicht und Takt der wesentliche Teil des Verfahrens anzuvertrauen, keine Mühe scheuen dürfen, um neben tunlichster Wahrung der Staatsinteressen zugleich der allgemeinen Not und dem Elende ihrer Kreis-Einsassen jede nur zulässige Schonung zu Teil werden zu lassen.«

Aus vorstehenden Mitteilungen geht hervor, dass die Staatsregierung der Linderung des Notstandes nach allen Seiten hin fortgesetzt ihre volle Fürsorge widmet. Gleichzeitig ist aus ihren umfassenden Maßregeln zu ersehen, wie erheblich der Notstand nach der Auffassung der Behörden selbst ist. Die Regierung würde nicht, wie sie es tut, alle ihre Kräfte in Bewegung setzen, um dem Übel zu steuern, wenn sie nicht überzeugt wäre, dass eben die Anspannung aller Kräfte, und zwar der öffentlichen wie der Privatwohltätigkeit dazu erforderlich ist, um mit Gottes Hülfe der Not bis zum Eintritt günstigerer Zeiten Herr zu werden.

Mit Genugtuung dürfen die Vereine, darf unser Volk auf die bisherigen Erfolge der öffentlichen Mildtätigkeit blicken; aber es wäre gefährlich, wenn man die ersten reichen Erweise der Liebe schon für genügend erachten wollte.

Der gemeinsamen Anstrengung und einer umsichtigen Organisation ist es gelungen, einem weiteren verderblichen Anwachsen der Not zu steuern; die gänzliche Beseitigung derselben wird noch eine längere Zeit und eine andauernde Opferwilligkeit unseres Volkes erfordern.

Der Hilfsverein für Ostpreußen (unter dem Schutze des Kronprinzen) hat soeben einen Bericht über seine Tätigkeit erstattet, in welchem der Erfolg des festgehaltenen Grundsatzes, der Not vornehmlich durch Verteilung häuslicher Arbeit zu steuern, dargelegt, dann aber mahnend hinzugefügt wird: »Ist erst die überall angeregte Arbeitsorganisation vollendet, so werden die uns täglich zufließenden Mittel nur eben ausreichen, um die Verluste zu decken, welche beim Wiederverkauf der gearbeiteten Gegenstände zu erwarten stehen. Nur eine gewisse Stetigkeit der Einnahmen, nur das ausdauernde Vertrauen der Nation kann uns in den Stand setzen, die Arbeitsstellen, welche wir gestiftet haben, oder eben stiften, im Gange und damit Tausende von Familien, so Gott will, am Leben und bei Gesundheit zu erhalten.«

Zitierhinweis

Zeitungsartikel. 22. Januar 1868. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_dvg_l4m_2cb