Einleitung

Texte
Deutsch
Englisch
Französisch

Tagebuch

 


Alexander von Humboldt Forschungsstelle

 


Datenschutz

Tagebuch


Seite 240 | 241 | 242 | 243 | 244 | 245 | 246 | 247 | 248 | 249 | 250 | 251 | 252 | 253 | 254 | 255 | 256


sonen, welche den Rest der Cariben auf Inseln gesehen, versichern ebenfalls, daß auch diese keine plattgedrückten, sondern ganz gewöhnliche Schädel haben. Also Blumenbachs Kopf wohl Zufälligkeit?

6. April[is]. Die Sierras de l'Encaramada scheinen aneinanderhängend, sich sehr weit im Osten zu erstrecken. Ihre Breite von Nord gegen Süden ist kaum 3 leguas. [Der] Granit senkt sich in die Tiefe und weiter südlich wieder Ebene, aber ein sehr grobkörniger, scharfer, knirschender Granitsand. Nachts sehr stürmig, des raffles. Sonderbar, daß im Orinoco diese raffles weit stärker als im Llano sich fühlen. Haben die oben genannten Granithügel Antheil daran? [28R] Vor dem Winde welche freundlich milde, helle Nacht! Einen heitereren Himmel sah ich nie. In 10° Höhe kein scintillement der Sterne. Und Jupiter als sichtbare Scheibe, wie durch ein Fernrohr!

Rana nivea, der R[ana] Arborea ähnlich, alba, dorso punctis minutissimis atro-caeruleis notata, ventre lutescente, pedibus niveis, vagulis obtusis, compressis rotundatis. Auf Sträuchern. Sehr zahm. Irides aureae.

Wasser. Der Apure an verschiedenen Orten, obgleich scheinbar auf einerlei Sande, von verschiedenem Geschmack. [Die] Indianer glauben, die Crocodille geben ihm hier und da den widerwärtigen Geschmack, sagen scherzend, daß die alten la cagada mui amarga haben. Allerdings sehr möglich, daß diese großen Ungeheuer, von denen viele faulen, die großen schleimigen Toninas, Manatís ... und andere, die Beschaffenheit eines so langsam fließenden Wassers ändern. [Das] Orinoco-Wasser soll purgiren, hat für mich [einen] eigenen, widrigen Geschmack, süßlich und wie ausgesonnt, ausgekocht!

Wie der Mensch allem trotzt! Wir baden uns jetzt schon mitten unter Cariben, Sägen, Rayas und Crocodillen. Ein Indianer warnt immer den anderen, und nach und nach baden wir uns alle. Die Badelust erfindet immer Gründe, warum gerade hier, des Ufers, Badens, der Tageszeit ... wegen Crocodille nicht sich nähern. Ein wahres Hazardspiel, denn jährliche Beispiele beweisen, nach derselben Versicherung der Indianer, daß alle diese Gründe falsch sind. Auch werden besonders Indianer ihrer Sorglosigkeit wegen genug gefressen. Aber die Gefährten sind, wie bei allem Unglück der Mitreisenden, gleichgültig. Man sagt mit Recht: Quien va con Indio, va solo. Man hat hundert Beispiele. [Die] Indianer sitzen im Vordertheil des Schiffes. Einer fällt ins Wasser. Man könnte ihn retten, [das] Segel einziehen. Nein! Keiner der Kameraden schreit, keiner spricht ein Wort. Der Steuermann sieht den Indianer schon weit hinter sich. Man macht den Indianern Vorwürfe. Er kann schwimmen, und kann er das Schiff nicht erreichen, nun so ersäuft er, so holt ihn Tixitixi (der Teufel). Ein eigener Charakterzug des Wilden (denn was man als Eigenthümlichkeit des Amerikan[ischen] Indianers verschreit, gehört allen Menschen im Naturzustande zu), dem lebenden Gefährten gefällig; keiner trinkt, ißt etwas allein, ohne nicht dem Gefährten mitzugeben; aber scheint der Gefährte dem Tode nahe (durch Tiger, Crocodill, vor Krankheit sterbend) nun, so ist er nicht mehr Glied dieser Gesellschaft, er gehört dem Tixitixi, keine Hülfe, kein Mitleid, keine Klagen!*

[29V] Am 6. April[is] morgens um 11 Uhr trieb uns ein frischer Nordost in die Boca de Tortuga, wo mitten im Orinoco eine beträchtliche Sandinsel, in der die pesca de Tor-


*Verschiedene Sitten. Chaimas sehr eifersüchtig mit Frau. Der Otomaque und Yaruro in Isla de Achaguas, denn [die] alte[n] ursprüngl[ichen] Einwohner Achaguas-Indianer sind nach und nach in die südlichen Wälder entflohen, bringen für Brandwein Weib und Töchter, aber sie bestehen darauf, der Staatsaction beizustehen, was genant genug ist.