"Begriff" - abgeschlossen

BEGRIFF, m.

Grammatik
Etymologie

Mhd. begrif, mnd. begrip, begrîp, begrep n., vereinzelt m.

 

Deverbale Bildung zu begreifen (s. d.).

Verbreitung und Frequenz
Die vorher nur selten bezeugte Bedeutung 3 entwickelt sich seit dem 18. Jh. zum Hauptgebrauch
Gebrauchsmuster
Bedeutung
  1. 'Gebiet, Bezirk, Bereich'


    '(abgegrenztes) Gebiet, Bezirk, Bereich einer Herrschaft oder einer Gerichtsbarkeit', gelegentl. i. S. v. 'Umfang', vereinzelt auch metonym. für die einen Bereich umschließende Befestigung; zu begreifen 3:

     

    1293
    dc dem .. hern. Johannese .. so vil des garten verlûhen ist so der zûn begriffen het, vn sol her Reimbolt .. des selben gedinges vnde des befriffes an dem garten wern .. alse reht ist
    Corp. altdt. Originalurk. W. 5, 421

     

    (1314)
    Baldac ist ain hauptstat: / haidnisch diet dinne hat / ainen babst, der haizt kalif, / des gewalt und des begrif / get nach ir e durch haidenschaft
    Johann v. Würzburg 6020 DTM

     

    1415
    Troeye was die witeste stat an begriffe, die lütseligeste an gezierde
    Twinger in: (Straßb.) chr. dt. städte 8, 298

     

    1609
    der begriff zwischen dem Rhein vnnd dem gebirg ist dreyer meilen breit
    Quad herligkeit 123

     

    1741
    es wäre nur eine .. Abbildung der grossen Welt, welche manwelche man in diesen kleinen Begrif (globus) gebracht hätte
    Lindenborn Diogenes (1740) 2, 13

     

    — meist rechtssprachlich in formelhafter Reihung 'das zur Ausstattung u. Einrichtung gehörende, Zubehör':

     

    1275
    hûz vn houestat mit allem buwe vn bigriffe, der derzuo hoeret
    Corp. altdt. Originalurk. W. 5, 93

     

    1392
    die marck zu Bergheim mit welden, felden, wingarten, eckern .. und mit allem andern begriff und zugehorung
    Obrhein. Stadtrechte I 479

     

    1403
    daz si .. minem gnedigen herren .. ze kouffen geben hettint Schaltzburg die vesti mit allem begriff und mit aller zuogehoerde
    Mon. Zoller. 1, 380

     

    1588
    soll die frauw abbtissin .. jnn jrem dinckhof der zue Hunzbach mit sambt hauss, scheuren, stall vnnd ganzem begriff gelegen.. ist, geding halten
    Weist. G. 4,16

     

  2. 'Verstand, Auffassungsgabe, Verständnis'


    'Verstand, Auffassungsgabe, Verständnis, Auffassung', zuerst i. S. v. 'geistiger Zugriff'; geläufig von schwerem, leichtem u. ä. Begriff (sein), zuerst häufig auch im Plural; jünger schwer, leicht u. ä. von Begriff sein 'eine schlechte, gute Auffassungsgabe besitzen'; zu begreifen 2:

     

    (E13./A14.Jh.)
    vindet si (die seele) dâ niht wârheit, dâ si îngebildet wirt in eine einicheit ..? nein, si envindet keinen begrif einer wârheit
    meister Eckhart dt w. 1, 402 Q.

     

    1522
    muoß nun von oben herab kummen, das wir mögend ütz ('irgend etwas') empfahen oder begriffen, .. also kumpt begriff und verstand der götlichen leer von oben herab
    Zwingli 1, 366 E./F.

     

    1616
    begriff .. Verstand, Intellectus
    Henisch T. Spr. 1, 248

     

    1779
    wir haben bei uns einen Bildhauer, einen Mann von leichtem Begriff und schneller Hand
    Goethe IV 4, 142

     

    1885
    "welche Richterin?" entweder war Wulfrin von harten Begriffen oder seine Laune verschlechterte sich zusehends
    C. F. Meyer 12, 167 Z./Z.

     

    1995
    als ob man schwer von Begriff sei, bloß weil man ab und zu nicht so gut hört!
    Süddt. Ztg. (2. 9.), DWDS-arch.

     

     

  3. 'Vorstellung, Anschauung, Ansicht, Meinung'


    'Vorstellung, Anschauung', auch 'Ansicht, Meinung' (dann oft mit bewertendem Epitheton); terminol. in der Philosophie 'abstrahiernde, kognitive Zusammenfassung wesentlicher, unveränderlicher Merkmale von Objekten und Erscheinungen, die deren Wesenskern um- oder erfaßt', Urbild, Idee, vgl. dazu Europ. Enzykl. Philos. 1, 362 ff. S. u. Hist. Wb. Philos. 1, 779 ff. R.; seit d. 18. Jh. Hauptgebrauch d. Wortes, davor nur selten belegt; geläufig in der Wendung sich einen Begriff (von etwas) machen eine Vorstellung (von etwas) haben; zu begreifen 2:

     

    A15.Jh.
    zu yr (der Frau in seinem Bett) kerte er (der Heilige) sich nye dar / noch mit syme begriffe ('Bewußtsein'?) nie rurte
    Pilgerfahrt d. Mönchs 4140

     

    1543
    ich wil die gantze freundschafft (die Familie Jesu) setzen nach meiner idea oder begriff, wers besser macht, der habe danck
    Luther W. 53 629 W.

     

    1654
    die jungfern sind ein volck, sind unter uns gestellt / .. sie sind ein kurtz begrieff ('Idealbild') von allen zierligkeiten
    Logau Sinnged. 281 LV.

     

    1713
    einen begriff nenne ich eine jede vorstellung einer sache in unseren gedanken
    Ch. Wolff Verstand (1719) 10

     

    (v1836)
    da haben Sie falsche Begriffe von dieser erhabenen Frau
    Raimund 149 C.

     

    1932
    der Begriff des Menschen wird zugleich als Idee gesetzt. Alle Menschen sind Vernunftwesen – das ist der Begriff des Menschen
    Brunner Gebot 26

     

    2004
    außerdem war die Frau .. nach landläufigen Begriffen krank, eine Gestörte oder Wahnsinnige
    Handke Don Juan 12

     

    — phraseol. (jmdm.) ein Begriff sein 'jmdm. bekannt sein':

     

    (1944)
    die "Meininger" - das war für die Schauspieler dieser Zeit ein "Begriff"
    Winterstein Leben 1(1947) 114

     

    2005
    vor .. 2004 war die Nordspitze Sumatras ja sowieso nur wenigen Fremden ein Begriff
    N. Zürch. Ztg. (7.4.) 57a

     

  4. 'Grundgedanke, Zusammenfassung'


    Selten (so auch zuerst) 'Grundgedanke, Tenor eines Textes'; meist 'Zusammenfassung, kurzer Abriß, Inhaltsangabe', auch allgemein '(kurzer) Text'; zu begreifen 1b u. 3:

     

    (1435)
    privilegia, indult, gnade und brief, auch bebstlich, gemein und sunder, wellicherlei begriffe die sein (quorumcumque tenorum existant)
    Chr. Bamb. 1, 49 Ch.

     

    (1541)
    kurtzer begriff vnd inhalt des ersten buochs Ptolemei
    Münster Cosmographei (1550) 21

     

    1775
    dieser hat die freylich etwas weitläuftigen schriften des hrn. doktors in einen kurzen begriff gebracht
    F. Nicolai Nothanker (1773) 2, 45

     

  5. in der Wendung im Begriff stehen, sein etwas zu tun


    Seit Ende des 17. Jhs. geläufig in der Wendung im Begriff stehen, sein etwas zu tun '(soeben) mit etwas beginnen, gerade mit etwas beschäftigt, befaßt sein', selten mit Sachsubjekt, zu begreifen 1c:

     

    1691
    als eben das lager nach Dalmatien abzusegeln im begriff war
    Happel Denkw. (1683) 5, 541a

     

    (1788)
    als wir eben im begriff standen auszugehen
    Schiller 16, 68 Nat.

     

    1864
    seine öftere Geistesabwesenheit und Zerstreutheit gab Anlaß zur Vermutung, daß er dieses Erlebte poetisch zu verwerten im Begriff sei
    Raabe 9, 1, 202 H.

     

    2004
    heute sitzt er .. in diesem Vorhof zum Männerasyl, trinkt Biere und Schnäpse und ist .. im Begriffe, selbst auch das eine oder andere zur Unterhaltung beizutragen
    Schroeder Mutter 155

     

  6. 'Fachausdruck, Terminus'


    'Fachausdruck, Terminus'; zu begreifen 1 b:

     

    1837
    incomitatam ist mir ein anderer Begriff für indotatam
    Kuniss Cicero, de oratore 480

     

    1968
    eine Unmenge neuer technischer Begriffe stürzte auf uns ein
    Winzer Soldat 369

     

    2006
    wer körperlich oder seelisch litt, glaubte verhext zu sein, das war ganz normal. Dieses Denken spiegelt sich bis heute in dem Begriff "Hexenschuss"
    Nat. Geographic Dtld. 12B

     

Ableitungen
begrifflich, Begrifflichkeit
Zusammensetzungen
  1. als Erstglied
    Begriffsabgrenzung, Begriffsanalyse, Begriffsbestimmung, Begriffsbildung, Begriffsdefinition, Begriffsgeschichte, Begriffsinhalt, Begriffspaar, begriffsstutzig,Begriffsumfang, Begriffsverwirrung ..
     
  2. als Zweitglied
    Freiheitsbegriff, Oberbegriff, Politikbegriff .. ..

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