Acta betreffend die Organisation des Ober-Hofmarschall-Amtes, Aktendeckel (Ausschnitt),GStA PK, BPH, Rep. 113, Nr. 134.
Acta betreffend die Organisation des Ober-Hofmarschall-Amtes, Aktendeckel (Ausschnitt),GStA PK, BPH, Rep. 113, Nr. 134.

Höfe — Hofämter — Stadt

Das funktionale wie repräsentative Zentrum der Monarchie war der Hof, der in Preußen aus dem Hof des Königs sowie den Hofstaaten seiner Familienmitglieder bestand. Die Summe der zeitlich parallel existierenden, mitunter mehr als zwanzig Hofstaaten lässt sich unter dem Begriff „der preußische Hof“ zusammenfassen, den dieses Teilprojekt thematisiert. Er umgab den Monarchen im Alltag wie an Festtagen, in seinen politischen, repräsentativen und familiären Unternehmungen.

Doch der Hof bestand nicht nur aus der Herrscherfamilie, sondern auch aus zahlreichen weiteren Personen, die sämtliche höfischen und administrativen Aufgaben erfüllten. Damit war er eine Kombination aus Verwaltungsbetrieb und Großfamilienhaushalt. Organisiert wurde diese Einheit in Preußen über eine veränderliche und stark verzweigte Ämterstruktur: Am Hof des Königs besetzten verschiedene Hofchargen hochrangige Hofämter mit den entsprechenden Funktionen. Zusammen mit rangniederen Hofbeamten bildeten sie Hofbehörden mit eigenständigen Wirkungskreisen.

Bisher ist nur wenig darüber bekannt, wie stark die Hofämter hierarchisiert waren und ob inhaltlich unterschieden werden muss zwischen hochrangigen Hofämtern, die reine Ehrenämter waren, und solchen Hofämtern, die die Arbeit machten. Außerdem ist herauszufinden, ob eine Tätigkeit am Hof (z.B. „diensttuender Kammerherr“) als förderlich für die außerhöfische Karriere betrachtet wurde, ob und wann der Monarch bei der Besetzung von Ämtern eingriff und ob eine Anstellung bei Hofe auch soziale Absicherung, womöglich für die ganze Familie, bedeutete. Unter diesem Fokus nimmt das Teilprojekt den Hof als praktizierenden und gelebten Ort von Monarchie in den Blick. Die hierfür relevante Aktenüberlieferung wird ausgewertet und in Form einer Printedition von Schlüsseldokumenten zur Amtsorganisation des preußischen Hofes seit 1786 vorgelegt, die der europäisch-vergleichenden Monarchie- und Hofforschung als eine Stammquelle dienen soll. Der Editionsband beinhaltet Quellen zur Binnenorganisation der preußischen Hofstaaten (siehe Beispieldokument) sowie Dokumente, die exemplarisch die Arbeitswelt der Hofangestellten mit ihren Vorzügen und Problemen (siehe Beispieldokumente von 1814 und 1906) wiedergeben. Ein weiteres Forschungsergebnis des Teilprojekts ist die Visualisierung der Hofstaaten von Monarch und Monarchin und der jeweiligen dortigen Hofämter als digitale Organigramme. Diese geben Auskunft darüber, welche Personen Hofämter besetzten, welche Aufgaben sie hatten und welche Beziehungen es zwischen den Hofbehörden gab. Biogramme geben Kurzbiographien der obersten Hofbeamten und Hofbeamtinnen wieder, die die Forschung auf eine breitere Basis stellen.

Das Hofpersonal war nicht nur eine Komponente der Monarchie, sondern bildete auch einen wesentlichen Teil der Stadtbevölkerung Berlins und Potsdams. Hofangestellte wohnten in der Stadt, besuchten Salons, waren mitunter Mitglieder in Vereinen, waren Nachbarn. Hier vermischten sich womöglich ranghohe Hofbeamte mit Personen aus unteren sozialen Schichten, die nur eine geringe oder gar keine Beziehung zum Hof hatten. Ein digital aufbereiteter Stadtplan von Berlin wird für fünf Stichjahre exemplarisch zeigen, ob es eine für die preußische Haupt- und Residenzstadt typische Wohntopographie des Hofpersonals gab. Zudem stellt sie der Forschung Massendaten zur Verfügung, auf deren Grundlage eine eventuelle Verzahnung des Hofpersonals mit der Berliner Stadtgesellschaft näher ausgeleuchtet werden kann. Wo wohnten die Hofbeamten? Befand sich das häusliche Domizil eines Hofangehörigen im selben Wohnhaus wie das von Gewerbetreibenden und Handwerkern oder blieben sie eher unter sich? In diesem Kontext fragt das Teilprojekt nach der Kategorie der sozialen Geographie, nach Nähe und Distanz zwischen Hof und Stadt sowie nach der Existenz „höfischer Inseln“ in der sich rasant verändernden preußischen Hauptstadt.

Darüber hinaus waren die Angehörigen und höheren Beamten des Hofes innerhalb der repräsentativen Sphäre des höfischen Lebens auch Publikum, Kulisse bzw. Akteure. Als Teilnehmer und Besucher von höfischen Festen, Reisen, Empfängen etc. sind sie mitunter auch im Hofkalendarium erwähnt und finden in weiteren Teilthemen des Projekts erneute Beachtung.

Beispieldokument: Promemoria, vermutlich von Hofmarschall Ludwig von Meyerinck

Beispieldokument: Immediatgesuch der Erzieherin von Prinzessin Charlotte, Maria Margaretha v. Wildermeth

Beispieldokument: Immediat-Entlassungsgesuch der Oberhofmeisterin von Kronprinzessin Cäcilie, Rose Freifrau von Tiele-Winckler